Kapitel 5

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Kapitel 5
Ich kehrte zurück nach Hause und nahm meine Schultasche. Meine Mutter schlief noch und ich ging einfach wieder. Im Bus war keiner, außer mir. Es war aber auch sehr früh, um die Uhrzeit stehen vermutlich die Meisten erst auf. Die Gedanken des Busfahrers verdrang ich. Es interessierte mich nicht, was er dachte. Ich hatte meine Gedanken die ganze Zeit bei dem Jungen. Ich kann mir nicht erklären, warum ich seine Gedanken nicht lesen kann und ich werde es vermutlich auch nie erfahren. Ich starrte aus dem Fenster. Die Regentropfen prasselten an die Glasscheibe des Busses und rannen wegen dem Wind nach hinten. Vor der Schule hielt der Bus. Ich stieg lustlos aus und zog mir meine Kapuze über den Kopf, dennoch konnte ich die Regentropfen, die herunterfielen, auf meinem Kopf spüren. Ich lief in schnellen Schritten auf die Eingangstüren der Schule zu. In der Schule drin zog ich mir die Kapuze wieder vom Kopf und mir fiel sofort auf, dass nur ich da war. Die Lichter waren noch aus und nicht einmal der Hausmeister war da. Ich setzte mich auf eine Bank und dachte nach. Noch nie zuvor hatte ich nichts gehört in der Schule. Keine Gedanken, keine Gespräche. Ich genoss die Zeit, alleine. Lehnte mich zurück und nahm die guttuende Stille war. Doch ich erschrak. Jemand packte mich an der Schulter. Wer konnte das sein? Ich hörte schließlich keine Gedanken. Mit rasendem Herzen drehte ich mich um. Er war es. Erleichtert und genervt wurde ich wieder lockerer. „Es tut mir wirklich leid“, sagte er. „Warum bist du schon hier?“, fragte ich ihn gemein. „Diese Frage könnte ich auch dir stellen“, sagte er und grinste. Ich drehte mich um und holte mein Handy aus der Tasche. Eigentlich brauche ich keins. Ich schreibe nur selten mit meiner Mutter, sonst mit niemandem. Trotzdem war ich in dem Moment glücklich, ein Handy zu haben und draufschauen zu können. So zeigte ich ihm, dass ich desinteressiert an einer Unterhaltung mit ihm war. Er setzte sich neben mich und ich hörte sein Blut durch seine Adern pochen. Sein Herz raste, während er noch einen ruhigen Atem hatte und man ihm, als Mensch, nicht anmerken würde wie aufgeregt er ist. Aber ich bin kein Mensch, ich bin ein Vampir. Ich bekomme Durst, wundere mich aber, warum? Ich hatte doch was zu trinken, und zwar genug. Angestrengt versuchte ich wieder lockerer zu werden, mein Verlangen zu vergessen. „Es ist unhöflich ans Handy zu gehen, wenn jemand anderes mit einem spricht“, sagte er und versuchte mich zu provozieren. Es gelang ihm. Ich wurde wütend auf ihn. Würde ihm am liebsten sein Blut aussaugen und seine Leiche vergraben. Problemlösung. Aber ich konnte nicht, ich konnte nicht so viele Menschen an einem Morgen umbringen. Ich betätigte den Knopf, um das Handy auszuschalten und packte es weg. „Worüber möchtest du mit mir reden? Immerhin wolltest du dich gestern nicht mit mir unterhalten vor all den anderen“, sagte ich und provozierte ihn ebenfalls. „Ich habe mich dafür doch schon entschuldigt. Ich wollte es nicht. Ich war leicht irritiert, du redest normalerweise nie mit jemandem.“ „Und was war da letztens im Flur mit dir los?“ Er sieht bedrückt weg. „Nichts.“ Ich sagte nichts mehr. Zu so einer Antwort hatte ich nichts mehr zu sagen. „Ich will mich doch nur mit dir unterhalten“, sagte er, flehte mich zugleich an mit ihm zu reden. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er, als er merkte, dass ich auf so etwas nicht antworten kann. Ich war leicht erstaunt. Die ganze Schule weiß doch eigentlich wie ich heiße? „Tut mir leid, aber ich weiß nur wer du bist und nicht wie du heißt“, sagte er, weil er merkte, dass ich erstaunt war. „Chloe und du?“, fragte ich. Ich wollte auch gerne wissen, wie die Person heißt, von der ich keine Gedanken lesen kann. Schüler kamen in die Schule rein. Immer und immer mehr. Deren Gedanken waren da, aber ich ging nicht auf sie ein. Die Unterhaltung war mir wichtiger. „Noah“, antwortete er mir. „Wollen wir uns vielleicht mal treffen?“, fragte er. In meinem Kopf kreiste in dem Moment, als er mich fragte, nur noch 'nein' herum. Ich will mich nicht treffen. Ich habe so was schon so lange nicht mehr gemacht. Es kommt mir vor, als hätte ich mich noch nie mit jemandem getroffen. Alles war wieder ganz neu für mich. „Klar“, sagte ich unsicher. Ich wollte nicht unhöflich wirken. Ich finde nämlich, dass er ganz nett ist. Er sagt mir zwar nicht alles, aber ich erzähle ihm ja schließlich auch nichts von mir. Er weiß nur meinen Namen und das, was die anderen über mich reden. Aber was erzählen sie über mich? Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Es war mir immer egal. „Okay. Kann ich deine Handynummer haben? Ich schreib dich heute dann mal an.“ Ich nickte unsicher und gab ihm meine Nummer. Er war der Erste, der außer meiner Mutter, meine Nummer bekam. Ich hatte sie nie weitergegeben. „Danke, ich schreib dich dann heute an“, sagte er und lächelte. Ich erzwang mir ebenfalls ein Lächeln. Es klingelte zur ersten Stunde. Er musste in eine andere Richtung als ich, daher liefen wir getrennt in unsere Klassenzimmer. Die Gedanken der anderen drangen wieder in meinen Kopf. Es hatte sich gut angefühlt mal wieder mit jemandem, außer meiner Mutter, zu sprechen. Die Stunden begannen. Noah war in seinem Klassenzimmer, ich in meinem. Ich fragte mich, was wir an dem Nachmittag tun würden. So vergingen dann auch die Stunden. Die Pausen verbrachte ich dennoch alleine. Ich mag es einfach mehr, meine Ruhe zu haben. Als es zum Schulschluss klingelte freute ich mich. Ich hoffte ihn wiederzusehen, mit ihm zu reden. Aber warum? Ich kenne nur seinen Namen. Ich überlegte ein wenig, während ich rasch meine Tasche zusammenpackte. Ich glaube ich freute mich, weil ich endlich jemanden hatte, mit dem ich eine Freundschaft aufbaute. Ich war die erste, die das Klassenzimmer verließ. Auf dem Schulhof traf ich ihn dann auch. Er lächelte mir kurz zu und lief weiter mit seinen Freunden. Auf dem Weg nach Hause im Bus hatte ich ununterbrochen ein Lächeln auf dem Gesicht. Ich hörte mir nicht einmal die Gedanken oder Gespräche an, sondern bewunderte die Sonne, die hoch am Himmel stand und auf die Erde schien, auf uns schien. Es würde ein toller Tag werden, da war ich mir sicher. 

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