Kapitel 14

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Noah fing an zu suchen, überall. In Büchern, alten Familienfotoalben, im Internet und in der Stadt. Irgendwelche Anzeichen hatte er gesucht. Er hatte mich sogar ganz genau betrachtet, um zu merken, was das Besondere an mir ist. Zwei Tage lang ging es so. Er suchte, ohne auch nur eine Pause einzulegen. Ich griff nach seinem Handgelenk, als er dabei war ein weiteres Buch zu durchstöbern. „Noah, es war Zufall“, sagte ich enttäuschend. Er warf das Buch aus seiner Hand und starrte auf den Boden. „Warum sollte man mich auch aus Bestimmung verwandeln? Der Zeitpunkt und der Ort hatte vermutlich schon gepasst und gereicht dafür, mich zu verwandeln.“ Er seufzte laut. „Ich muss nach Hause“, sagte er. Draußen hatte sich die Dunkelheit schon breit gemacht und der Mond stand hoch am Himmel. „Ich begleite dich.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich schaff das alleine. Du brauchst mich nicht zu begleiten.“ Ich beugte mich zu ihm vor. „Aber was, wenn ein Vampir kommt, dir die Kehle aufschlitzt und dich verwandelt? Du dich danach nicht mehr an die Nacht erinnern kannst? Würdest du damit überhaupt klarkommen, ein Vampir zu sein?“, hauchte ich ihm ins Ohr. Er lächelte. „Bring mich nach Hause.“ Ich nickte zufrieden. „Gute Entscheidung.“ Zusammen liefen wir durch die leeren Straßen. „Du hattest heute noch kein Blut“, sagte er. „Ich brauch keins. Bin noch satt vom letzten Mal.“ Ich log. Natürlich hatte ich durst, das habe ich immer. Aber ich will ihm nicht jeden Tag ein wenig seines Blutes wegsaugen. Er war schon blasser geworden. Seine Schwäche konnte man daher deutlich erkennen. Und dies ist nur durch mich so weit gekommen. Ich hätte niemals von ihm trinken dürfen. Es war ein Fehler. Ich hätte mich einfach weiterhin ins Krankenhaus schleichen sollen und mich dort ernähren. „Nein, trink.“ Er zog sich wie immer sein Ärmel hoch und hielt mir sein Handgelenk hin. Sachte fasste ich die schlimmer gewordene Wunde an. Sie war rot und ein wenig Blut kam heraus. Es sah nicht gut aus. Ich zog sein Handgelenk nach unten und ließ ihn los. „Wir sollten es lassen, sonst verlierst du noch dein ganzes Blut.“ „Wir haben abgemacht, dass du von mir trinkst“, sagte er bitter. Wieder bekam ich seine Sturheit zu spüren. „Noah, es reicht. Du bist schon blass und hast auch sicherlich keine Kraft mehr. Ich trinke einfach aus dem Krankenhaus, da fließt das Blut sowieso wie aus einem Wasserfall. Bei dir aber nicht. Du hast nicht genug Blut, um mich den Rest meines Lebens zu versorgen.“ Wütend zog er sein Ärmel wieder runter und lief geradewegs weiter, jedoch schneller. Ich folgte ihm weiterhin. „Bist du jetzt sauer, weil ich dein Blut nicht mehr will?“, kam ich ihm entgegen, da ich es hasse, wenn er wütend ist. Er blieb stehen. „Ich hasse es, wenn du das Blut anderer trinkst und sie umbringst. Es macht dich zum Tier. Ich habe es zwar noch nie miterlebt, aber wie du es mir erzählst hast klingt es ganz danach, als ob du total irre wirst. Immer habe ich mich gewundert, warum es so viele Tote oder Verschwundene in dieser Stadt gibt. Aber jetzt weiß ich, wer es war und es macht mich wahnsinnig zu wissen, dass du es bist, obwohl du meine Freundin bist. Stell dir vor ich würde die halbe Stadt töten, weil ich hungrig bin.“ „Das bist du aber nicht und das solltest du wertschätzen. Du kannst ein ganz normales Leben führen. Du brauchst das alles nicht.“ „Wenn ich mit dir befreundet bin, kann ich kein normales Leben führen“, sagte er kalt. „Dann sind wir keine Freunde mehr. Wenn es für dich besser ist. Ich geh jetzt nach Hause, gute Nacht“, weinend sagte ich ihm diese Worte. Er wollte auf mich zugehen, doch ich verschwand, schneller, als ich es von mir selbst überhaupt kannte. Meine Kräfte waren stärker denn je. Ich wischte mir die Tränen weg und ging in ein Cafe. Ich hörte die Gedanken der anderen noch deutlicher. Auch ihre Gespräche konnte ich perfekt hören. Ich bestellte mir einen Tee und genoss das Gefühl, die Stärkste zu sein. Unberechenbar stark. Ich schlürfte an meinem Tee und überlegte mir, wen ich umbringen könnte. Wer wäre ein tolles Opfer? Schließlich ging ich zu einem Jungen rüber, er schien etwas älter als ich zu sein. „Darf ich mich setzen?“, fragte ich. Er nickte und lächelte freundlich. „Natürlich.“ Ich nahm Platz. Durch seine Gedanken erfuhr ich, dass er mih schön fand und freundlich. Das würde sich jedoch noch ändern. „Wie heißen sie?“ „Zac. Und sie?“ „Chloe“, sagte ich und lächelte freundlich. „Wollen wir uns vielleicht lieber dutzen? Ich meine, wir sind doch beide sehr jung und...“ „Ja, klar. Zac“, unterbrach ich ihn. „Wie alt bist du?“ „Noch etwas jung, aber ich fühle mich älter als ich eigentliich bin. Und du?“ Ich verriet ihm nicht viel über mich. Es macht mich interessanter, na ja, das hoffte ich zumindest. „Ich bin erst gestern zwanzig geworden.“ „Tolles Alter. Alles Gute nachträglich“, gratulierte ich ihm „Danke. Wo wohnst du?“, er beugte sich zu mir vor. „Nicht weit weg von hier und du?“ „Ich wohne in dem Mehrstockhaus gleich gegenüber von hier.“ Ich sah hinter meinen Rücken aus dem Fenster. Ein sehr neues Gebäude. Gespielt gähnte ich. „Es ist schon spät, ich sollte mich auf den Heimweg machen.“ Ich stand vom Stuhl auf und zog mir meine Jacke über. „Warte, ich begleite dich.“ Innerlich grinste ich breit. Ich hatte erreicht, was ich wollte. „Sehr nett.“ Zusammen verließen wir das Geschäft und liefen los. Er legte seinen Arm um mich. Seine Wärme durchzog mich und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Sollte ich ihn töten? Sollte ich der Grund für eine weitere Leiche sein? ‚Ich bin ein Vampir, es gehört dazu‘, nach diesem Gedanken zerrte ich Zac auch schon von der Straße runter und machte mich über sein Blut her. Ich dachte dabei an rein gar nichts. Ich trank ihn leer, bis auf den letzten Tropfen. Danach versenkte ich ihn im See, wie auch eine Menge meiner anderen Opfer. Ich fühlte mich gut und schlecht zugleich. Ich hatte etwas getan, worauf ich nicht stolz bin. Die restliche Nacht über stellte ich mir auch immer wieder die Frage, warum ich es getan hatte. 

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