Kapitel 4

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„Geht es dir besser?“, fragte ich ihn. Er sah mich leicht irritiert an, wie auch die anderen alle. Deren Gedanken, ich hätte lachen können. Anstatt sich um eigene Angelegenheiten zu kümmern, kümmern sie sich um meine. Ich konnte seine Gedanken aber nicht lesen, diesmal gar nicht. Warum? Ich kenne ihn nicht. Es gibt keinen Grund, warum ich seine Gedanken nicht lesen sollte. „Mir geht es besser, danke, aber du hättest nicht fragen brauchen.“ Es war ein Fehler. Ich fühlte mich schlecht, bekam Durst. Immer wenn ich wütend bin habe ich das Verlangen nach Blut. Diesmal war ich wütend auf mich. Es war ein Fehler ihn zu fragen, ob es ihm gut geht. Ich sollte einfach Abstand halten. Wenn ich seine Gedanken schon nicht lesen kann, hat es auch nichts Gutes zu bedeuten. Ich beruhigte mein Verlangen und ging. Meine Wut stieg, ein Nachteil daran, ein Vampir zu sein. Wenn man sich schlecht fühlt, dann auf die schlimmste Art. Die verstärkten Gefühle sind daran Schuld. Es klingelte zur ersten Stunde, aber ich wollte nicht ins Klassenzimmer. Ich würde es dort drinne nicht aushalten unter den anderen. Stürmisch rannte ich daher auf die Toilette und wartete darauf, dass alle Schueler in den Klassenräumen sind, sich keiner mehr in den Fluren aufhält. Gekreische, Gelächter und Getrampel war zu hören, für mich aber nicht nur das. Die Gedanken kreisten in meinem Kopf umher und die Unterhaltungen machten mich wahnsinnig. Als hätte es nicht schon gereicht, dass ich so wütend auf mich bin, dass ich mir sofort etwas in den Magen rammen könnte und meine Kraft wegfließen lassen könnte. Mein Blut, das aus dem Blut anderer besteht, meine Kraft, die ich aus deren Blut nehme. Die Lehrer kamen und alle verschwanden in den Klassenräumen. Ich war mir sicher, dass sich keiner mehr in den Fluren befand und verließ die Toilette. Auf einmal stand ich vor ihm. „Tut mir leid wegen gerade eben, es ... es ist nur komisch, dass du mit jemandem sprichst.“ „Du musst dich nicht entschuldigen, alles ist gut“, gab ich zurück, wie er es getan hatte, ohne Scham, jemanden abzuweisen, der freundlich sein möchte. Aber diese Antwort musste sein, ich muss mich fernhalten. „Geh in den Unterricht“, sagte ich und ging an ihm vorbei. Unkontrolliert, wohin ich ging, stampfte ich lustlos durch die Flure. Noch nie hatte ich so eine Leere in mir gefühlt wie in dem Moment. Das Schlimme daran war noch, dass ich dieses Gefühl noch kein einziges Mal hatte, seit dem ich Vampir bin. Er brachte mich soweit, dass ich wütend werde, auf mich selbst, frustriert bin darüber ihn abzuweisen. Aber wieso? Ich kenne ihn nicht. Sein Name ist mir unbekannt. Seinen Charakter hatte ich noch nie kennengelernt. Jemand riss mich aus meinen Gedanken und packte mich am Arm. Ich erschrack. Mit einem Kloß im Hals drehte ich mich um. Er stand vor mir. Er bringt in mir neue Gefuehle zum Vorschein. „Es tut mir wirklich leid, aber ich habe jetzt keine Zeit mich mit dir zu unterhalten“, entschuldigte mich. 'Abstand halten' schwirrte in meinem Kopf umher und brachte mich dazu mich umzudrehen und Richtung Klassenzimmer zu gehen. Lieber in einem Raum voller Leute, mit lauten Gedanken, Geflüstere, das ich mitbekomme, als mit ihm hier im Flur zu stehen und mich zu wundern, warum ich seine Gedanken nicht lesen kann. Ich trat vor die Tür ins Klassenzimmer, ließ meinen Blick noch einmal zu ihm schweifen, wie er alleine in den Gängen stand, dann betrat ich das Klassenzimmer. Die Gedanken kamen mir in meinen Kopf gedrückt. Ich ging nicht auf sie ein, entschuldigte mich von meinem Lehrer, dafür, dass ich zu spät kam und setzte mich auf meinen Platz. Ich starrte ins Leere. Obwohl, was ist Leere? Ein dunkler Raum, einfach nichts? Ich fühlte mich wieder leer, und nicht nur, weil ich kein Blut hatte, es fehlte einfach etwas. Ist das Leere? Kann man sie sehen oder entdeckt man so etwas nicht? Spürt man sie? Die Stunden vergingen. Ich fühlte ununterbrochen diese Leere in mir, dieses Nichts. Ich werde für immer allein sein. Keiner würde mich jemals verstehen können. Ich würde meinen Wohnort alle paar Jahre wechseln müssen, hätte bald die ganze Erde besucht, jeden Ort. Allein, ohne an jemanden gebunden zu sein, jemanden zu lieben. Ich verbrachte wieder den ganzen Nachmittag in meinem Zimmer. Dachte ständig über die Leere nach, was ich für eine Leere spüre. Ist es wirklich, weil ich niemanden habe außer meiner Mutter, der liebevollsten Person auf dieser Welt. Geschwächt, ohne Blut im Körper lag ich Nachts in meinem Bett, rührte mich nicht. Letztenendes fielen meine Augen zu. Mit einem Durst, der unbeschreiblich schrecklich war, wachte ich am nächsten Morgen auf. Es dürstete mich, mehr denn je. Die Sonne schien nicht, es regnete. Mit schwachem Körper stand ich auf, konnte mich dabei kaum auf den Beinen halten. Ich zog mich an und lief die Treppe runter und dann Richtung Haustür. Ich brauchte Blut, sonst würde ich sterben. Bevor ich ducrch die Haustür verschwand ließ ich meinen Blick kurz auf die Uhr schweifen. Es war noch sehr früh, sodass ich mir beim Trinken Zeit lassen konnte. Wie ein Zombie lief ich mit meinem blutleeren Körper durch die Straßen. Meine Haut zog sich stark zusammen, als würde jemand an meinem ganzen Körper ziehen. Ich sah durch den ganzen Regen kaum etwas. Mein Körper wurde nass, meine Kleidung klebte an meinem Körper. Ich begann zu zittern. Es wunderte mich. Nach langer Zeit spürte ich wieder menschliche Dinge, machte mein Körper wieder menschliche Dinge. Ich hörte keine Gedanken. Sah Menschen, hörte ihre Gedanken aber nicht. Ich stolperte, richtete mich wieder auf und humpelte auf die Personen zu. Ohne zu überlegen schnappte ich mir eine der jungen Frauen und stoß meine Zähne ihn ihren Hals. Blut durchquoll wieder meinen Körper. Ich fühlte mich wieder stark, leerte eine Frau aus und leerte dann auch die andere, die sich nicht bewegte. Wie versteinert blickte sie mich mit großen Augen an. Ich war glüklich, trank auch sie aus und ging beruhigt nach Hause. Blut strömte wieder durch meinen Körper. Ich konnte wieder meine Kraft spüren. Ich hatte dieses Mal überlebt, aber was, wenn ich nächstes Mal nicht so viel Glück habe und zusammenbreche, das Blut in meinem Körper aufgebraucht wird, von meinem Körper und ich elendig verdurste. Ist das möglich?

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