Kapitel 55

9 1 0
                                    

Es war Noah, den ich umarmte. Er hatte uns die Tür geöffnet. Sein Blick war verwundert, aber froh. Ich wusste, dass es wichtiger war, die anderen erstmal zu warnen, aber ich konnte nicht widerstehen, ihn zu umarmen. Ich fiel ihm um den Hals. Es waren nur Tage, die ich weg war, aber ich hatte ihn auf dem Ball im Stich gelassen. Zwar hatte ich keine Wahl, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen. „Wo wart ihr?", fragte er. Ich löste mich wieder von ihm, wurde wieder ernst. „Harrison hat uns gefangen gehalten", sagte ich und betrat das Haus. „Wo sind die anderen?" Liz kam auch rein, stürmte die Treppe hoch. Auf der Treppe begegnete sie Nate. Sie sprang auf ihn, drückte ihn und wir alle wurden Zeugen davon, wie sie sich zum ersten Mal küssten. Ich erblickte Zac hinter den beiden, ließ Noahs Hände los und ging auf ihn zu. Er drängte sich an Liz und Nate vorbei und kam die Stufen runter. „Ich dachte du wärst abgehauen, schon wieder", sagte er. Hätte ich mich töten gelassen, wäre ich nie wieder gekommen. Würde er dann für immer in den Gedanken schwelgen, ich wäre abgehauen, spurlos verschwunden? „Harrison ist hinter uns her", sagte ich. Ein Licht von oben ging an. Die Eltern von Noah und Zac kamen verschlafen runter. Liz und Nate lösten sich wieder. Der Vater sah uns alle im Flur stehen. „Was haben wir bloß für Kinder", sagte er zu seiner Frau. Mit halb geschlossenen Augen zuckte sie mit den Schultern und die beiden schlenderten zurück in ihr Schlafzimmer. „Warum ist er hinter uns her?" Wir gingen aus dem Haus. Noah, Zac und Nate hatten ihre Alltagskleidung an, keine Pyjamas. Vermutlich hatten sie die ganze Nacht gesucht und sind dann so eingeschlafen. Draußen erzählte ich alles, Liz sagte auch einiges, war aber viel mehr mit Nate beschäftigt. Ich merkte, dass er sich zurückhielt, Zweifel hatte. Keiner ist gleich sicher, ob es Liebe ist, die einen mit einer Person verbindet. Ich war es nicht, nie. Weder bei Noah, noch bei Zac. Bei diesem Gspräch haben wir aber nicht über Gabrielle gesprochen, weder ich, noch Liz, keiner sagte, dass ich sie getötet hatte. Zac ist nicht überrascht, als ich ihm von den anderen Geschehnissen erzählte, er versank in seinen Gedanken. „Ich muss darüber nachdenken", sagte er. Ich hielt ihn fest. „Wir müssen abhauen", sagte ich und sah ihm tief in die Augen. „Wir müssen ihn töten", gab er zurück. Noah stellte sich zu uns. „Nein. Ihr werdet nicht gehen, Chloe. Nicht ohne mich." Ich beachtete Noah nicht, wartete darauf, dass Zac etwas sagte. „Wir werden gehen, jetzt, alle. Und wir werden ihn umbringen." Ist Noah auch mit ‚Alle' gemeint? „Ich komme mit", sagte er. Zac verdehte die Augen. „Er kommt mit", wiederholte ich Noah. Ich würde nicht wieder mit Zac verschwinden. Nicht nach allem, was passiert ist. Wir brauchten nicht lange, und einigten uns darauf, in den Wald zu gehen. Es war schwer, den Weg zurück zu finden, zurück zu der Höhle, aber wir näherten uns ihr. Ich dachte an Gabrielle und blieb während des Gehens stehen. „Ich habe Gabrielle getötet", sagte ich. Zac lachte. Nate sah Liz fragend an und Noah versuchte sich zu bemühen, mir nicht sofort seine Faust ins Gesicht zu schlagen. Er wollte es aber, ich sah es in seinen Augen. „Wieso?", schrie er. „Ich musste seinen Plan zerstören. Er musste uns alle gleichzeitig umbringen. Ohne Gabrielle, fehlt ihm ein Opfer", erklärte ich, stotternd. Noah sah mich wütend an. „Lasst uns weiter", sagte Zac. Wir sprachen nicht weiter über Gabrielle, aber ich bekam Noahs Wut zu spüren. Er wandte sich von mir ab, sah mich nicht an, lief nichtmal mehr neben mir. Ich erblickte den Eingang zu dem schrecklichen Raum. „Liegt sie dort?", fragte Noah, sah mich aber nicht an. Wir blieben alle gleichzeitig stehen. Ich antwortete nicht. Wer weiß, auf was für Ideen er kommen würde, wenn er wüsste, dass sie dort liegt. „Ja", sagte Liz. Ich seufzte laut. Noah lief wie ein wild gewordener Hund los, als wäre er von der Leine befreit worden. „Liz", sagte ich und folgte Noah. Ich war noch nicht ganz bei Kraft, war deshalb langsamer. „Noah!" Er öffnete den Eingang, stieg auf die Leiter und dann war er unten. Ich folgte ihm, unüberlegt. Harrison hätte da sein können. Aber nur die Leiche von Gabrielle lag dort. Noah stürzte auf sie. Mit Tränen in den Augen sah er mich an. „Das hättst du nicht machen sollen!" „Wir müssen hier raus", sagte ich und ging nicht darauf ein, was er sagte. Harrison hätte jede Minute kommen können. „Ich lasse sie hier nicht so liegen!" Ich war verzeifelt. Die anderen waren draußen. Ich war dort, mit ihm alleine und der Leiche. „Noah, ich bitte dich, lass uns hier raus." „Du willst, dass ich mit dir gehe? Du willst, dass ich dir immer alles verzeihe? Ich mache es nicht mehr! Das war genug. Ich habe genug von dir und deinen Taten. Du haust ab, lässt mich alleine, verliebst dich in meinen Bruder und tötest meine beste Freundin. Was kommt noch? Möchtest du mir auch meine Familie nehmen? Immerhin warst du kurz davor, Zac zu töten." Ich war sprachlos. Was bin ich für eine Person! Was ist aus mir geworden? Ich hörte auf, über mich nachzudenken, wimmelte den Gedanken schnell ab und versuchte mich zu bessern, sofort. Ich dachte darüber nach, Noah dort rauszuholen, aber wie? „Ich liebe dich", sagte ich sanft mit ruhiger Stimme. „Ich wollte dich nicht verletzen. Ich wollte die anderen retten. Bitte, komm mit mir." Seine blauen Augen sahen mich durch die Tränen an, die sich ansammelten und schließlich über seine Wangen flossen. Mein Herz schien still zu stehen, als ich auf eine Reaktion wartete. Er richtete sich auf, beruhigte sich und zusammen verließen wir diesen Raum. Ich spürte, dass Harrison bald kommen würde. Wir mussten weg. Noah und ich gingen zu den anderen zurück. Ich erwartete ein Kommentar von Zac. Aber es kam nichts. Er sagte nichts dazu, dass ich mit Noah dort war. Er sagte nichts zu der Unterhaltung, die ich mit Noah geführt hatte, denn er hatte sie gehört, mit Sicherheit. „Ich glaube, Zac und ich sollten hier bleiben und uns Harrison vornehmen", schlug Nate vor. „Ich bleibe auch", sagte ich. „Nein. Du wirst gehen, mit Liz und Noah", sagte Zac. Nate nickte. Ich wollte mich an Harrison rächen, aber nach langer Diskussion, blieb ich bei Liz und Noah. Wir liefen weiter in den Wald, bis mir keine Kraft mehr bleib und wir uns an einen dicken Baum niederließen. Ich wollte mit Noah sprechen, alleine. Liz merkte es an meinem Blick und sagte, sie müsste kurz etwas alleine sein. Sie ging und ich rückte näher an Noah. „Noah..."

VampirmenschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt