Kapitel 54

4 1 0
                                    

Niemand würde jemals darauf kommen, wo Gabrielle und ich gefangen sind. Nachts kam Harrison mit Liz wieder. Er zog sie hinter sich her, wie einen unartigen Hund, nur dass sie in Ohnmacht gefallen war. Ich sah ihm zu, verwundert, als er sie zu uns brachte. Hat er das gleiche mit mir gemacht? Mich so hinter sich hergezogen? „Keine Sorge, dich habe ich wie eine Königin auf Händen getragen", antwortete mir Harrsion auf meine Gedanken. „Sie hat sich gewehrt. Die anderen versucht zu rufen. Ach ja, sie suchen dich, Chloe. Du bist ihnen nicht ganz wertlos. Aber du hast da echt ein paar Doofköpfe, die nach dir suchen. Ihre Spur ist ganz falsch." Seine Worte machen mir nichts aus. Ich hatte die Hoffung nicht aufgegeben, die anderen warnen zu können. Und ich hatte in Harrisons Gegenwart nicht daran gedacht, was ich vorhatte. Ich verdrängte den Gedanken, damit er nichts davon erfahren konnte. Das durfte er nicht, auf gar keinen Fall. Er durfte nicht erfahren, dass ich flüchten wollte. Gabrielle war wieder aufgewacht. Sie wusste nichts, rein gar nichts. Es regte mich auf. Sie müsste doch etwas wissen, nach all der Zeit, die sie dort verbracht hatte! Mir kam der Gedanke, dass sie nutzlos ist. Ich kann sie töten. Ich kann Harrisons Plan ändern. „Möchtest du uns alle im gleichen Moment umbringen?" Ich hoffte, er hatte meine Gedanken nicht gehört. „Ja." „Wieso?", fragte Gabrielle. „Es hat einen Grund", sagte er und ging wieder, hinterließ uns aber eine bewusstlose Liz. Ich konnte meine Gedanken nicht ordnen. Was hätte es für Folgen, Gabrielle in dem Moment zu töten? Ich dachte an das Messer, das ich in die dunkle Ecke geworfen hatte. Meine Schellen waren weit genug ausgelegt, um an das Messer zu kommen. Ich dachte nicht länger nach und stand mühsam auf. Ich taumelte in die Ecke und tastete nach dem Messer. Ich erkannte etwas glitzernes und griff danach. Mit dem Messer kam ich aus der Ecke. „Wozu?", fragte Gabrielle. Ich war selbst an Schellen gebunden, aber ich zweifelte nicht daran, das Messer in Gabrielles Herz stechen zu können. „Ich weiß nicht. Muss noch überlegen", sagte ich und setzte mich zurück an meinen Platz. Mit dem Messer spielte ich in den Armen, überlegte, wie ich Liz und mir die Handschellen abnehmen könnte. Ich betrachtete Gabrielles nochmal genauer. Es gab einen Lederriemen an dem kalten Eisen, der um die Handgelenke ging. Wenn ich es trennen könnte, es abgehen würde, dann wären die Schellen lockerer, breiter. Ich könnte meine Hände rausquetschen. Unbemerkbar rieb ich die scharfe Seite des Messers an dem Leder. Die Sonne ging unter. Ich brauchte etwas länger. Harrison kam, brachte uns ein Glas Blut. „Frisch", sagte er und ich wollte nicht wissen, ob es sein Blut war. Ich trank einen Schluck, reichte weiter an Gabrielle, die einen großen Schluck nahm und es Liz in die Hand drückte, die wach geworden war, als Harrison kam. Sie war verwirrt, sah sich um, erkannte mich und nahm einen Schluck Blut. Das Glas war leer. Ich hätte wie Gabrielle einen großen Schluck nehmen sollen! Liz hatte sicher vor kurzem Blut, während ich dort seit den wenigen Tagen Blut brauchte. Harrison ging wieder, ich konnte mit meiner Arbeit fortfahren. Liz stellte eine Menge fragen; Wie Gabrielle herkam, warum ich hier bin und was Harrison möchte. Irgendwann merkte sie, dass wir nichts wussten, außer einigen Details. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und schlief. Mir gelang es in der Nacht beide Lederriemen meiner Fesseln zu zerschneiden. Ich konnte meine Hände aus den Schellen befreien. Gabrielle schlief tief und fest. Als ich zu Liz rüberging, befreit von den Handschellen, war sie wach. Sie starrte aus dem Fenster. Ich kniete mich zu ihr nieder und begann die Lederriemen an ihren Schellen zu durchscheiden. Sie sagte kein Wort. Bei ihr ging es eindeutig schneller, sie aus den Fesseln zu befreien. Ich wandte mich an Gabrielle. Sie lag zusammengerollt an der Wand. Es tat mir leid für Noah, aber ich stach ihr das Messer ins Herz. Ihr Mund öffnete sich und ihre Augen. Sie machte keinen Laut. Ich ließ das Messer in ihr, wartete, dass ihr Körper ganz blass war und ich sicher gehen konnte, dass sie tot war. Das Messer nahm ich mir wieder und lief auf eine dunkle Ecke zu, ungefähr aus der Richtung, aus der Harrison immer reinkam. Es gab eine Tür, die offen war. Die Flucht war leicht. Ohne Probleme. Wir waren unter der Erde. Es war sowas wie ein Keller. Es gab aber nur diesen Keller. Wir waren Mitten im Wald. Es gab eine Leiter rauf, raus aus dieser Höhle. Ich ging vorraus. Als wir im Wald standen, war ich ratlos. Wohin? Ich hörte auf mein Instinkt. Lief Richtung Westen und schließlich fanden wir eine Straße. Liz hatte nichts gesagt, während der ganze Nacht. Erst als die Sonne aufging, redete sie mit mir. „Danke. Du hast uns gerettet", sagte sie und umarmte mich. Ich hatte es für sie getan und für die anderen. Ich wollte sterben. Ich war bereit zu gehen. Aber das sagte ich nicht. Wir liefen die Straße entlang. Die Sonne stand bereits über uns, als wir Noahs Zuhause erreichten. Ich machte mir Gedanken. Werde ich Noah oder Zac in die Arme fallen?

VampirmenschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt