Kapitel 53

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Meine Augen öffneten sich langsam und ich verspürte sofort stechende Schmerzen an meinen Handgelenken. Ich war gefesselt. Ich zerrte an dem Seil, aber es wurde nicht lockerer. Ich konnte meinen Kopf leicht drehen. Es war kein Seil, es waren Handschellen, komische Handschellen. Extra starke, vermute ich, damit ich bloß nicht abhauen konnte. Ich betrachtete den Raum, in dem ich gefangen war. Ich saß in einem kleinen Raum aus Stein, ohne Lichter. Es gab nur ein kleines Fenster mit Gittern davor. Nur durch dieses Fenster schienen leichte Sonnenstrahlen. Wie lange hatte ich geschlafen? Die ganze Nacht? Mehrere Tage? Nur schwer erinnere ich mich an weitere Genickbrüche von Harrison, damit er mit mir machen konnte, was er wollte. Aber wieso war ich hier? Wieso nahm er mich gefangen? Ich bekam Atemnot. Dieser kleine Raum schien mir immer kleiner zu werden und ich hatte schwer mit dem grellen Licht der Sonne zu kämpfen, das direkt auf mich schien. Ich denke, ich lag dort erst seit dem Abend zuvor. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Wand. Ich saß bereits und ich spürte es auch, dass ich eine lange Zeit schon auf dem harten Boden gesessen haben muss. Ich hörte Schritte, ein kurzes Rutschen und schließlich einen Knall. Dann taucht Harrison auf. Wie aus dem Nichts, kommt er aus einer dunklen Ecke. Ich war mir unsicher, wie groß dieser Raum war. War es überhaupt ein Raum? Oder befanden wir uns bereits unter der Erde. Es war möglich, denn das Fenster war kurz vor der Decke eingebaut. Harrison hockte sich vor mich. Er grinste, aber sah mich dann wieder mit ernster Miene an. „Wie leid es mir auch tut, dich hier gefangen zu halten, ich kann nichts dagegen machen", sagte er. „Du kannst nichts dagegen machen? Wer ist denn sonst in der Lage mir die Handschellen abzunehmen und mich freizulassen, außer dir?" „Du bist immer so neugierig", sagte er und stellte sich wieder auf. Ich verdrehte die Augen. „Ich verspreche dir, das wird bald ein Ende haben. Nur noch Liz, Nate und Zac werden gebraucht, dann seid ihr komplett. Dann habe ich alle noch lebenden Vampire zusammen." Braucht er nicht nur mich? Was hat er vor? Ich dachte nach, bis mir eine Person in den Kopf schoss. Gabrielle. Lebte sie nicht mehr? „Du vergisst da eine Person, Gabrielle. Sie lebt. Sie ist Vampir." „Oh, entschuldige, das Licht ist hier so schwach", meinte Harrison und ging auf eine weitere Ecke zu, die in der Dunkelheit verborgen lag. Er verschwand kurz und kam dann mit Gabrielle in den Armen wieder. Er legte sie sanft neben mir ab. „Hier ist sie." Sie war bewusstlos, oder doch tot? Ich tastete an ihrem Hals entlang, bis ich ihren Puls erspürte. „Was hast du mit ihr gemacht? Wieso brauchst du uns alle? Antworte mir!" „Ihr werdet alle noch bald dem Tod gegenüber stehen", sagte er. Mein Herz fing wie wild an zu schlagen. Dass ich sterben musste, damit kam ich zurecht. Aber Liz, Nate und vor allem Zac, dass sie sterben müssten, konnte ich nicht verkraften. Gabrielle war wie ich an Handschellen befestigt, die weit ausgelegt waren. Ich hatte noch so viele Fragen, konnte meinen Kopf nicht mehr zur Ruhe bringen, als Harrison den Raum verließ und mich meinen Gedanken überließ. Ich starrte vor mich hin, konnte mir nicht erklären, warum er unseren Tod wollte. Es musste etwas Schlimmes sein. Als die Sonne nicht mehr in den Raum schien, erwachte Gabrielle langsam. Ich war gerade dabei, darüber zu grübeln, was geschehen würde, wenn Zac hier auftauchen würde, weil er mich möglicherweise suchte. Schlimmstenfalls mit Liz und Nate. Würde er uns alle gleich umbringen? Gabrielle war noch nicht ganz wach, da stellte ich ihr schon Fragen. „Weißt du, warum er uns alle umbringen möchte?", bombadierte ich sie. Ich versuchte aufzustehen, aber ich war kraftlos, und dass mir die Hände gebunden waren, machte das Aufstehen um einiges schwerer. Ich ließ es und sank an der Wand wieder zu Boden. „Ich weiß genauso wenig wie du", sagte sie und spuckte Blut. Ich entdeckte eine Wunde an ihrem Rücken. Ein Messer war in sie gerammt. Ich drehte mich leicht auf dem Boden, streckte meine Arme, so gut es ging, nach hinten aus und ertastete den Griff des Messers. Ich zog es langsam aus ihr heraus. So schwach und hilflos hatte ich sie noch nie gesehen. Ich bekam Mitleid. Sie bedankte sich dafür, dass ich ihr das Messer rausgezogen hatte. Ich warf es in eine der dunklen Ecken. Es war nutzlos für uns. Die Schellen waren aus Eisen, man kann sie nicht mit dem Messer zerschneiden. „Hat er dir nichts gesagt? Konntest du nichts herausfinden?", fragte ich. „Nein, ich lag tagelang in Ohnmacht." „Seit wann bist du hier?" „Seit dem Maskenball auf eurer Schule." Ich war geschockt. „Und du hast seit dem Tag nichts mehr getrunken?", fragte ich. „Doch, immer ein bisschen am Tag. Hast du vielleicht wichtige Informationen, was hier noch alles geschehen muss, damit er uns endlich erlöst und uns umbringt?", fragte sie. „Zac, Liz und Nate werden mit uns in den Tod gehen", sagte ich und als ich seinen Namen erwähnte, Zacs Namen erwähnte, dachte ich wieder an unsere letzte Begegnung. Ich wünschte, ich müsste ihn nie wieder sehen. „Wieso tust du uns das an, wieso?", schrie Gabrielle. Sie schien mir verrückt zu werden. Kein Wunder, nachdem sie Wochen in der Zelle verbracht hatte. Sie riss an den Schellen und versuchte sich zu befreien, zwecklos. Harrison kam in den Raum gestürmt, drückte sie gegen die Wand und brach ihr das Genick. „Ich wollte gerade aufbrechen", sagte er grimmig. „Bis heute Nacht", sagte er noch zu mir, bevor er wieder ging. Ich sehnte mich danach, dass er mir wieder das Genick brach. Dann müsste ich nicht denken, dann müsste ich nicht an Noah denken, oder Zac, Liz und Nate. Dann hätte ich meine Ruhe. Aber nein, ich verweilte in meinen Gedanken, murmelte vor mich hin. Dachte über einen Fluchtweg nach. Ich musste die anderen warnen, aber wie? Ich lag bereits seitlich auf dem Boden, als ich Schritte außerhalb des Raumes hörte, und sie kamen von draußen. Ich sah Füße, die über den Rasen vor dem Fenster stampften. Mehrere Füße. War es Harrison oder Zac? Hatte Harrison sie gefangen? Ich hörte Gelächter. Kurz darauf stand ich vor dem Fenster und schrie, sodass mir der Hals wehtat. Ich schrie, um die Aufmerksamkeit der Personen außerhalb dieser Hölle auf mich zu erregen. Meine Stimme versagte, ich hatte plötzlich starke Kopfschmerzen und fiel zu Boden.

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