22 BUCH ZWEI - Cieran

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Ladon kümmerte sich um mich, aber ich bekam nicht viel davon mit. Die Zeit verflog vor mir, ich sah oft nur verschwommen, das Fieber ließ mich immer wieder in Schüttelfrost ausbrechen und ich schlief schlecht. Doch Ladon schien überhaupt nicht zu schlafen. Er war immer da, auch wenn er fast nie mit mir redete. Er schien immer einen Blick auf mich zu haben, egal, ob die Sonne oder der Mond am Himmel stand.

Mein Fieber erreichte bald seinen Zenit, dann wurde es besser. Meine Sicht wurde wieder klarer, ebenso meine Gedanken, aber mein Schlaf wurde nicht ruhiger.

Eines Nachts wachte ich auf, fand Ladon neben mir liegend, doch er schlief nicht. Seine Augen waren weit geöffnet, fahles Mondlicht schien durch den Eingang hinein. Er betrachtete die Höhlendecke, tief in Gedanken versunken. Ich fror. Als Ladon meine aufeinanderklappernden Zähne hörte, drehte er den Kopf zu mir.

"Du bist wach", bemerkte er, musterte mich, als könnte er im Dämmerlicht wesentlich besser sehen als ich. "Nicht bewegen."

Er drehte sich auf die Seite, zu mir hin. Vorsichtig, um dabei nicht versehentlich den verletzten Arm zu belasten, legte er seinen eigenen Arm über meine Brust und zog mich näher an sich. Die Wärme, die immer um ihn zu pulsieren schien, ging auf mich über, meine Zähne hörten auf, unkontrolliert gegeneinanderzustoßen und das Zittern, das meinen Körper ergriffen hatte, ließ nach.

Und Ladon war mir so nah. Mein Verstand fühlte sich vernebelt an, ich war mir nicht sicher, ob das an Ladon oder dem Fieber lag.

"Du schläfst nicht", entgegnete ich seiner Feststellung.

"Ich schlafe, wenn du es tust", meinte Ladon, seine Stimme akzeptierte keinen Widerspruch, und ich wollte mich nicht nochmal mit ihm streiten. Nie mehr und besonders nicht jetzt.

Ladons starker Arm über meiner Brust gab mir das Gefühl von Geborgenheit. Ich erinnerte mich noch entfernt daran, dass ich mich das letzte Mal so sicher gefühlt hatte, als ich noch ein kleiner Junge war, auf dem Schoß meines Vaters, ich hinterfragte damals noch nicht, was er tat, wie er regierte. Je älter ich wurde, desto weniger passte ich in sein Bild vom perfekten Nachfolger als Clanoberhaupt. Und desto tiefer und breiter wurde die Kluft zwischen uns.

Aber jetzt fühlte ich sie wieder, die Geborgenheit. Einen kurzen Moment nur spürte ich auch Angst. Ich betrachtete Ladons Hand aus den Augenwinkeln, die sich fest über meine Schulter gelegt hatte, als hätte Ladon Angst, ich würde seiner Berührung ausweichen. Kurz sah ich die Klauen wieder. Die Klauen und das Blut. Ich blinzelte. Das war nicht jetzt. Die Probleme von morgen für morgen.

"Es tut mir leid", brachte Ladon nach einer Weile hervor, sein Arm ruhte nach wie vor auf mir, spendete mir Wärme und Sicherheit, verband uns auf eine völlig neue Art und Weise.

Ich gab ein fragendes Stöhnen von mir, war bereits halb in meinen unruhigen Schlaf abgedriftet, als Ladon mich davon abhielt.

"Vor drei Tagen. Ich hätte dich nicht anschreien sollen. Du hast nichts falsch gemacht", erklärte er, in seiner Stimme schwang sein schlechtes Gewissen mit, ebenso wieder eine Prise von Angst.

"Jetzt sind wir hier, alles ist in Ordnung", beruhigte ich ihn mit krächzender Stimme, bemüht, mich wachzuhalten.

"Jetzt sind wir hier", wiederholte Ladon. "Trotzdem tut es mir leid"

Ich nickte nur, hob meinen rechten Arm über seinen hinweg, legte meine Hand auf ihm ab. Fühlte die Stärke seines Oberarms, der mich vor der Kälte beschützte.

Dann schlief ich wieder ein, mein Arm auf seinem Arm auf meiner Brust.

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt