47 BUCH DREI - Cieran

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Der Morgen kam schnell, mein Schlaf war leicht und unruhig, bis Ladon mich sanft weckte. Sanft strich er immer wieder durch meine Haare, bis ich die Augen blinzelnd öffnete.

"Nicht, ich habe meine Haare schon ewig nicht gewaschen...", murmelte ich.

"Richtig, das habe ich getan. Drei Mal in den letzten fünf Tagen", entgegnete Ladon und fügte hinzu: "Genauso wie den Rest deines Körpers."

Auf einmal war ich hellwach, als mir das Feuer des Schams in die Wangen schoss. Ladon hatte mich gewaschen? Ladon hatte mich angefasst? Überall?

"Hast du Hunger? Du musst Hunger haben. Ich konnte dir nur immer wieder etwas Wasser einflößen, das Essen hast du nicht geschluckt", unterbrach Ladon meine regen Gedanken.

Tatsächlich spürte ich, wie leer mein Magen sich anfühlte. Ich nickte.

"Dann habe ich hier was für dich!", sagte Ladon enthusiastisch und hob ein Tablett von seinem Nachttisch hoch, auf dem Brot, Wasser und Früchte verteilt waren.

Immer noch stand mir der Scham im Gesicht, der Ladon nun verleitete, doch nachzufragen: "Was hast du denn? Hast du Schmerzen?"

"Nein, also ja. Aber das ist es nicht. Aber egal."

"Ist es wegen deinen Beinen?" Ladon stellte das Tablett noch einmal auf der Seite ab, schlüpfte wieder zu mir unter die Decke, die er offenbar bereits seit einer ganzen Weile verlassen hatte. Tief sah er mir in die Augen, während seine Hand über den Verband und meinen Unterbauch hinabglitt bis auf meinen rechten Oberschenkel.

"Spürst du das?"

Ich versuchte zu antworten, aber ich brachte kein Wort heraus. Nicht einmal den Mund konnte ich öffnen, war wie erstarrt. Ganz leicht nickte ich.

"Das ist gut!", antwortete Ladon auf mein Nicken, dann sah ich, wie sich auch auf seine Wangen ein roter Schimmer legte, während seine Hand langsam an der Innenseite meines Oberschenkels nach oben glitt. Dann berührte er mich. Und ich fühlte es wie eine Explosion der Hitze in meinem Körper.

Ladon glitt mit dem Kopf näher an meinen heran, die Hand immer noch auf meiner Körpermitte abgelegt, dann fragte er mit vor Erregung gebrochener Stimme: "Und fühlst du das?"

Ich presste meine Lippen fest aufeinander, schauderte.

Dann riss Atarah die Tür auf und Ladon seine Hand von meinem Schritt.

Mit vor Lust noch immer hochrotem Gesicht sah ich Atarah entgegen, die das gar nicht zu bemerken schien - oder bewusst überspielte.

"Guten Morgen, Cieran!"

Bevor ich antworten konnte, setzte sich ihr Redeschwall wie von selbst fort: "Ich habe einen Boten nach deinem Onkel ausgesandt, um ihm Mitteilung zu machen, dass du noch am Leben bist! Er wird sich sicher freuen und wenn er sich beeilt, kann er in wenigen Tagen wieder in Illea sein."

Ihre Redezeit hatte ich nutzen können, um mich zu beruhigen, während Ladon neben mir seine Arme vor seiner Brust verschränkte und Atarah grimmig anstarrte.

"Danke. Nicht nur für das Entsenden eines Boten, sondern einfach für alles, was du für Ladon und mich getan hast", bedankte ich mich aufrichtig bei ihr, sie winkte nur ab.

"Du hättest dasselbe für mich getan."

Damit hatte sie Recht. Ich hatte keine Freunde am Hof meines Vaters gehabt, sie war mein einziger Kontakt, ich hatte mich stets nach dem nächsten Treffen mit Atarah gesehnt. Ich hätte alles menschenmögliche getan, um sie zu beschützen. Doch jetzt war sie mit einem narzisstischen Kronprinzen verlobt und ich konnte nichts tun, um ihr zu helfen.

"Ich würde gerne mal raus...an die Luft, mich umsehen", drückte ich den Wunsch aus, den ich bereits seit Erwachen hegte.

"Natürlich, ich kann zwei Diener kommen lassen, die dir helfen!"

Ehe ich antworten konnte, knurrte Ladon neben mir: "Das mache ich!"

"Wie du meinst", antwortete Atarah nur, wollte sich nicht mit meinem Begleiter anlegen, doch in ihren dunklen Augen lagen eine Menge Fragen, als sie sich wieder an mich wandte.

"Wenn ihr Hilfe braucht, gebt Bescheid. Ich bin diesen Vormittag leider zu einem Empfang der Königin eingeladen, aber am Nachmittag habe ich genügend Zeit, um mich mit dir zu unterhalten", bot sie an, ich nickte dankbar, ehe sie den Raum wieder verließ.

Ladon stand auf, die Grimmigkeit immer noch fest in seiner Miene verankert, während er das Bett einmal umquerte und mir schließlich beide Hände hinhielt, um mir aufzuhelfen.

Ich wollte ihn fragen, warum er Atarah so sehr zu misstrauen schien, wurde aber von meinem Körper abgelenkt.

Kaum hatte ich seine beiden Hände ergriffen und zog mich an ihnen in den Stand, knickte ich auch schon zur Seite ein, der Mangel an Gefühl in meinen Beinen verweigerte es mir völlig, mich zu einem aufrechten, stabilen Stand zu erheben. Ladon hielt mich fest in den Armen, nur deshalb fiel ich nicht der Länge nach auf den Boden.

"Vielleicht sollte ich dich lieber tragen?", fragte er vorsichtig, wollte mich nicht verletzen, und mir mit seiner Frage keine Angst machen. Doch die Angst hatte ich schon.

"Nein, ich will selbst laufen!", erwiderte ich mürrisch, legte einen Arm um Ladons breite Schultern und versuchte wieder, selbst zu stehen. Nach ein paar Anläufen gelang es mir. Doch bereits nach dem ersten Schritt brach die aufgebaute Körperspannung wieder zusammen wie ein Kartenhaus. Ladon hielt mich, als mich eine Welle der Verzweiflung überkam.

"Was, wenn ich nie mehr laufen kann?"

Eigentlich hatte ich vorgehabt, die Frage nur zu denken, doch ich hatte sie versehentlich auch ausgesprochen. Mit Mühe hielt ich die Tränen zurück, die mir heiß und feucht in die Augen stiegen.

"Du wirst wieder laufen können", erwiderte Ladon bestimmt und zog mich an sich, ganz vorsichtig, berührte die Wunde auf meinem Rücken kaum, hielt mich aber stabil.

Ich seufzte. "Trag mich."

Ladon nickte und setzte dazu an, mich unter Knien und Schulter zu fassen, dann entschied er sich dagegen. Er wollte nicht, dass man mich so in seinen Armen sah. Stattdessen nahm er mich also auf seinen Rücken, meine Arme um seine Brust, meine Beine fest in seinem Griff.

Gemeinsam gingen wir nach draußen, auf eine von einem kunstvoll verzierten Teppich überhangene Veranda.

Was, wenn ich nie mehr würde laufen können?

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt