14 BUCH EINS - Ladon

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Feuer - ein Teil von mir und dennoch hasste ich es. Es war überall, brachte nichts als Tod, Zerstörung und Verderben. Häuser brannten, kollabierten. Menschen schrien, brannten, starben. Alles zog an mir vorbei wie in einem Traum, in dem man als teilnahmsloser Beobachter das Geschehen verfolgte.

Alles was ich hörte, waren die längst verstummten Schreie der Kinder. Schreie voller Verzweiflung, Schreie voller Angst, Schreie voller Schmerz. Schreie, die mich nun für immer verfolgen würden.

Alles was ich sah, waren die tödlichen Flammen, die den Kindern Stück für Stück das Leben stahlen und das, was das Feuer von ihnen übrig ließ. Bilder, die mich nun für immer verfolgen würden. 

Es war paradox. Ich, ein Drache, ein Sohn des Feuers, war Monat für Monat aus der Stadt verschwunden, um ihr ein solches Schicksal zu ersparen und nun brachten es Menschen zu ihr, diejenigen, die ich durch mein Versteckspiel verschont hatte.

Nur am Rande bekam ich mit, dass Cieran etwas über die Burg zu mir sagte und mich durch die Straßen und Gassen immer weiter zu den dicken Mauern und Türmen zog. Ich wusste gar nicht, wieso er überhaupt hier war, wo er sich doch in der letzten Nacht nicht hatte blicken lassen.

Plötzlich stoppte er jedoch und ich stieß mit ihm zusammen. Der Zusammenprall riss mich ein wenig aus meiner Trance und ich sah einen Turm der Burg vor uns. Genauer gesagt das, was von ihm noch übrig war. Ein weiterer Feuerball brachte den Turm dann zum Einsturz. Er fiel auf den Rest der Burg und zerstörte sie völlig.

Dynion war gefallen.

Cieran drehte sich weg von der Burg und zu mir. "Wir müssen aus der Stadt heraus", sagte er, seine Stimme monoton. Er sah mich nicht an, hielt seinen Kopf gesenkt. Ich blickte über seinen hängenden Kopf hinweg zu den Ruinen der Burg und sah eine Gruppe Männer vor dem zerstörten Turm am Ende der Straße stehen. Sie waren bewaffnet, trugen jedoch weder das Zeichen der Stadtwache, noch irgendein anderes erkennbares Wappen. Sollten das die Angreifer sein?

Ich kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Neben Cieran und mir schlug ein Brandsatzgeschoss in ein Haus ein. Holzsplitter flogen umher und eine dicke, hölzerne Stütze, die das Dach des Hauses getragen hatte, kippte um.

In einer Kurzschlussreaktion stieß ich Cieran von mir weg und machte selbst einen Satz nach hinten. Ich stolperte auf dem unebenen Boden der Straße und fiel unsanft zu Boden. Keine Sekunde später schlug die schwere Holzstütze zwischen Cieran und mir auf dem Boden auf. Kurz blieb ich liegen, spürte die Hitze des Feuers, welches auf dem Holz neben mir brannte. Das Knistern kam mir wie ein Flüstern vor, dass mich zu den Flammen rief, verführerisch wie der Gesang einer Sirene. Ich kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Einen Drachen konnte diese Stadt nun wirklich nicht auf noch gebrauchen.

Als ich die Augen wieder öffnete war das Flüstern tatsächlich verschwunden und ich sah durch die Flammen hinüber zu Cieran, der sich gerade vom Boden aufrappelte. Dann sah er über die Flammen hinweg zu mir.

Hinter ihm entdeckte ich einige der bewaffneten Männer. Sie töteten fliehende Menschen und einige warfen Fackeln in Häuser, die noch nicht brannten. Es waren also wirklich die Angreifer und sie liefen auf Cieran zu, der sie nicht kommen sah. Ich wollte ihm etwas zurufen, doch ein Schwall von beißendem Qualm raubte mir die Stimme. Ich hustete und versuchte Cieran mit Handzeichen zu sagen, dass er sich verstecken sollte, doch er verstand es erst, als es zu spät war.

"Wen haben wir denn da?" Die Stimme des Mannes war gehässig. Er hatte eine Fackel in seiner linken Hand und in seiner Rechten hielt er ein Schwert, von dem frisches Blut tropfte. Cieran wollte zurückweichen, doch weit kam er nicht, da die brennende Holzstütze ihm den Weg versperrte.

Ich hatte aufgehört zu husten und langsam richtete ich mich auf. Der Mann schenkte mir jedoch keine Beachtung.

"Für dein kleines Köpflein bekomme ich einen guten Preis", sagte der Mann und hob das Schwert. Dann streckte er jedoch die Fackel nach vorne, so nah an Cieran, dass es beinahe den Mantel ansengte. Er grinste erneut und zeigte seine gelben Zähne.

"Zuerst wollen wir aber mal sehen, ob du auch so schreist wie die kleinen Kinder, wenn du brennst."

Dieser Satz brachte all meinen Zorn, meine Trauer und meine Wut mit einem Schlag und hundertfach zurück. Dieser Mann erfreute sich daran, Kinder verbrennen zu sehen, ihre Schreie zu hören. Sein bösartiger Wille war es gewesen, der den Feuerball in die Taverne gelenkt hatte, zumindest stellte ich es mir in meinem Zorn so vor.

Ich bekam nicht mehr mit, ob der Mann oder Cieran noch etwas sagten. Es war, als wäre ein Schalter in meinem Kopf umgelegt worden, der einen Teil des Drachen die Kontrolle übernehmen ließ. Ich sprang durch die Flammen, die mich von Cieran und dem Mann trennten. Beide sahen mich überrascht an, doch ich ignorierte die Blicke und meine Hand schnellte nach vorne, riss dem Mann die Fackel aus der Hand.

Der Mann erhob das blutige Schwert nun gegen mich, doch ich sah, dass er ein wenig zitterte und seine Augen weit aufgerissen auf meine Hand gerichtet hatte, die die am oberen Ende der Fackel züngelnde Flamme umfasste. Meine Haut war dort zu Schuppen geworden, meine Finger zu Krallen. Ein drohendes Knurren drang aus meiner Kehle, als er es wagte, das Schwert ein Stück weiter zu mir zu strecken.

"W...was bist du?" Die Stimme des Mannes zitterte, ebenso wie seine Hand, die das Schwert nun fallen ließ. Ich antwortete ihm nicht, ließ die Fackeln fallen und vergrub meine Krallen mit einer schnellen Bewegung ein seiner Halsbeuge. Warmes Blut benetzte die Schuppen auf meiner Hand, während der Mann langsam in sich zusammensackte.

Der metallische Geruch des Blutes war es, der mich aus meiner blinden Wut weckte. Ich starrte das leblose Gesicht des Mannes vor mir an. Es war zu einer hässlichen Grimasse verzogen und die toten Augen schienen mich noch immer anzustarren. Ich stieß die Leiche von mir weg und starrte dann meine Hand an. Die Krallen und Schuppen wichen langsam wieder einer menschlichen Hand, das Blut jedoch blieb an mir kleben. Es ekelte mich an.

Ich hörte ein erschrockenes Keuchen neben mir und sah zu Cieran, der abwechselnd mich und die Leiche anstarrte. In seinen Augen lag purer Schock.

"Du hast recht", sagte ich, "Wir müssen hier weg."

Cieran nickte langsam, immer noch im Schockzustand. Ich hob das Schwert des Mannes vom Boden auf und drückte es Cieran in die Hand. Dann zog ich ihn von der Leiche und dem Feuer weg, in das er beinahe gestolpert wäre, immer darauf bedacht, ihn nicht mit meiner blutigen Hand zu berühren.

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt