28 BUCH ZWEI - Cieran

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"Am Besten folgen wir den Bergen weiter nach Westen, bis wir an die Grenze zu Tuath kommen. Von da aus können wir durch den Wald weiter nach Südwesten, gehen den Sümpfen am Besten aus dem Weg. Dann müssen wir nur noch über einen der Gebirgspässe, dann sind wir schon beinahe da", schilderte Ladon mit geschlossenen Augen, als würde er den Weg vor seinem inneren Auge im Schnelldurchlauf begehen.

"Ich kam selten aus der Burg heraus.", gestand ich beschämt. "Mein Vater hat mich nur hin und wieder zum Jagen mit rausgenommen, aber ansonsten..."

"Dafür bin ja ich da", entgegnete Ladon beruhigend.

"Dann lass uns gleich losgehen!", forderte ich, mein Körper voll neu gefundener Motivation, die Scham überspielend, die ich immer noch empfand. Weil ich enttäuscht war. Von Ladon. Weil er sich ein Hemd übergezogen hatte. Wieder stieg mir die Hitze ins Gesicht. Warum war ich nur so?

"Du musst auf deinen Arm aufpassen, vielleicht sollten wir uns lieber noch etwas ausruhen."

"Ich kann laufen, und der Kopfgeldjäger ist uns vermutlich auf den Fersen.", gab ich zu bedenken.

Ladon versuchte nicht weiter, mir das Weitergehen auszureden und ging voran, gen Westen, die Sonne in seinem Rücken. "Das war übrigens ziemlich...unheimlich.", begann er dann, nachdem er mit einem Blick über die Schulter sichergestellt hatte, dass ich ihm folgte.

"Was denn?", fragte ich nach, wusste aber schon, worauf er anspielte.

"Das mit dem Kopfgeldjäger. Was hast du mit ihm gemacht? Er hat ausgesehen, als hätte er einen Geist gesehen!"

Ich überlegte. Sollte ich ihm nun auch von meiner anderen Begabung erzählen? Ich entschied mich dafür, wollte keine Geheimnisse mehr vor Ladon haben, nichts mehr, dass er mir später zum Vorwurf würde machen können.

"Keine Ahnung wie ich es beschreiben soll, aber... ich kann Menschen fühlen lassen, was ich fühle", gestand ich, fühlte mich auf einmal unglaublich verwundbar. Wäre ich kein Adelsspross gewesen, hätte man mich dafür vielleicht auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Viele Menschen fürchteten, was sie selbst nicht vermochten. Magie.

"Was?", fragte Ladon und zog ungläubig die Augenbrauen hoch. Er lief ungewohnt langsam, um zu gewährleisten, dass ich Schritt halten konnte.

"Soll ich es dir beweisen? Das könnte dir aber nicht gefallen."

Ladon nickte nur, eine Spur Neugier in seinem Ausdruck.

Ich kniff mir in die Wunde auf meinem Arm, der Schmerz durchzog mich unangenehm, und ich legte meine Hand auf Ladons Arm. Ich hätte ihn nicht berühren müssen. Aber ich wollte es.

"AU!", rief der und entzog sich mir, rieb sich den Arm.

"Ich sagte ja, es würde dir nicht gefallen. Tut mir leid!"

"Schon gut", sagte er, lächelte und schüttelte den Kopf. "Wieso kannst du sowas?"

"Ich habe keine Ahnung.", gab ich zu.

Ladon bohrte nicht weiter nach, nickte nur und lief mit einem leichten Lächeln auf den Lippen weiter.

Gegen Mittag erreichten wir ein Dorf. Wir fielen nicht weiter auf, waren offenbar nicht die einzigen Flüchtlinge aus Dynion. Mehrere Dutzend Menschen lungerten am Verlauf der Straße, die durch den Ort führte. Einige kleine Holzhäuser, eine Taverne im Zentrum, ebenso wie ein Tempel, auch aus Holz. Der Ort war umgeben von Feldern, offenbar versprachen sich die Flüchtlinge hier Nahrung.

"Hallo?", flüsterte Ladon mir zu, wollte keine Aufmerksamkeit erregen, während wir die Menschen passierten, die mit teils schweren Verletzungen am Straßenrand saßen, lagen. Ich hatte ihm zuerst gar nicht zugehört, mein Blick glitt voll Mitleid über die Menschen.

Erst als Ladon mich antippte, reagierte ich wieder. "Ja, was?"

"Ich habe gesagt, dass wir hier vielleicht Pferde finden."

"Aber ich habe kein Geld, wie sollen wir uns Pferde leisten??", entgegnete ich verblüfft.

Ladon sah mich an, als käme ich aus einer anderen Welt. "Ich dachte auch nicht daran, Pferde zu kaufen."

"Du willst sie stehlen?!", fragte ich erschrocken nach.

Ladon fuhr zusammen. "Sprich leiser. Aber ja, natürlich. Oder willst du den ganzen Weg etwa laufen?"

"Aber wir können doch nicht...", widersprach ich.

"Doch, können wir!", antwortete Ladon, in seiner Stimme ebenso viel Sturheit wie in meiner.

"Da hinten sind Pferde.", schlug ich vor und wies auf den Stall vor der Taverne. Dann bereute ich es, diesen schlechten Plan noch zu unterstützen.

"Sehr gut. Du musst den Stallburschen da ablenken, dann hole ich uns zwei."

"Was muss ich?!", fragte ich ungläubig nach, doch Ladon war bereits in die Schatten hinter dem Stall verschwunden.

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt