36 BUCH ZWEI - Ladon

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Als ich hörte, dass der alte Glatzkopf sagte, sie wollten mich lebendig verbrennen, hätte ich beinahe gelacht. So tief der Hass gegen meinesgleichen bei diesen Menschen auch saß, so gering war doch ihr Wissen über Drachen. Dennoch blieb ich still, ließ mich ebenfalls mit Eisenketten fesseln, meinen Blick auf Cieran geheftet, der mit einer Eisenkette um die Arme gefesselt war. Es machte mich so wütend, nichts dagegen tun zu können.

Die Gefahr für Cieran blieb allerdings nicht meine einzige Sorge, als wir aus einer steinernen Hütte im Wald hinausgeführt wurden, zurück auf den Weißen Platz. Die Hütte war nicht aus weißem Stein gewesen, also mussten diese Menschen sie über dem Eingang zu der Höhle, die sie als Verließ nutzten, erbaut haben. Das Lagerfeuer in der Mitte des Platzes war erloschen und durch einen wahrhaft riesigen Scheiterhaufen ersetzt worden. Noch brannte er nicht, doch ich war mir sicher, dass er den gesamten Platz den ganzen Tag, der inzwischen angebrochen war und die darauffolgende Nacht hell erleuchten würde, wenn nicht sogar länger. Ein Feuer dieser Größe wurde den Drache in mir innerhalb von Minuten wecken und genau das war es, was mir Sorgen bereitete. Ich kam nicht um meine Verwandlung herum, das war mir inzwischen klar, schließlich wollte ich Cieran nicht mit einer dummen Aktion in Gefahr bringen. Aber war er sicherer, wenn ich mich verwandelte und alle Bewohner dieser eigenartigen Stadt niedermetzelte?

Erneut sah ich zu Cieran, der neben mir auf den Platz gestoßen wurde und erneut spürte ich neben meiner Angst um ihn auch das Band zwischen uns. Schon lange war es da, seit ich ihm das erste Mal in die grünen Augen geblickt hatte, doch mit der Zeit war es stärker geworden. Je näher wir uns gekommen waren, desto stärker wurde das Band. Und jetzt sagte mir irgendetwas, dass ich Vertrauen in dieses Band haben sollte. Ich spürte, dass selbst der Drache in mir wusste, dass Cieran nicht zu denen gehörte, die bald meinen Zorn zu spüren bekommen sollten.

Gerade wollte ich den Anführer des Trupps darum bitten, wenigstens noch einmal mit Cieran sprechen zu dürfen, schließlich würden sie mich sofort auf den Scheiterhaufen bringen. Doch bevor ich überhaupt den Mund öffnen konnte, wurden Cieran und ich getrennt. Er wurde weiter auf den Weißen Platz geführt und an eine der Säulen gekettet, sodass er den riesigen Scheiterhaufen sehen konnte. Ich jedoch wurde erneut zu dem Haus im Baum geführt und sträubte mich, wollte Cieran nicht alleine lassen.

Wieder blieben wir in dem runden Raum stehen, ich wurde auf die Knie gezwungen und einen Moment lang geschah nichts. Dann kam der alte Glatzkopf, Oren, herein, in seinen Händen eine Schale mit einer dickflüssiger, dunkelgrüner Flüssigkeit und einer Art Pinsel. "Was habt ihr vor?", fragte ich, als er immer näher kam, trotz der Furcht in seinem Blick und zwei andere Männer mir im wahrsten Sinne des Wortes das Hemd vom Leib rissen. Trotz der Tatsache, dass ich stärker war als alle Männer in diesem Raum zusammen, fühlte ich mich daraufhin plötzlich verletzlich. Die Unwissenheit darüber, was sie mit mir vorhatten, verstärkte dieses Gefühl nur noch.

Keiner der Männer beantwortete meine Frage und ehe ich mich versah, begann Oren mir mit der dunkelgrünen Farbe Zeichen auf den Körper zu malen. Währenddessen murmelte er Unverständliches vor sich hin und bald darauf stimmten die Männer um mich herum in das Gemurmel mit ein. Ich verstand kein Wort davon, war von dem Gewirr an Stimmen zusehends verwirrt. Außerdem versuchte ich immer wieder, Orens Pinsel mit der ekligen Farbe daran auszuweichen, das Gefühl der kalten, leicht schleimigen Flüssigkeit auf meiner Haut widerte mich an. Doch es brachte alles nichts und so vollzogen sie das merkwürdige Ritual, an dessen Ende mein Oberkörper und meine Arme übersäht waren mir eigenartigen Zeichen, Ranken und Mustern in dunkelgrün.

Schließlich schien Oren mit seinem Werk zufrieden, trat zurück und nickte dem Anführer des Trupps zu. Ich wurde unsanft wieder auf die Beine gezerrt und nach draußen geführt. Auf dem Weißen Platz hatten sich inzwischen Menschen versammelt. Ich sah hauptsächlich Männer und auch einige Frauen, die alle ihren Blick hasserfüllt auf mich gerichtet hatten.  Kinder konnte ich zwischen ihnen nicht sehen und ich hoffte, dass auch keine unter ihnen waren, denn selbst wenn sie in einer Stadt voller fanatischer Drachenhasser geboren worden waren, waren es dennoch unschuldige Kinder. Rufe wie "Verbrennt das Monster!" und "Zurück in die Hölle mit ihm!" schlugen mir entgegen wie eiserne Fäuste, trafen meine Seele. Doch ich hielt den Kopf hoch, zeigte nicht, wie sehr mich ihre Beleidigungen wirklich trafen.

Ich verdrängte die aufkommenden Erinnerungen an die sterbenden Waisenkinder beim Angriff auf Dynion und suchte Cieran in der Menge. Ich fand ihn schnell, noch immer an die alte Säule gefesselt. Vor ihm stand niemand, als wollte man gewährleisten, dass er mich auch wirklich brennen sah. Eine seelische Folter der äußerst brutalen Art.

Die Männer um mich herum drängten mich auf das Monstrum eines Scheiterhaufens zu, neben dem schon ein paar Männer und Frauen mit Fackeln standen. Sie waren bereit, den Drachen wieder in die Höllle zu schicken. Ich jedoch blieb stehen, sah zu Cieran, der mir angstvoll entgegensah und sträubte mich mit aller Kraft gegen die Männer, die mich weiterziehen wollten.

"Lasst mich wenigstens noch einmal zu ihm. Bitte", bat ich, spielte die Rolle des nun doch Verzweifelten perfekt. Die Männer sahen einander an, dann blickten sie zu Oren, der uns gefolgt war. Zu meinem Erstaunen nickte er kurz und die Männer führten mich zu Cieran. Je näher ich ihm kam, desto deutlicher sah ich die Furcht in seinen Augen. Voller Angst und Trauer sahen seine Augen mich an, trübten das leuchtende Grün.

So gerne würde ich ihm sagen, dass mir das Feuer auch in menschlicher Gestalt nichts anhaben konnte, aber ich durfte mich nicht verraten, sonst würden sie uns beide auf der Stelle töten und zwar mit ihren Waffen. Dicht vor Cieran kam ich zum Stehen, wollte ihn in meine Arme schließen, aber meine Hände waren immer noch gefesselt. Zwar hätte ich die Eisenkette ohne viel Mühe sprengen können, doch das würde nur für unnötige Aufregung sorgen. Stattdessen beugte ich mich zu ihm, meine Wange an seiner und flüsterte in sein Ohr.

"Erinnere dich daran, dass ich Feuer in meinem Blut habe und vertraue mir, Cieran. Vertraue mir."

Dann zog ich mich wieder von ihm zurück, meine Lippen streiften seine Wange für einen kurzen Moment, und ich sah ihm noch einmal in die Augen, hoffte darin zu sehen, dass er mich verstanden hatte. Doch noch immer überwog die Angst darin und sie loderte stärker auf, als Cieran plötzlich hinter mich blickte.

Kurz darauf sah ich auch, weshalb: Der Scheiterhaufen war entzündet worden. Das trockene Holz brannte binnen Sekunden lichterloh und die Hitze schlug mir bereits jetzt entgegen. Ich hörte Orens laute, fanatische Stimme, aber ich beachtete seine Hetzrede nicht, sondern konzentrierte mich auf die Flammen. Das Knistern wurde zu einem Flüstern, lockte mich zu ihnen und diesmal gab ich der Anziehung nach, folgte dem Ruf der feurigen Sirenen.

Am Rande bekam ich mit, dass nervöses Gemurmel unter den Versammelten ausbrach. Viele fragten sich, weshalb ich freiwillig in den Tod, in die Hölle, ging. Oren setzte zu einer weiteren Hetzrede an, während ich im Hintergrund, ganz leise, Cierans Eisenfesseln hörte, gegen die er sich zu sträuben schien.

Ich überschritt die ersten Reihen der Flammen und sie hießen mich mit heißem Zischeln und wildem Lodern willkommen. Immer weiter und weiter lief ich in die Flammen hinein, ihre Hitze sprang auf mich über, Funken legten sich auf meine Haut und verwandelten sie in bronzefarbene, glänzende Schuppen. Kurz bevor ich in die Mitte des feurigen Gebildes trat, in das Zentrum der Flammen und Hitze, drehte ich mich doch noch einmal um. Ich sah beinahe nur züngelnde Flammen um mich herum, die Menschen konnten mich von außen wahrscheinlich gar nicht mehr sehen. Ich jedoch sah zwischen den Flammen hindurch und blickte in Cierans verzweifeltes Gesicht. Ich wusste nicht, ob er mich auch sah, aber ich flüsterte erneut "Vertraue mir.", bevor ich direkt ins Herz des Infernos trat.

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt