12 BUCH EINS - Ladon

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Die Höhle war dunkel, feucht und kalt. Es roch nach Rauch und glühend heißem Gestein. Ich öffnete die Augen und musste trotz der Dunkelheit blinzeln. Der Steinboden auf dem ich lag, kam mir viel kälter und unbequemer vor als gestern.

Langsam richtete ich mich auf, löste meine nackte Haut von der grauen Kälte des Bodens. Meine Arme und Beine waren schwer, als hätte ich wochenlang nichts anderes getan als schwere Steine zu tragen, mit Bleigewichten um meine Beine.

Ich taumelte und stützte mich an der Wand ab. Eine leichte Wärme ging von ihr aus und als ich meine Handfläche betrachtete, sah ich schwarzen Ruß an ihr kleben. Ich hatte also wieder das Gestein beinahe zum Schmelzen gebracht mit meinem Feuer. Aber lieber schmolz ich Gestein von Höhlenwänden als Fleisch von Menschenknochen.

Nach einem kurzen Moment, in dem ich an der warmen Wand verharrte, stieß ich mich von ihr ab, die angenehme Wärme hinter mir lassend. Ich schleppte mich den instabilen Pfad zu dem Felsspalt hinauf, der mich in die kleine Vorhalle der Höhle führte. Oben angekommen lehnte ich mich für einen Moment gegen die Wand, um wieder zu Atem zu kommen. Hier war die Wand kühl. Ich war also in der Höhle geblieben.

Gut so, dachte ich, dann habe ich wenigstens niemanden verletzt.

Nach meiner kurzen Verschnaufpause raffte ich mich erneut auf und schob einige grobe Steine zur Seite, die in einem versteckten Winkel vor der Felswand lagen. Die Muskeln meiner Arme protestierten gegen die Anstrengung, doch ich biss die Zähne zusammen.

Als die Steine zur Seite geschoben waren, sank ich erschöpft zu Boden, während ich einen Beutel auf einem kleinen Loch in der Felswand zog, welches zuvor von den Steinen verdeckt worden war. Aus dem Beutel fischte ich eine Hose und ein Leinenhemd. Beides war nicht im besten Zustand, doch besser als nichts. Bereits seit einiger Zeit hatte ich neue Klamotten hier versteckt, schließlich wollte ich es mir ersparen, nackt zurück zur Stadt zu laufen. Ich zog mir die Klamotten an und war dankbar darüber, dass sie mich wenigstens ein klein wenig wärmten. Es war selten, dass ich fror, meist tat ich es kaum dank dem Feuer in meinem Blut, doch der Morgen nach meiner Verwandlung bildete eine Ausnahme.

Eine Weile blieb ich so in der kleinen Höhle sitzen und sah dem Licht der Herbstsonne draußen zu, wie es langsam über das nackte Gestein kroch und es nicht mehr ganz so kalt erscheinen ließ.

In Dynion wurde inzwischen sicher der letzte Raureif der Nacht von den Dächern gezogen, wie ein hauchdünnes Tischtuch, welches man nach und nach von der Tischplatte zieht. Die Stadt erwachte wahrscheinlich gerade aus ihrer nächtlichen Ruhe und die Kinder begannen, trotz der herbstlichen Frische, wieder auf dem Platz vor der alten Taverne zu spielen. Asena und Varric waren bestimmt schon auf dem Weg zum Marktplatz, um die Stadtwache auszuspähen und nachzusehen, welche Marktleute ihre Stände aufbauten. In der Stadt war es ein Morgen wie jeder andere.

Für mich war es ein Morgen, an den ich mich trotz der ständigen Wiederkehr nach Neumond nie gewöhnen würde. Genauso, wie ich mich wohl nie an Cierans Besuche gewöhnen würde, zumindest vorerst.

Cieran!

Der Gedanke an den mysteriösen Jungen ließ mich aus meinem leichten Dämmerzustand fahren. Was er wohl letzte Nacht gedacht hatte, als er mich nicht antraf?

Ich schüttelte den Kopf, als sich das Bild von Cieran mit enttäuschtem Blick in meinen Kopf schlich. Sicher war er nicht enttäuscht sondern vielmehr wütend auf mich, weil ich ihn angelogen hatte. Doch vielleicht hatte er mich auch angelogen.

Ich warf den Beutel zurück in das Loch im Fels und schob die Steine wieder davor. Die Sorge um die Kinder sorgte für einen kleinen Adrenalinschub. Ich musste wissen, ob es ihnen gut ging. Also machte ich mich auf den Weg, hinaus aus der Höhle, den Pfad hinunter und den Fluss entlang Richtung Süden.

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt