13 BUCH EINS - Cieran

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Ich rannte und rannte und rannte, meine Oberschenkel glühten bereits vor Spannung, als ich schließlich den Platz vor der Taverne erreichte.

Überall rannten Menschen herum, ziellos, Angst in ihren Augen und in ihren Auren. Nur keine Flammenaura. Wo war Ladon?

Dann schlug ein Geschoss ins Dach der Taverne ein. Das hölzerne Dach zerbarst mit lautem Knacken, Holzsplitter schossen durch die Luft, binnen weniger Augenblicke stand ein Großteil des oberen Geschosses lichterloh in Flammen.

"Nein!", schrie plötzlich jemand hinter mir, die Stimme brach aus dem Geschrei der Flüchtenden hervor. "Ladon!", antwortete ich und fuhr herum - der Junge mit der Flammenaura. Doch jetzt wanden sich schwarze Fäden um die Flammen, drohten, sie zum Erlöschen zu bringen. Entsetzen stand in seinen Augen, als er auf das zur Hälfte brennende Haus blickte. "Die Kinder!"

"Warte, du kannst da nicht rein!", versuchte ich, ihn aufzuhalten, als er los stürmte. Doch er hörte mich nicht, wollte mich auch nicht hören, die schwarzen Fäden erstickten die Flammen seiner Aura. Kurzerhand folgte ich ihm durch die aus den Angeln hängende Eingangstür, hinter der uns bereits ein Hitzewall entgegenschlug. Ein Teil der Decke war eingestürzt, Funken schlugen aus einem der oberen Zimmer herunter in den Raum, setzten abgenutzte Tische und Stühle in Brand.

Ladon stürmte voraus eine Treppe hinauf, ein Schauer durchfuhr mich, als ich die Schreie hörte, die ihn nach oben führten. Kinderschreie, voll Angst und voll Schmerz. Hinter Ladon her nahm ich immer drei Stufen auf einmal, erreichte den engen Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Ladon stand vor einer der Türen, durch den Schlitz unter der Tür waren orangene Flammen sichtbar, die immer wieder daraus hervorzüngelten und jeden Moment die Tür in Brand setzen würden, der Türgriff aus rostigem Eisen glühte bereits von der Hitze.

"Warte, stopp!", rief ich, als Ladon die Hand auf den Türgriff legte. Dann musste ich wegsehen, geblendet vom plötzlichen Auflodern des Feuers seiner Aura. Er würde sich die Hand verbrennen, vielleicht den ganzen Arm, er war viel zu nah am Feuer hinter der Tür, die von innen bereits von den züngelnden Flammen attackiert wurde. Als ich wieder sehen konnte, sah ich seine Hand. Entsetzt riss ich die Augen auf, Schuppen überzogen die Hand, bronzene Schuppen, die Fingernägel zu Klauen verlängert.

Die Schreie waren verstummt. Ich schluckte meinen Schreck hinunter, griff ihn bei den Schultern. "Ladon, wir müssen gehen!", versuchte ich, ihn zu überzeugen. "Nein!", schrie er unter Tränen, zog immer wieder an der Tür, bis er sie mit größtem Kraftaufwand aufreißen konnte. Der Schwung warf uns beide nach hinten auf den Boden, Ladon landete auf mir und nahm mir für einen Moment den Atem, ebenso wie der Wirbelsturm der unerträglichen Hitze, der selbst die Atemluft im Flur zu verbrennen schien.

"Jetzt komm, bitte, es ist zu spät!", flehte ich ihn an, stand auf, zog ihn auf die Beine, zischte auf, als ich dabei mit dem Arm eine der glühenden Wände streifte und mich verbrannte. Ladon starrte in das Zimmer hinein, aus dem uns die Flammen entgegenschlugen, Rauch vernebelte uns nach und nach die Sicht und raubte uns den Atem. Doch ich sah noch, was Ladon sah. Am Boden, der zweifellos jederzeit dem Druck des Feuers nachgeben und einstürzen würde, lag eine Leiche. Vollkommen schwarz, verkohlt, einen Arm in Richtung Tür ausgestreckt, als hätte das Kind noch versucht, den Raum zu verlassen. Wahrscheinlich waren im Raum noch mehr Leichen, doch ich sah nicht weiter hin. "Ladon!", schrie ich ihn noch einmal an, schob mich zwischen ihn und den Ausblick auf die verkohlten Kinderleichen.

Sein Blick starrte förmlich durch mich hindurch, Schmerz lag in seinen Augen, aber auch ein furchtbarer Zorn, animalisch und unkontrolliert, der mir Angst einjagte. Ich sah ihn nicht weiter an, griff nach seinem Arm und zog ihn mit aller Kraft hinter mir her, zurück zur Treppe. Dort angekommen ließ Ladons Widerstand nach, er folgte mir durch das einstürzende Haus nach draußen. In der kühleren Nachtluft angekommen, wandten wir uns noch einmal zur alten Taverne um. Das Schild, welches das Haus als Taverne gekennzeichnet hatte, brach ab und fiel scheppernd zu Boden, das Haus kollabierte und brach in sich zusammen, begleitet von lautem Poltern.

"Ich bringe dich in Sicherheit.", sagte ich zu Ladon, wusste nicht, ob er mich überhaupt hören konnte.

Seinen Arm hatte ich losgelassen, er machte keine Anstalten mehr, sich noch einmal zu den brennenden Überresten des Gebäudes zu bewegen. Tränen liefen über seine Wangen, aber ich konnte ihm keine Zeit zum Trauern geben, immer noch schlugen Brandsatzgeschosse unweit von ins in Häuser, in Straßen ein. Kurzerhand nahm ich Ladons Hand, umgriff sie fest mit meiner eigenen und begleitete ihn schnell durch die Straßen, zurück in Richtung Burg, vorbei an Verletzten, Leichen, brennenden Häusern, brennenden Menschen.

"In der Burg sind wir sicher", bekräftigte ich mich selbst, betrachtete den hohen Turm der Burg, der nur noch eine kurze Strecke von uns entfernt in den teilnahmslos dunklen Nachthimmel hineinragte.

Gerade wollte ich Ladon weiterziehen, als ein Geschoss gegen den Bergfried schlug. Steine brachen aus dem Turm heraus und fielen hinab in die Stadt und den Burghof, der zweite Treffer gab der maroden Festung den Rest. Der Turm geriet ins Wanken, brach in mehreren Teilen auseinander, die herabstürzten, die Burggebäude unter sich begruben, teils zum Einsturz brachten.

Nur ein paar Sekunden hatte es gedauert, mein Zuhause zu Fall zu bringen. Ich starrte den noch stehenden Rumpf des Bergfrieds an, verstand nicht, was gerade geschah. Dann schluckte ich die saure Galle hinunter, die in meinem Rachen aufstieg und wandte mich ab.

"Wir müssen aus der Stadt heraus."

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt