46 BUCH DREI - Ladon

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Ich küsste Cieran lang und innig, fast schon etwas grob. Wäre er nicht verletzt gewesen, hätte ich ihn wahrscheinlich näher zu mir gezogen, doch ich hielt mich zurück, wollte ihm keine Schmerzen bereiten.

Cieran erwiderte den Kuss, zuckte nur am Anfang ganz leicht zusammen, als meine Lippen seine berührten. Ich wollte ihn am liebsten nicht mehr loslassen, in meinem Kopf hörte ich immer wieder Atarahs Worte, die ich nur durch Zufall mitgehört hatte.

"Vielleicht hätte ich dich damals auf dem Balkon nicht küssen sollen, das hat dir wohl den Kopf verdreht."

Sie hatte Cieran geküsst und auch wenn das schon einige Jahre her war, sorgte es für ein merkwürdiges Gefühl in meinem Bauch. Wie eine Mischung aus ein wenig Zorn und einem Beschützerinstinkt gegenüber Cieran.

Ich wollte nicht, dass sie Cieran küsste, weder in der Vergangenheit noch jetzt oder irgendwann. Sagen konnte - wollte - ich es Cieran nicht, also versuchte ich, es ihm durch meinen Kuss zu zeigen. Versuchte, dafür zu sorgen, dass er Atarahs Kuss von damals vergaß.

"Ladon...."

Cieran nuschelte meinen Namen in den Kuss, machte mir bewusst, wie komisch mein langer, etwas grober Kuss auf ihn wirken musste, obwohl er ihn erwiderte. Ich löste mich von ihm, sah ihn an, wie er mit erhitzten Wangen neben mir lag und mich ein wenig fragend ansah.

"Entschuldige", murmelte ich, nach einem flüchtigen Blick auf seine weichen Lippen, die durch meinen groben Kuss nun ein klein wenig geschwollen waren.

Cieran deutete meine Worte jedoch falsch, dachte, ich würde mich dafür entschuldigen, ihn überhaupt geküsst zu haben. In seinen Blick mischte sich deshalb Verwirrung. "Was....nein, ich wollte nicht...", stammelte er, verstummte jedoch, als ich ihm einen Finger auf die Lippen legte.

"Ich meine nicht den Kuss, Cieran", klärte ich das kleine Missverständnis auf, "Ich war nur etwas grob, dafür wollte ich mich entschuldigen."

Cieran atmete hörbar aus, seine Augen funkelten mich an und auf seinen Lippen lag ein breites Lächeln.

Mein Finger glitt langsam von seinen Lippen hinunter zu seinem Kinn, dann über seinen Hals bis zu seinem Schlüsselbein, verharrte dort einen Moment. Ich hob den Blick, sah Cieran an, der mich nicht aus den Augen gelassen hatte. Kaum hatte ich seinen Blick aufgefangen, wandte er seine Augen von mir ab, die Wangen gerötet. Ich musste deswegen leicht lachen, fand es auf unerklärliche Weise süß, wie Cieran versuchte, die Röte seiner Wangen verschwinden zu lassen, indem er mich nicht mehr ansah.

Mein Finger wanderte federleicht weiter, ließ Cierans Schlüsselbein hinter sich, bis er auf den Verband stieß, der um Cierans Rücken und Brust gebunden war. Ich stoppte, mir auf einmal wieder darüber bewusst, dass Cieran verletzt war und sich nicht bewegen sollte.

"Was macht deine Verletzung?", fragte ich, zeichnete mir meinem Daumen Kreise auf Cierans Haut, nur kurz über dem Verband.

"Wenn ich mich nicht bewege, merke ich es kaum, allerdings....allerdings habe ich kaum Gefühl in den Beinen", erklärte Cieran. Ich wusste nicht, ob seine Unsicherheit meiner Berührung geschuldet war oder der Angst vor meiner Reaktion.

Ich setzte mich auf, schlug mit einem Ruck die Decke zurück. "Hast du das Gefühl, dass es besser oder schlechter wird?", fragte ich, seine Beine betrachtend, die tatsächlich völlig reglos dalagen.

Vorsichtig legte ich meine Hand auf sein Schienbein, doch Cieran zeigte keine Reaktion. "Ich weiß es nicht", sagte er, "Atarah meinte, dass es aber wahrscheinlich besser wird."

Ich hielt einen Moment inne, als er von Atarah sprach. Hatte sie vorhin auch seine Beine untersucht? Ich verdrängte meinen leichten Anflug von Zorn bei diesel Gedanken und konzentrierte mich auf Cierans Worte.

"Ich sehe deine Hand auf meinem Schienbein, aber ich spüre nichts. Alles was ich spüre, ist, wenn man mich zwickt, aber das auch nur ganz leicht."

Cieran klang ängstlich, als er fortfuhr.

"Was, wenn das für immer so bleibt? Ich werde nie mehr laufen können oder....oder...."

Er kam nicht dazu, weiterzusprechen. Ich hatte mich zu ihm heruntergebeugt und versiegelte seine Lippen in einem kurzen, diesmal sanften Kuss.

"Denk nicht zu viel darüber nach. Alles wird wieder gut, ich verspreche es", sagte ich, hoffte inständig, dass ich recht damit hatte.

"Das sagt sich so einfach. Du bist ja auch nicht derjenige, der fast gestorben wäre."

"Damit hast du vermutlich recht, aber weißt du was? Wer dem Tod zwischen den Finger durchschlüpft, der kann auch wieder laufen lernen."

Tatsächlich schmunzelte Cieran daraufhin kurz und ich zog die Decke zurück, diesmal über uns beide. Dann legte ich mich neben ihn und sah ihn an.

"Da du dich aber sowieso noch ausruhen musst, brauchst du erstmal sowieso nicht zu laufen. Wenn du was brauchst, dann sag es mir einfach, ja?"

Cieran nickte, ich sah, dass seine Augenlider bereits schwer wurden und lächelte leicht. Es waren anstrengende Stunden für ihn heute gewesen nach seinem Erwachen aus dem Heilschlaf.

"Da fällt mir tatsächlich schon etwas ein", meinte er dann leise.

"Was denn?" Neugierig sah ich ihn an, sah, wie sich ein müdes, aber dennoch freches Lächeln auf seine Lippen legte.

"Noch ein Kuss", murmelte er, bereits ein wenig schlaftrunken.

Ich lachte leise auf, erfüllte ihm seinen Wunsch jedoch kurz darauf und küsste ihn zum dritten Mal an diesem Abend. Diesmal zärtlich und federleicht. Cieran erwiderte den Kuss müde und als ich mich von ihm löste blieben seine Augen geschlossen. Er lächelte dennoch, murmelte etwas unverständliches vor sich hin, bevor er einschlief.

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt