80 BUCH VIER - Cieran

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Ein feiner Schmerz, wie vom Eindringen einer Nadel, begleitete mich, seit Ladon den Elfen getötet hatte. Jetzt vergaß ich ihn, als ich mit Ladon weit über dem Erdboden flog und den nahen, großen Wald anvisierte. Dorthin könnten wir gehen. Dort würde uns niemand stören, bis Ladon sich wieder zurückverwandelte.

Auch Ladon hatte Schmerzen, doch als wir auf einer Lichtung landeten, begann der Heilungsprozess der Wunde bereits einzusetzen. Ich dankte den Göttern für das widerstandsfähige Drachenblut, das durch Ladon schoss.

Ich sprang von seinem Rücken hinunter, rannte die paar Schritte bis vor seinen Kopf und jubelte dann: "Wir haben es geschafft! Und wir leben noch!"

Ladon fletschte die Zähne, was einem Grinsen wohl am nächsten kam, und stieß mich leicht mit dem Kopf an.

Ja, wir hatten es geschafft.

Erschöpft ließ ich mich gegen Ladon fallen, er legte sich um mich herum, eine Wand aus Drachenschuppen zwischen mir und der Außenwelt.

Dort schlief ich ein, ohne es überhaupt zu bemerken. Und als ich aufwachte, spürte ich wieder den Schmerz in meinem Kopf, diesmal wie ein Dorn, stärker und aufdringlicher. Seufzend übte ich mit meinen Fingern immer wieder Druck auf meinen Hinterkopf aus, doch der Schmerz ließ nicht nach. Bis ich die Augen öffnete und keine Drachenschuppen mehr sah.

Es war dunkel geworden, über uns standen die Gestirne, in silbernem Mondlicht lag die Lichtung da. Es war kalt, aber nicht zu kalt. Tofania war mit einem wesentlich milderen Klima gesegnet als die Insel.

Der Drache war nicht mehr da. Aber Ladon war es. Er lag neben mir, vollkommen nackt - die Verwandlung in den Drachen hatte ihn wieder seine Klamotten gekostet - und sah in die Sterne hinauf. Als hätte er gespürt, dass ich wach war, wandte er den Kopf zu mir und grinste. "Du bist wach."

"Es tut mir leid, Ladon. Dass ich dich gefesselt habe. Ich... Ich wollte dich beschützen, aber es war dumm von mir. Du hast recht, wir funktionieren am Besten, wenn wir zusammen sind!", bat ich ihn um Verzeihung.

Er sah mich nur an. Bevor die Spannung, die sich in Sekundenbruchteilen zwischen uns aufgebaut hatte, Feuer fing. Ladon zog mich auf sich, küsste mich, ich küsste zurück, unsere Hände fühlten den Körper des jeweils anderen, die milde Kälte der Nacht war vergessen.

Ich auf ihm, sein nackter Körper gegen meinen gepresst, kurz darauf trug auch ich keine Kleider mehr.

Und wir taten es wieder, mussten nicht vorsichtig sein, waren weit weg von der Welt und von den Menschen. Vom Krieg, dessen erste Schlacht wir gewonnen hatten.

Als ich danach mit Ladons Arm über meiner verschwitzten Brust erneut einschlief, träumte ich nicht.

Ich stürzte in bodenlose Dunkelheit, tief hinab, bis ich hart aufkam. Auf hölzernem, knarzenden Boden. Benommen richtete ich mich auf, rieb mir meinen schmerzenden Körper. Dann fiel der Galgenstrick aus der Dunkelheit in einem Lichtstrahl zu mir hinab.

Stechender Schmerz schoss mir in den Kopf, ich hielt ihn mir mit beiden Händen, schrie auf. Alles dröhnte, ein Kreischen in meinen Ohren, Dornen, die in meinen Schädel hineinstachen und mein Gehirn anschwellen ließen.

"Tu es", zischte der Elf, der aus der Dunkelheit hinter dem Galgenstrick hervortrat. Sein Gesicht war nun völlig vom Feuer entstellt, und doch sah ich ein schmales Grinsen auf seinen geschmolzenen Lippen.

Dann wachte ich auf.

Es war bereits hell, doch es kam mir vor, als seien nur wenige Augenblicke vergangen. Mein Kopf dröhnte immer noch, fühlte sich an, als hätte ich mich in der vergangenen Nacht maßlos übertrunken und dann noch ein Fass Bier hinuntergekippt.

Stöhnend setzte ich mich auf.

"Alles in Ordnung?", fragte Ladon leise, der noch auf dem Boden lag, immer noch nackt.

Allmählich ließ der Schmerz nach und ich nickte.

"Dann sollten wir nach Lavandia zurückgehen", schlug Ladon vor. "Da vermissen sie dich sicher schon, den großen Drachenreiter, den Beschützer von Lavandia."

Ich fühlte mich unwohl beim Gedanken daran, wie viel Aufmerksamkeit mir das einbringen würde. Aber ich stimmte zu. "Ja, wir sollten gehen. Aber wir sollten nicht gemeinsam ankommen, das wäre verdächtig. Die Leute könnten auf... Falsche Gedanken kommen."

Ladon nickte. "Wir gehen bis zum Waldrand gemeinsam und dann trennen wir uns."

"Aber nur kurz."

"Nur kurz", bestätigte Ladon und küsste mich.

-

Die Aufmerksamkeit, die sich auf mich richtete, als ich schließlich das Stadttor von Lavandia erreichte, war viel schlimmer, als ich erwartet hatte.

Ich war noch in Gedanken bei den Kleidern, die wir für Ladon aus einer Jägerhütte gestohlen hatten.

"Wir können das nicht einfach nehmen."

"Und wie wir das können, oder soll ich etwa nackt nach Lavandia zurückkehren?"

Das vergaß ich völlig, als die Stadtwache auf mich wies und etwas brüllte.

Kurz darauf hatten sich die Straßen bis zum Palast hinauf mit Menschen gefüllt, Menschen, die mich feierten, mich nach meinem Drachen fragten, warum ich nicht schon früher gekommen war, um ihnen im Krieg gegen die Nomadenstämme beizustehen.

Ich lief über ein Meer aus hingeworfenen Blütenblättern und fühlte mich mit jedem Schritt kleiner und mehr fehl am Platz, gab mir aber Mühe, aufrecht weiter meinen Weg durch die sich immer vor mir teilende Menge zu gehen.

Erleichtert atmete ich aus, als sich die Gittertore des Palasts hinter mir schlossen.

"CIERAN!", schrie Atarah, fiel beinahe die Treppen hinunter beim Versuch, mich schnellstmöglich zu erreichen. Sie sah abgeschlagen aus, mit ihrem angeschwollenen, blauen Auge und den Kratzern auf ihrem Gesicht und ihren Armen. Aber sie hatte es überlebt. Sie hatte den Kampf gegen einen Elfen überlebt.

"Atarah", empfing ich sie schließlich und umarmte sie, sie drückte mich fest, dann musterte sie mich mit ihrem unverletzten Auge von oben bis unten. "Es geht dir gut, den Göttern sei Dank!"

"Tut es. Dir auch, hoffe ich?"

"Ja, nichts ernstes. Nur das, was du ohnehin sehen kannst. Aber das ist doch jetzt auch egal. Cieran, du hast einen DRACHEN! Warum wusste ich nichts davon?!"

"Ich... Das ist eine lange Geschichte", entgegnete ich etwas überrumpelt.

"Cieran Blayd, der Drachenreiter, Retter von Lavandia!", rief nun Atarahs Vater von der Brüstung über uns.

"Später", wisperte ich Atarah zu.

"Ihr kommt gerade rechtzeitig zum Fest, das wir Euch zu Ehren feiern!"

Legenden von Patria - Flammendes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt