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Es waren viele Leute anwesend. Außerdem regnete es. Ewa, Robert und Isabell standen ganz vorne beim Grab. Der Sarg wurde gerade hineingelegt. Ewa schluchzte. Isabell sah gedankenverloren auf den Sarg. Es war komisch, dass Georg darin lag. Einfach so. Er war nicht mehr am Leben. Ewa war ganz leergeweint. Der Regen vermischte sich mit den Tränen. Zum ersten Mal sah Isabell Ewas Familie. Sie waren auch anwesend. Ihre Mutter stand links von Ewa und sprach beruhigend auf sie ein. Isabell verstand kein Wort, da es Polnisch war. Ewa's Schwester stand neben Isabell und sah traurig auf den Sarg. Sie schien zu beten. Isabell war ganz konzentriert. Sie versuchte an nichts anderes zu denken, als an Georg. Aber ihr Unterbewusstsein stichelte sie weiter an. Du weißt dass er auch hier sein könnte. Er ist nicht tot. Instinktiv schaute Isabell auf und blickte in die Runde. Sie prägte sich jedes Gesicht ein. Doch sie kannte die Leute nicht. Es waren wohl Arbeitskollegen und Freunde von Georg. Isabell erinnerte sich daran, wie sie Georg kennen gelernt  und wie er sich verändert hatte. Er war wirklich ein guter Mensch gewesen. Ihn tat es wirklich leid, was er Ewa angetan hatte. Bitte lieber Gott, sei gnädig mit seiner Seele. Stumm betete sie. Der Pastor sagte noch einige Worte. "So sagte schon unser Schöpfer, dass dieses Leben eine Reise ist. Jeder Mensch wird nach einiger Zeit wieder nach Hause zurückkehren. Zu seinem Schöpfer. Es ist vorherbestimmt. Und niemand weiß wann und wo er sterben wird. Drum eifert darum Gutes zu vollbringen und redet mit Gott. Er hört euch immer zu. Georgs Reise war nun zu Ende. Möge der Herr ihn segnen und ihn ein Licht senden. Wir nehmen heute Abschied von Georg. Einem treuen Freund und liebevollen Ehemann und guten Sohn. Ruhe in Frieden." Er sprach ein leises Gebet und alle standen mit gesenkten Köpfen da. Isabell schloss die Augen und atmete durch. Sie spürte wieder dieses stechende Drücken, als würde sie jemand beobachten. Unsicher blickte sie sich um. Doch sie sah niemanden. Die Leuten bildeten eine Reihe und jeder schmiss eine Rose in das Grab hinein. Ewa brach zusammen. Sie war fertig mit den Nerven. Robert und Isabell mussten sie stützen. Die Beerdigung war vorbei. Das Grab verschlossen. Blumen und Kränze lagen darüber. Es war an der Zeit, Georg war nach Hause gerufen worden.

Er wusste dass sie nun auf der Beerdigung war. Das war der perfekte Zeitpunkt, um seinen Sohn zu sehen. Schon seit 10 Minuten stand er etwas abseits vom Zaun und wartete auf ihn. Doch komischerweise war er zwar draußen, kam aber nicht zu ihm gelaufen. Er sah aber ab und an zu dem Glowa und sah traurig aus. Zorn flammte in ihn auf. Also hatte sie mit ihm geredet? Was hatte er erzählt? Hatte sie den Kontakt verboten? Er sah dass eine Erzieherin auch draußen stand. Sie blickte sich um. Da er neben Büschen stand, konnte sie ihn nicht sehen. Aha. Also ein Kontrollgang. Was sollte er jetzt machen? Er blickte sich um und sah einen spitzen Stein auf dem Boden liegen. Ein kurzer Gedanke schoss ihn in den Kopf. Er schaute sich die Kinder an. Die Erzieherin musste weg. Er blickte nochmal herum. Dann nahm er den Stein und warf ihn zu den Kindern. Es traf den großen eingebildeten Jungen mit der Brille. Eine Platzwunde zierte sein Gesicht und er stürzte zu Boden. Die Erzieherin rannte zu ihm und brachte ihn hinein. Gut so. Er pfiff durch seine Finger. Simon schaute ihn an. Der Glowa pfiff wieder. Dieses Mal dringender. Simon blickte sich kurz um, dann rannte er zum Zaun. "Hallo mein Kleiner." "Ich darf nicht mit dir reden." "Wer hat das gesagt?" "Mama." Der Glowa schüttelte den Kopf. Also hatte er Recht gehabt. "Hey Simon hör mir zu. Deine Mutter ist sehr böse auf mich. Deswegen versucht sie dich von mir fernzuhalten. Das ist sehr schade. Ich wollte dich gerne sehen." Simon sah ihn traurig an. "Ich dich auch." "Weißt du Simon. Am besten du erzählst deine Mutter nichts mehr von mir. Sonst sehen wir uns nie wieder." Der Glowa nahm Simons Hand. "Versprich mir, dass wir uns wieder sehen. Am besten so dass uns kein anderer sieht." Simon nickte. "Vertragt euch wieder." "Ich versuche es. Aber dafür muss sie mir zuhören." "Und wie soll das gehen, wenn ich nichts sagen darf?" "Du musst abwarten Kleiner. Ich regele das schon. Und jetzt geh schnell rein." Simon nickte. Dann rannte er davon. Der Glowa nickte zufrieden. Er stieg ins Auto und fuhr zum Friedhof.

Nach der Beerdigung wollte Ewa nach Hause. Robert setzte sie da ab. Isabell wollte mitkommen, aber Ewa wollte alleine sein. Sie war fertig mit den Nerven. Die ganze Beerdigung über hatte sie geweint. Natürlich wegen Georg. Aber auch wegen was anderem. Die ganze Beerdigung lang hatte sie sich vorgestellt, dass sie im Sarg lag. Die Trauerkarte kam ihr in den Sinn. Wann würde sie sterben? Würden auch so viele Leute kommen? Würden die Menschen sie vermissen? Würde sie Susanna und Jack wieder sehen? Hätte der Tod etwas Gutes? Ewa spürte eine wahnsinnige Angst vor dem Tod. Aber noch mehr Angst hatte sie davor, wie er eintreffen würde. Die ganze Zeit über hatte sie sich umgeschaut. Jeden Gast hatte sie angestarrt. Aber es waren alles Bekannte von Georg oder ihr gewesen. Trotzdem wurde sie das unruhige Gefühl nicht los. Ihre Mutter wollte sie nicht alleine lassen. Sie wollte dass Ewa zu ihr kam. "Komm nach Hause Ewa. Du sollst nicht alleine sein. Komm zurück zu deiner Familie." Sollte sie? Zurück nach Polen? Sie wollte zurück zu ihrer Heimat. Aber wie sollte sie da leben? Die polnischen Männer waren auch eine Sache für sich. Sie erinnerte sich an Vitali. An sich war er ganz nett gewesen, doch innerlich hatte er sich so verhalten, als wäre sie sein Eigentum. Nur weil sie auch Polin war, sollte sie ihn als Mann nehmen? Niemals. Ihr Verdacht gegen Vitali verhärtete sich wieder. Ob er wirklich der Täter war? Aber warum sollte er sie umbringen wollen? Weil sie sich weigerte? Ewa stand seufzend auf. Am besten sie ging ins Hotel zu ihrer Mutter. Sie wollte in zwei Tagen wieder abreisen und dann müsste Ewa entscheiden, ob sie mitkam oder nicht. Sie zog ihre Jacke an. Dann checkte sie nochmal den Herd und die Fenster. Alles war aus und geschlossen. Es war schon dunkel geworden. Doch sie wollte jetzt nicht alleine sein. Düstere Gedanken machten sich breit. Sie musste jemanden um sich haben. Schnell schloss sie die Tür und ging die dunklen Straßen entlang. Wenig später hörte sie ein Auto hinter sich. Panisch drehte sie sich um. Die Scheinwerfer blendeten sie. Ewa fing an zu rennen. Sie nahm Abkürzungen und bog in Feldwege ein. Sie rannte immer weiter. Ihre Beine taten ihr sehr weh. Sie musste schnell ins Hotel kommen! Da war doch diese eine Strecke neben dem Wald. Wenn sie diese schaffte, dann war sie schon da. Als sie das Hotel sah atmete sie erleichtert auf. Das Auto war nirgends zu sehen. Völlig aus der Puste blieb sie stehen. Sie musste sich beruhigen. Ihre Mutter sollte nicht merken, dass sie gerannt war. Sie schaute sich an dem Schaufenster des Ladens an. Sie sah schrecklich aus. Irgendwie versuchte sie ihre Haare etwas glatter zu machen. Gerade wollte sie die Straße überqueren, als sie wieder ein Geräusch hinter sich hörte. Als sie sich umdrehte war sie starr vor Schreck. Das Auto war wieder da! Wie hatte derjenige sie gefunden? Sie versuchte schnell zur Seite zu springen, aber ihre Beine knickten ein. Was sie als letztes sah, war wie das Auto mit voller Geschwindigkeit auf sie zuraste. Als nächstes spürte sie nur noch den Aufprall ihres Körpers auf den nassen Asphalt. Ihre Ohren nahmen noch das Quietschen der Reifen wahr. Das Auto war verschwunden. Ewa bemerkte, dass jemand anfing zu schreien. Doch ihre Schmerzen waren so stark, dass sie plötzlich ohnmächtig wurde. War ihre Zeit jetzt gekommen? So kurz nach Georg?

The Game of RevengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt