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Der glatte Stein des Gemäuers war kühl. Sie spürte es nicht. Maddison hatte Platz an einem der hohen Fenster genommen. Die Fenster waren nischenartig in den Gängen des Schlosses angebracht worden. Aus diesem Grund konnte man dort problemlos sitzen und nachdenken, wie Maddison es in diesem Moment tat. Beinahe sehnsüchtig starrte sie in den Regen. Die Stirn lehnte am kalten Glas. Die Augen folgten den Regentropfen, wie sie um die Wette auf der Oberfläche des Fensters hinunterliefen. Ein leises Seufzen kam über die Lippen des Mädchens. Eine Träne stahl sich aus ihren braun-grünen Augen und ahmte die Regentropfen nach. Schritte hallten durch den Flur. Maddison schenkte diesem keine Beachtung. Sie wollte keine Gesellschaft! Außerdem wusste sie, dass es niemand sein konnte, der sie suchte. Ihre beste Freundin und die Schüler, die Teil ihres Hauses waren, saßen in der Großen Halle und aßen zu Abend. Maddison schloss einen Moment die Augen, bevor sie dem Plätschern des Regens lauschte und die Tropfen beim Fallen beobachtete. Die Schritte kamen näher und näher, bis sie neben ihr zum Stillstand kamen und der Hall verebbte. "Hey Darling! Deine roten Haare stechen einem förmlich ins Auge bei dem Wetter." Nun wurde Maddison aufmerksam. Sie war das einzige Mädchen mit einer derart auffälligen Haaren in Hogwarts. Ihre Augen erhaschten einen Blick auf einen ebenfalls prägnanten Haarschopf. Haar mit einer natürlichen Rotfärbung... Ein Weasley. Sie schaute den Jungen eingehender an. Einer der Zwilling! "Das ist bei grauen Himmel nicht schwierig.", erwiderte Maddison. "George Weasley, richtig?" In Überraschung weiteten sich seine Augen. "Du kannst meinen Bruder und mich auseinander halten ohne uns zu kennen?" George war sprachlos, was bei keinem der Zwillinge üblich war. "Aber natürlich!", antwortete das Hufflepuffmädchen. "Ihr unterscheidet euch! Wenn man auf die Details achtet sowohl im Aussehen als auch im Auftreten und ich bin mir sicher, dass es sich mit eurem Charakter genauso verhält." Mit leicht geöffnetem Mund starrte George Maddison an. Woah! Damit hatte er nicht gerechnet. Jedoch fing er sich recht schnell und hielt Maddison einen Zauberstab hin. "Der lag neben dir!" Ohne ihn genauer zu beäugen, nahm sie ihn entgegen. "Vielen Dank, Geo..." Erschrocken zuckte Maddison zusammen, als der Zauberstab, den sie versehentlich geschwungen hatte, sich in ihrer Hand verwandelt und ein Welpe auf ihren Beinen saß. "Ein Juxzauberstab!", kicherte Maddison, während sie mit funkelnden Augen der Welpe streichelte. "Das ist eine neue Version von ihnen!", verriet ihr George. Stolz grinsend setzte er sich zu ihr auf den steinernen Fenstersims. "Hast du ihn allein entwickelt?" Er nickte. "Wow! Das ist wirklich beeindruckend.", bemerkte Maddison lächelnd. "Aber warum ein echtes Tier? Waren es nicht vorher harmlose Gummitiere?" Neckisch stupste George Maddison mit dem Fuß an. "Um traurigen Mädchen ein schönes Lächeln zu entlocken, muss man schwerere Geschütze auffahren." Lachend warf Maddison ihren Kopf in den Nacken. Die Spitzen ihre Locken verschwanden in der Kapuze ihres Hogwartsgewands. Doch sie erwiderte nichts auf seine Aussage hin. Stattdessen drückte sie den Welpen vorsichtig an die Brust, küsste den flauschigen Kopf des Tieres und sagte: "Ich nenne dich King, mein neuer, haariger Freund!" "Hey!", beschwerte sich der Gryffindorjunge sofort, was Maddison nur noch mehr zum Lachen brachte. "Also bitte! Es war doch mehr als offensichtlich, dass ich mit dem Welpen gesprochen habe." Nun grinste auch George. "Ich weiß!", gab er übermütig zurück. Wieder stupste er sie an, doch dieses Mal mit seinem Knie. "Ich wollte nur dein Lachen hören." Blut schoss Maddison in die Wangen und Hitze durchströmte ihren Körper. George wechselte das Thema. "Wie kommst du eigentlich auf King als Namen für einen Welpen? Das ist nicht das Erste, auf das ich kommen würde!", harkte der Schulclown neugierig nach. Maddisons Kopf wandte sich wieder zum Fenster. Das regnerische Treiben hatte zugenommen. Es war ähnlich wie an dem Tag, an dem Cedric sich für das Trimagische Turnier angemeldet hatte, bei dem er nur knapp mit dem Leben davon kam. "Ich weiß nicht, wie ich darauf komme. Mein Gefühl sagt es mir. Das war schon immer so!", entgegnete Maddison gedankenversunken. Das leise Trommeln der Tropfen war das einzige Geräusch, dass die Stille störte. "Schon immer?", echote George. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen. Die Stirn hatte er gerunzelt. "King ist nicht mein erstes Haustier.", erklärte Madison ihm. "Zuhause bei meinen Eltern lebt meine Hündin Autumn und als ich nach Hogwarts kam, haben mir meine Eltern eine Schneeeule geschenkt, nachdem sie erfahren hatten wie wichtig Eulen in der Zaubererwelt sind." Der Rotschopf gluckste leise vor sich hin. "Sie haben Eulen mit Smartphones verglichen. Das find ich immer noch unglaublich süß!" Stille Tränen fanden den Weg von ihren Augen über ihre Wangen zu ihrem Kinn. Von dort tropften sie auf den schwarzen Faltenrock ihrer Schuluniform. Hastig wischte sie sich mit dem Ärmel ihres Hausumhanges über das Gesicht. "Wie dem auch sei!", fuhr Maddison fort. Ihre Stimme war von den Tränen belegt. "Meine süße, kleine Schneeeule habe ich Hiraeth genannt! Das ist der ungewöhnlichste Name, der eigentlich kein Name ist. Es ist ein schönes Wort mit einer bittersüßen Bedeutung." Maddison hielt inne. Sie erwartete, dass George ein neues Thema anschneiden würde, da sie glaubte einen energiegeladenen Witzbold wie George Weasley langweilen würde. Doch es kam nichts dergleichen! "Hiraeth bedeutet..." Ein lautes Knurren aus ihrer Magengegend ließ Maddison sich selbst unterbrechen. "Warte kurz!" Im selben Moment war der rothaarige Junge verschwunden. Seufzend wandte sich das Hufflepuffmädchen wieder dem Regen zu. Sie hatte Recht behalten! Sie hatte George zu Tode gelangweilt... Erneut atmete sie geräuschvoll aus. Der Regen hatte nun nicht die übliche Wirkung. Er beruhigte sie nicht mehr, sondern wühlte sie eher auf! Frustriert schlug sie gegen die Scheibe. Das Heimweh würde sie wohl oder übel weiterhin ertragen müssen... Plötzlich stand George wieder vor ihr. Ein gellender Schrei erfüllte den Gang. "Du. hast. mich. zu. Tode. erschreckt!", keuchte das Mädchen, wischte sich schwungvoll die Haare aus dem Gesicht und löste ihre zweite Hand von ihrem Pullover, mit der sie sich zuvor an die Brust gefasst hatte vor Schreck. "Das tut mir leid!", meinte George. Doch das breite Grinsen auf seinen Lippen verriet den Weasley-Jungen. Auch Maddison erkannte es. "Tut es nicht. Trotzdem nehme ich deine Entschuldigung an! Du bleibst aber ein Idiot." Maddison entdeckte den duftenden Teller in der Hand des Gryffindors. Eine Sekunde des Zögerns ließ sie innehalten, bevor sie übermütig sich den Teller schnappte und ein Bissen von dem Brötchen nahm. "Danke für das Essen!", nuschelte Maddison zufrieden. Mit geschlossenen Lippen grinste der Hufflepuff den Gryffindor an. Einen kurzen Moment hatte sie vergessen, warum sie nicht mit ihren Mitschülern am Abendessen teilnahm. "Dein Magen hatte geknurrt und da ich auch Hunger habe, dachte ich, wir könnten hier essen, während du mir die Bedeutung von Hiraeth erklärst." George nahm grinsend an seinem vorherigen Platz, gegenüber von Maddison, Platz und schaute sie abwartend an. Als Maddison nichts erwiderte, sprach er statt ihrer. "Also", setzte er an. "Was bedeutet denn jetzt Hiraeth?" Verblüfft kaute Maddison zu Ende, schluckte hinunter und atmete durch. Sie glaubte die nasse Erde und den Regen zu riechen. Der leicht modrige Geruch hatte für etwas Tröstliches. Es roch nach zuhause! "Hiraeth ist Heimweh nach einem Zuhause, zu dem man nicht zurückkehren kann oder das nie ein Zuhause war!" "Warum gefällt dir das Wort?" "Es hat einen wundervollen Klang und die Bedeutung gefällt mir. Als Leseratte kann man dieses Gefühl mehr als nur gut nachvollziehen!" Grübelnd betrachtete George das Mädchen vor ihm. Er empfand in ihrer Nähe Ruhe. Seine Lippen teilten sich, um etwas zu sagen. Doch seine unausgesprochenen Worte wurden von seinem Zwilling angeschnitten. "Kommst du, George?" "Ja! Einen Moment." George wandte sich wieder dem Hufflepuffmädchen zu. "Ich habe vergessen nach deinem Namen zu tragen!", beichtete der Gryffindor verlegen. "Maddison Nova.", konnte sie noch sagen. Dann hatte ihn die Schülermenge verschluckt.

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