Kapitel 21

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Seine warme Hand geleitet mich durch die Dunkelheit dieser Sommernacht. Sie geleitet mich in ein Meer aus Wolken und Sternen und Funken zwischen zwei Zungen. Zwei einsamen, sich heute gefundenen, verzweifelten Zungen.

Als seine Lippen, die meinen verlassen, fühlt es sich so an, als ob eine warme Decke von mir gezogen wird.

Ich folge ihm automatisch ein wenig mit dem Gesicht und versuche ihn wieder zu küssen. Doch ich höre nur wie er leise lacht.

Doch erst jetzt, da der Rausch des Kusses nicht mehr meine Ohren lahmlegt höre ich ein Handy klingeln. Oder hat es vorher nur vibriert, sodass es für mich fast unmöglich wäre es zu hören? Ich habe absolut nichts gehört außer meinen eigenen Herzschlag, welcher meine Ohren betäubte.

Adam greift in seine Hosentasche und nimmt gleich ab: „Ist etwas passiert?“ Er hält das Handy an sein Ohr, sein Blick ist jedoch ganz auf mich gerichtet. Ob das wieder Dane ist?

„Hey, sorry, ich weiß, du wolltest nicht, dass ich dich störe. Aber das ist wichtig. Du hast mein Auto und ich muss in den Laden, Katzenstreu kaufen. Ich leih mir dein Motorrad aus“ Ich höre die Stimme nur sehr verzerrt, doch verstehe die Worte und kann klare Sätze bilden. Es ist Dane, das weiß ich dadurch, dass ich die Stimme vom letzten Anruf erkenne. Es ist die gleiche, männliche, junge, zarte und so unglaublich vertraute Stimme. Moment, hat er gerade Katzenstreu gesagt? Besitzen Adam und Dane eine Katze? Ich habe keine gesehen, aber mein Gedächtnis ist zu schwach um sich an Futter Schalen auch nur versuchen zu erinnern.

„Ist das eine Bitte oder eine Aussage“, lacht Adam die dunklen Augen immer noch direkt in meine gerichtet. Er hebt vorsichtig seine Hand und streicht mit seinem Daumen vorsichtig über meine Unterlippe. Elena, sei kein Kleinkind, was ist an dieser Situation bitte amüsant? Ich hasse dich dafür, wieso grinst du jetzt wie eine Geistesgestörte? Ich kann jeden Moment der Intimität oder Romantik mit meiner nicht existenten Seriosität zerstören. Ich fange an zu Grinsen und schaue zu Boden. Sein Zeigefinger hebt mein Kinn ein wenig und streicht dann einmal über meine Wange, bevor er seine Hand wieder in die Hosentasche steckt.

„Danke fürs Bescheid geben… Ja bye“, Adam legt sein Handy zurück und schaut wieder zu mir. Die Spannung in meinem Bauch wird mit jeder Sekunde größer und größer.

„Ehm, wir sollten, wir sollten vielleicht gehen“, verschlucke ich mich fast an meinen eigenen Worten und schaue auf den dunkeln Boden, um loszulaufen.

„Was auch immer du wünschst, Chérie“

Unsere Schritte hört man leise durch die Nacht hallen. Ich schaue nach vorne und sehe die grünen Felder, welche von dem Mond beschienen werden. Ich spüre den kühlen Wind an den Ohren und die Hitze, welche sich von meinem Bauch au auf meinen ganzen Körper verbreitet. Das Blut in meinen Adern strömt durch meine Beine mit jedem Schritt.

„Vielleicht…“, fange ich an und sehe die unendlich vielen Sterne am Himmel fast so hell wie Adams Augen leuchten. Sofort spüre ich wieder das Kribbeln in meiner Brust und die schwere Leichtigkeit in meinem ganzen Körper, als drohe ich zu zerfallen und gleichzeitig in die Luft zu fliegen.

„k-können wir ja noch ein wenig spazieren gehen“, ich drehe mich um und schaue zu ihm hoch.

„Wieso zitterst du, Elena? Mache ich dich nervös?“, er nimmt meine rechte Hand in die seine und legt einen Kuss auf den Handrücken. Seine Stimme ist leise, aber tief, was mich ein wenig einschüchtert aber die Schmetterlinge umso intensiver ihren Tanz genießen lässt.

„Du genießt die Zweisamkeit aber fürchtest die Einsamkeit“, es ist so leise, dass ich glaube ihn atmen zu hören. Adam streicht zwischen zwei Fingern an einer Blume meine Kleiderträger, jedoch berührt er nicht meine Hand. Ich stelle mir vor, dass er seine Finger meinen Arm runter gleiten lässt, doch er lässt los und streicht stattdessen meine Haare hinter mein linkes Ohr und hebt mein Kinn.

„Deine Gedanken will ich hören können“, fliegen die Worte auf einmal über meine Lippen.

„Oh Elena“, seine Augen schauen jetzt direkt in meine und ich spüre alle meine Organe fallen. Meine Füße sind taub und mein Rücken scheint zu brennen. Ich werde nie verstehen, wie dein Herz deinen Körper so dermaßen kontrollieren kann. Ich verliere den Verstand und Adam nimmt seinen Platz ein. Seine braunen Augen fixieren meine und ich habe das Gefühl das ganze Universum in ihnen zu erkennen.

„…du kannst dir vorstellen was ich denke.“

„Ja!“, ich erschrecke mich selbst vor der Lautstärke, die mein Wort hat.

„Ich meine, ja, ich denke du möchtest auch lieber hier sein, als wieder tanzen zu gehen“

Er bekommt kleine Fältchen an den Augen, seine Wangen bilden kleine weiche Grübchen und er fängt ein wenig an zu lachen.

„Lass uns gehen“, Adam dreht mich um, indem er seinen Arm um mich legt und leitet uns aus dem Vorweg der Kirche weg.

Die Wärme, die von seinem Körper kommt, lässt mich sicher und geborgen fühlen. Der Mensch, der gerade neben mir läuft, der mich in seinem Arm hält und meine Begleitung auf einer Hochzeit ist, hat mich soeben in einer Kirche geküsst. Wir haben uns geküsst. Was heißt das jetzt? Heißt das nichts, oder heißt es alles?

Ich fange an auf der Innenseite meiner Unterlippe zu kauen und schaue auf das dunkle Gras. Hat er geplant mich zu küssen? An was denkt er gerade? Denkt er auch an den Kuss? Oder denkt er, was ich vielleicht denken könnte? Aber vielleicht denkt er, dass ich versuche herauszufinden was er denkt? Denkt er vielleicht gar nicht, und genießt es einfach mich im Arm zu haben?

„Küsst du alle fremden Typen, die dich auf eine Hochzeit begleiten?“, fragt er plötzlich doch verändert sein Tempo nicht. Er hat also an den Kuss gedacht.

„Du hast mich geküsst“, widerspreche ich jedoch, da es die Wahrheit ist und lache leicht.

„Und lügen tust du auch noch. Bist du vielleicht deswegen so aufgeregt“

Verblüfft schaue ich zu ihm hoch und ziehe die Augenbrauen zusammen.

„Ich bin gar nicht aufgeregt. Du bist bestimmt total nervös. Wahrscheinlich hast du den ganzen Tag schon an heute Abend gedacht und konntest nicht klar denken vor Aufregung“, sage ich stolz und schubse ihn ein wenig an.

„Du stotterst, wenn ich dir zu lange in die Augen schaue, und zitterst am ganzen Körper, wenn ich dich anfasse.“, er streicht daraufhin an meinem Arm und im selben Moment spüre ich ein Kribbeln und bekomme Gänsehaut. Ich zappele zurück, damit er es nicht bemerkt und sage: „Und wenn ich dir zu nahestehe, höre ich dein Herz wie wild schlagen und wenn ich dich berühre, atmest du schwer“

Er presst die Lippen zusammen und lehnt seinen Kopf ein wenig zur Seite, während ich noch stolz weiterlaufe und grinse. Auf einmal werden die Schritte hinter mir schneller und ich spüre eine schnelle Berührung um meinen Rücken und meine Beine, ehe ich um mich sehen kann, ist die Verbindung zwischen Boden und mir Adam.

„Also habe ich recht! Du findest keine Argumente mehr“, lache ich und lasse meinen Kopf in meinen Nacken fallen.

„Sei still“, höre ich ihn sagen, doch er schafft es nicht ein ernstes Gesicht beizubehalten und lacht selbst.

Ich erinnere mich an den Abend, an welchem Adam mich auf der Party von der Veranda getragen habe. Ich erinnere mich an das sofortige Gefühl von Sicherheit als ich in seinen Armen lag. Ich greife mit meinen Armen um seinen Nacken und lehne meinen Kopf an seinen.

Jede zirpende Grille musiziert nur für uns und jeder Stern leuchtet heller als je zuvor, weil Adam und ich heute Nacht hier sind. Möge diese Nacht nie enden. Meine Seele und mein Herz packen sich bei der Hand und schicken jeden Mut meines Körpers und meines Geistes zu meinen Lippen.

„Adam...“

ChérieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt