Kapitel 17

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Eine enorme Hitze breitet sich in mir aus. Wir stehen uns so nahe, dass ich glaube ich könnte seine Brust beim Einatmen spüren.

Sein Blick ist seriös aber immer noch so weich. Ich habe das Gefühl, dass mein Herz gleich platzt vor Aufregung. Ich kann kaum atmen. Es schlägt immer schneller und schneller. Jede Sekunde zieht sich zu einer Ewigkeit und meine Hände in seinen Fangen leicht an zu zittern. Oder ist das etwa Einbildung?

In dem Moment vibriert etwas In Adams Hosentasche. Es ist sein Handy, er wird angerufen. Sein Blick springt sofort weg von meinen Lippen und er greift schnell an sein Handy.

Langsam fängt mein Herz an sich zu beruhigen, aber das Adrenalin rauscht immer noch durch meine Adern.

„Was gibt's?" Er ist leise und ich höre nur schwer die Person am anderen Ende der Leitung. Die Stimme klingt aber männlich und jung.

„Vergiss es. Hat sich erledigt. Hey, ich komme in einer halben Stunde wieder. Muss noch jemanden nach Hause bringen", sagt er und nach einigen Sekunden legt er auf.

„Ja wir...wir sollten gehen", sage ich und zeige mit dem Daumen hinter mich. Zögernd drehe ich mich um und laufe voraus zu den Treppen, die runter zum Parkplatz führen. Ich spüre, wie er mir nachläuft und gehe sicherer. Er folgt mir.

Adam selbst war nervös, und das lässt mich um einiges sicherer fühlen. Er ist oder war aufgeregt. Er! Ich habe Adam nervös gemacht! Wir laufen zusammen die Treppen runter und zu seinem Motorrad. Tags sieht der Parkplatz ganz anders aus als bei Nacht. Die Laternen leuchten selbstverständlich nicht. Obwohl es schon bald dunkeln sollte.

Der Himmel sinkt in ein dunkleres Blau. Es ist noch hell und trotzdem sieht man den zunehmenden Mond.

„Wir werden rechtzeitig ankommen. Mach dir keine Sorgen", sagt Adam und schaut mich aufmunternd an.

„Oh keine Panik. Ich habe nur den Mond betrachtet. Morgen soll eine Vollmond Nacht sein", ich lächle und schaue wieder kurz hoch.

Wir ziehen unsere Helme auf und ich setze mich ein weiteres und für heute letztes Mal hinter Adam.

„Halt dich gut fest", höre ich ihn sagen bevor er den Motor startet und wir losfahren. In Momenten wie diesen vergisst man sein eigentliches Leben und wer man wirklich ist. Hier und jetzt bin ich niemand. Ein niemand der niemanden kennt und der nichts weiß.

Das Einzige was ich weiß ist, dass es Abend ist, dass ich auf einem Motorrad sitze und dass ich nicht allein bin. Eine weitere Person leistet mir Gesellschaft. Und es ist nicht niemand. Es ist Adam.

Als wir Zuhause ankommen ist es bereits ein kleines bisschen dunkler als vorhin. Ich steige vom Motorrad ab und ziehe meinen Helm aus.

„Danke für den schönen Abend"

„Danke, dass du mir Gesellschaft geleistet hat", antwortet Adam lächelnd zurück.

„Ich werde dich morgen erst um halb Sieben abholen können. Ist das okay für dich?", fragt er und hält seinen Helm unter dem Arm.

„Japp, das ist perfekt. Ich werde auf dich warten"

„Gute Nacht Chérie. Und bis morgen", er lächelt mich an und ich sehe ein Grübchen auf seiner rechten Wange. Ich muss auch lächeln und antworte: „Gute Nacht Adam"

Unwillig öffne ich die Haustür und schaue noch ein letztes Mal zu Adam und seinem Motorrad. Ich laufe ins Haus und öffne auch meine Wohnungstür. Stille. Man hört nur meine Schlüssel, welche ich im Flur aufhänge und dann auch meine Vans, welche ich ausziehe.

Leise laufe ich erst ins Wohnzimmer, um hier auf die Wanduhr zu schauen. Es ist drei Minuten nach 10 Uhr.

Ich schmunzele und schleiche mich in die Küche. Was könnte ich jetzt noch essen? Besonders Hunger habe ich eigentlich nicht. Ich entscheide mich für zwei Mandarinen, welche ich mit einer Serviette mit nach oben nehme.

Erst als ich oben bin erinnere ich mich, dass meine Mutter schon seit einer Stunde auf der Arbeit ist. Zum Glück. Dann kann ich meinen Abend unten verbringen.

Ich laufe in mein Zimmer und finde dort mein Handy umgedreht auf dem Tisch liegen. Als ich es in die Hand nehmen sehe ich, dass Olivia mich angerufen hatte. Auf WhatsApp hat sie mir auch noch eine Sprachnachricht hinterlassen.

„Henry hat mir gerade geschrieben. Er fragt, wieso du so komisch in der Schule warst. Also keine Ahnung, abweisend oder so. Ich meinte einfach du bist müde. Adam habe ich nicht erwähnt. Ich weiß nicht, ob du vor hast ihm zu schreiben, aber ihr solltet echt nochmal reden El. Sag ihm, dass es für dich endgültig ist"

Ich stöhne laut auf und zappele mit den Schultern. Leider bin ich bei solchen Situationen ziemlich kindisch. Ich hasse es, Dinge anzusprechen.

Draußen ist es bereits dunkel, weshalb ich meine LED-Lichter anschalte. Das lila Licht zeigt mir den Weg zum Kleiderschrank. Dort hole ich mir Unterwäsche und Schlafklamotten.

Als ich den Schrank wieder schließe, schaue ich auf meine rechte Hand, welche eben noch Adams Hand hielt.

Eine Hitzewelle überkommt meinen Körper und ich spüre ein Kribbeln auf der Haut. Ich laufe ins Badezimmer und erwische mich im Spiegel dabei, wie ich verträumt lächle. Ob er wohl schon zu Hause angekommen ist? Ich nehme mein Handy und mache eine Playlist auf Spotify an.

Während die Musik läuft, betrachte ich mein Spiegelbild. Meine braunen, kurzen Haare sind immer noch leicht gelockt und mein Make Up sitzt. Aber hat Adam darauf geachtet? Hat er den Geruch von meinem Parfum so wahrgenommen wie ich seinen?

Ich fange an mich auszuziehen und steige in die Duschkabine. Ich spüre das warme Wasser meinen Rücken runterlaufen. Meine Haare werden nass und ich fange an meinen ganzen Kopf zu befeuchten.

Adam lässt mich so unglaublich gut fühlen. Panik, Furcht, Scham und Hoffnungslosigkeit kommt in mir hoch, wenn ich daran denke, das zu verlieren. Und trotzdem riskiere ich alles für ihn. Ich werfe ihm meinen zerbrochenen Spiegle doch nur so vor die Füße. Weil ich nicht allein sein will.

Wenn ich Adam so sehe, so lustig, so mutig und so lebendig. Ich habe Angst mich zu verändern und mich selbst nicht mehr wieder zu erkennen, wenn ich erwachsen werde. Adam vermittelt mir das Gefühl, dass du dich nicht ändern musst, nur weil die anderen es tun.

Langsam massiere ich das kalte Shampoo in meine Haare. Was wird morgen bringen? Wird er mich in der Öffentlichkeit anders behandeln, weil ich jünger bin? Das würde mich sehr verletzen. Doch ich hoffe natürlich. In meinem Kopf könnte Adam so etwas nie tun. In meinem Kopf ist er ein auf die Erde gefallener Engel.

Nachdem ich auch noch mein Gesicht mit Kern Seife gewaschen habe, fange ich an meinen Körper mir meinem Schwamm und Duschgel zu schrubben. Ich spüre das Reiben wie eine angenehme Massage auf meinem müden Körper. Nachdenklich betrachte ich meinen Körper und meine Beine. Das alles, das alles wollte Adam gar nicht. Er wollte etwas viel Intimeres. Eigentlich ist Adam sehr gierig.

Anstatt meine Haut und meinen Körper, sucht er nach etwas, was nicht jeder findet. Und erst recht nicht nackt Körper an Körper. Etwas, was unter der Haut verborgen ist, was dir kein Arzt der Welt mit Bildern zeigen kann. Adam sucht gierig und besitzergreifend nach meiner Seele. Und ich nach seiner.

ChérieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt