Kapitel 9

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„Die ganze Nacht warst du weg. Und dann fragst du dich, warum ich dir nichts anvertraue. Warum ich ständig enttäuscht bin. Warum ich jedes Mal etwas an dir auszusetzen habe. Mary ist jetzt sicher stolz dich mit Fremden nachts unterwegs zu sehen“, ruft sie abwertend und läuft zu ihrem Auto.

Ich spüre auf einmal einen starken Schmerz in meiner Brust und meinem Bauch. Der Knoten in meinem Hals wird immer dicker.

„El, ist das?“, er beendet seinen Satz nicht doch schaut mich voller Mitgefühl an. Ja richtig, es ist meine Mutter. Ich nicke nur und schaue zu Boden.

„Wenn du dein Abitur nicht schaffst, nützt dir das Geld deines Vaters fürs Studium auch nicht. Aber egal, stimmt's? Uns sind Männer wichtiger“, während meine Mom das sagt, spüre ich wie Adam vorsichtig seine Hand an meinen Rücken hält.

Ich zucke erst vor Erschrecken doch lasse dann wieder locker. Seine Hand spendet mir Mut und lässt ein Kribbeln über meinen ganzen Körper fließen.

Ich mag dich Adam, wirklich. Auch wenn ich es dir noch nicht sagen kann. Ich mag dich. Aber mehr als Mut kann mir deine Hand gerade leider nicht bieten. Ich bin verletzt und meine Mutter ist, wie so oft der Grund dafür.

„Ich habe meine Schlüssel vergessen kannst du mir die Tür öffnen?“

„Was hättest du gemacht, wenn ich zwei Minuten früher raus gegangen wäre?“, fragt sie genervt und wirft ihre Tasche ins Auto.

„Ich wäre wahrscheinlich zu Olivia gegangen“, antworte ich und hoffe sie hört jetzt auf mich vor Adam bloßzustellen.

„Du lebst, als hättest du kein zu Hause“, ist ihr letzter Kommentar bevor sie zur Haustür läuft, um diese zu öffnen.

"Pass auf dich auf", sage ich zu Adam und möchte meiner Mutter nachlaufen, doch er hält mich vorsichtig fest.
„Was ist dein Nachname? Damit ich klingeln kann“, ich hätte nicht gedacht, dass ich in dieser Situation lächeln könnte. Doch anscheinend kann ich es. Ich bin kurz sogar glücklich. Er möchte mich also wiedersehen.

„Osborne“, flüstere ich und gehe dann weg. Doch schaue noch auf dem Weg zur Tür ungefähr drei Mal zurück. Bis ich ihn nicht mehr sehe. Jetzt ist hier nur noch meine Mutter, die gerade vor mir die Wohnungstür aufschließt.

„Du gehst heute nirgendwo mehr hin, verstanden?“
Ich sage nichts, sondern nicke nur.
„Ob du verstanden hast, frage ich dich“, sie greift mir stark an den Oberarm.

„Ja“, jauchze ich auf und schließe meine Augen. Ich weiß, dass sie das hasst. Aber sie hasst es nicht, so sehr wie ich es hasse, ihr in die Augen zu schauen.

„Wie sehr du mich doch provozierst, Kind“ , sie lässt los und geht durch den Flur aus dem Haus.

Ich halte mir die Hand vor den Mund.
Nein, Elena. Nicht weinen. Hör auf, Papa sieht dich.

In dem Moment geht eine Wohnungstür im Obergeschoss auf. Schnell verziehe ich mich in meine Wohnung und schließe leise die Tür zu.

Doch jetzt ist mir egal wer mich vom Himmel sehen könnte. Ich versuchte es immer vor Mary zu verstecken, doch jetzt sollte selbst sie sehen, dass Mom immer ein Lieblingskind hatte.

***

„Elena, geh und hilf deinem Vater die Stühle fürs Grillen zu holen“, sagt meine Mutter zu mir und stellt sich dann zu meiner Schwester auf den Balkon.

Ich laufe aus der Küche in den Flur und höre meine Mutter reden.
„Und Mary, wie war dein Tag. Wie geht es Ben?“
Ich höre meine große Schwester kichern und leise antworten.
Sie ist ein wenig eitel, aber sie weiß genau so gut wie ich, dass Glück seine Stille liebt.

ChérieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt