Kapitel 10

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Viele Wochen nach meinem 18. Geburtstag fühlte ich mich noch immer klein und jung. Dumm und naiv, wie mein 16-jähriges ich ungefähr. Ja...mein 16-jähriges ich ist auch so ein Thema.

Doch plötzlich wurde mir vom Schicksal mit einem Gewehr ins Gesicht geschossen und ich musste erwachsen werden. Es sind immer die Umstände, die unser Leben ausmachen. Immer.

Ich wurde in dieses Leben geboren. In das Leben von Elena Osborne, aber ich kann mir aussuchen, wie ich es verbringe. Ich bin wie gesagt eingeschränkt. Aber die Umstände werden mich nicht für immer hier festhalten.

Ich schaue die rosa Häuser an, die den Hof umschließen. Als Kind sah ich sie als eine Schutzwand. Zu Hause war ich wie in einer Festung, die mich vor allem Bösen und Schlimmen in der Welt beschützt.

Doch unsere Familie wurde von innen aufgerissen. Dad war das Herz der Familie und Mary der Mensch, der alle zusammengehalten hat. Jetzt sind wir zwei verlorene Menschen, die nicht wissen, wo sie hingehören.

Meine Deutsch Hausaufgaben liegen oben so wie die anderen gemachten Hausaufgaben auf meinem Tisch. Erst seit einer halben Stunde sitze ich hier draußen auf der grünen Wiese. Die Sonne strahlt mir warm ins Gesicht und auf die Seiten meines Lieblingsbuches.

Ich telefonierte vorhin kurz mit Olivia. Doch ich habe ihr nichts mehr von Adam erzählt. Wieso auch? Wenn er sich nie wieder meldet, war es unnötig. Und wenn es Schicksal ist, dann sollte keiner außer Adam und mir davon wissen.

Alex werde ich es schon aus Prinzip nicht erzählen. Er macht sich viel zu viele Sorgen um mich, seit Mary nicht mehr da ist. Mein bester Freund ist zwei Monate jünger als ich aber kümmert sich um mich wie ein großer Bruder. Er wird mir nicht erlauben, mich mit einem 24-jährigen zu treffen.

Alex und Olivia haben vieles gemeinsam. Sie sollte ihm sagen, dass sie Gefühle für ihn hat. Und hier liege ich im Gras und frage mich, warum ich Gefühle habe.

Die ganze Zeit höre ich seine Stimme.

Jedes Fenster, dass Dank der Sonne so wie Adams Augen funkelt, erinnern mich an ihn.

Das grüne Gras zwischen meinen Fingern, lässt mich fantasieren, seine weichen, braunen Haare zu streicheln. So zart wie die Wolken, welche auch noch so weiß wie seine Zähne sind.

Die großen Bäume, zu denen ich hinaufschaue, genauso wie zu ihm.

Nur mit ihm weiß ich, wer ich sein will, schreibe ich mit Bleistift unter einen Absatz auf einer Seite.

Ich lege mich ins Gras und Verdecke mit dem Buch in der Luft die Sonne vor meinen Augen.

Meine Augen rennen durch die Zeilen, wenn es spannend ist. Und schwimmen langsam über die einzelnen Buchstaben, wenn es romantisch ist. Ich kenne das Buch. Und je öfter ich es lese, desto mehr verstehe ich die Entscheidungen der Charaktere. Ich schließe das Buch in einem Schlag und lasse es mit meinen Händen auf meinen Bauch fallen.

Ich kann nicht aufhören an ihn zu denken. Vorsichtig schließe ich meine Augen und lasse die Abendsonne meine einzige Gesellschaft sein.

Will ich warten? Warten bis die Wolken bunt werden. Sie werden nicht jeden Abend rosig, aber ich hoffe es für diesen.

Langsam, aber sicher fange ich an zu glühen, die Sonne erhitzt meinen Körper, und Adam meinen Verstand. Ich habe Angst mich hinzugeben. Angst fallen gelassen zu werden.
A

ChérieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt