Vorsichtig lässt er mich auf den Boden ab. „Willst du hierbleiben?“, ich sehe, wie der Schatten einer großen Person die Hände in die Hosentasche packt. „Ich kann allein laufen“, murmele ich und krabbele zur Treppe, um mich irgendwo festzuhalten. Langsam stelle ich mich auf. Doch das Piepen kommt zurück und mein Kopf fühlt sich ganz kalt an. Ohne es kontrollieren zu können verdrehe ich die Augen und merke, wie ich das Gleichgewicht verliere. Ich spüre nur noch, wie ich in zwei warme Arme falle. Meine Beine fliegen und ich spüre, wie ich die Treppe hochgetragen werde. Die Musik wird immer lauter mit jedem Schritt, den er läuft. Ähnlich wie bei dem Kopfhörer verspüre ich auch hier eine enorme Energie. Es fühlt sich an wie Engel, die mich von allen Seiten umarmen und küssen. In dem Moment, in dem ich anfange, den Geruch des Fremden einzuatmen und mich an ihn zu schmiegen um die Wärme, die mir dort draußen gefehlt hat, zu bekommen, ist mir alles egal. Ich schalte ab und höre nichts mehr. Das nächste was ich sehe ist eine Tür die geschickt mit einem Ellenbogen geöffnet wird.
„Ruh dich aus“, höre ich ihn sagen, als er mich auf ein Bett legt. Es ist nicht zu dunkel im Zimmer, da der Mond hereinscheint. Er läuft zum Fenster und macht die Rollläden ganz nach oben und schaut sich danach im Zimmer um. Mein Gehirn fängt erst jetzt an richtig zu arbeiten und wahrscheinlich hätte ich es schon bei dem „Chérie“ und den Engelsumarmungen wissen müssen. Er ist es.
„Wie heißen deine Freunde?“, ich schließe meine Augen.
Ich höre Schritte näherkommen. „Schläfst du oder liegst du im Koma?“, sein leises Lachen ist tief, aber sanft. „Hey“, er streicht mit seiner Handrückenfläche über meine linke Wange, dann legt er sie auf meine Stirn. „Wie heißt du?“
Ich öffne langsam meine Augen. Ich habe gar nicht gemerkt, dass er sich auf den Bettrand gesetzt hat. „Wer bist du?“, bekomme ich nur raus. Seine dunklen Augen funkeln mich im Mondlicht an. „Adam“, lächelt er. Und ich sehe ein Grübchen auf seiner rechten Wange. Adam.
„Hast du zu viel getrunken?“ Ich rolle mit den Augen. „Nein. Mir wurde nur auf einmal schlecht. Was machst du hier?“
„Ich bin ein Freund vom Gastgeber. Wurde dir etwas reingemischt?“, Adams Blick wird ernster.
„Weiß ich nicht“
Seine Augen wandern langsam über meinen ganzen Körper. Mein Atem wird schneller, aber ich will nicht, dass er das sieht. Ich fühle mich nackt und hilflos, jedoch fühlt es sich nicht schlecht an. Im Gegenteil, es gefällt mir, ihm zu gefallen.
„Du hast meine erste Frage nicht beantwortet, Chérie“, seine Augen liegen wieder auf meinen.
„Elena“
„Okay Elena, ich werde deine Freunde suchen. Du solltest am besten nach Hause“
„Nein“, rufe ich verzweifelt. Bei dem Gedanken an meine Mutter würde ich mich am liebsten noch einmal übergeben.
„Willst du runter gehen und weiter feiern?“, er lacht und zeigt hinter sich. „Schönheit, du siehst zwar zu schön aus, um nicht da rauszugehen und zu feiern, aber du solltest wirklich für heue nach Hause“, Adam streicht mir die Haare aus dem Gesicht und legt seine Hand anschließend auf meinen linken Oberschenkel. Als ich diese Hose heute angezogen habe, hätte ich nicht gedacht, dass diese noch von einem Engel berührt wird. In dem Moment geht die Tür auf und das Zimmer wird etwas heller. Ich habe zwei Leute erwartet, die sich hierher zurückziehen wollten. Doch es ist Henry.
„Ella“, mehr sagt er nicht, doch ich weiß was er denkt. Adam sieht viel älter aus als Henry. Natürlich sieht das jetzt komisch aus. „Gehört der zu deinen Freunden?“, höre ich Adam neben mir fragen. Ich wende meinen Blick nicht von Henry ab und nicke. Er hat diesen Blick. Diesen Blick sah ich das letzte Mal auf der Beerdigung meiner Schwester. Es ist Schmerz. Wie ein kleiner allein gelassener Welpe schaut er mich mit seinen blauen Augen an.
„Was machst du mit ihr?“, seine Stimme klingt tief und man hört fast keinen Schmerz heraus.
Adam steht auf. „Ich weiß, wie das jetzt aussieht, aber glaub mir, ich habe dein Mädchen nicht angefasst.“ Naja, reintheoretisch schon. „Ich bin nicht sein Mädchen“, sage ich als ich mich aufsetze.
„Henry hast du getrunken?“, frage ich, während ich an Adam vorbeilaufe und an seinem Arm abstreife.
„Was? Ich soll dich mit dem fahren lassen?“, Henry macht einen energischen Schritt nach vorne doch ich halt ihn an der Schulter.
„Ja, vielen Dank, dass du mich draußen gefunden hast und mich hierhergetragen hast. Aber du bist auf einem Geburtstag. Ich habe auch so schon deine Zeit verschwendet“
„Draußen?“, Henry schaut mich verwirrt an.
„Gib mir dein Handy.“ Als Adam das sagt schaut Henry uns beide mit großen Augen noch verwirrter an. Ich denke nicht länger nach und gebe es ihm. Nach einem kurzen Moment gibt er es mir wieder in die Hand. „Du schreibst mir, dass du heil zu Hause angekommen bist, Chérie“, er lächelt mich an und streift mit seinem Blick ein letztes Mal über mein Gesicht zu meinen verwunderten Augen. Hat er mir gerade etwas befohlen? Als Adam schon im Türrahmen steht dreht er sich ein letztes Mal um. „Ach und Henry, wasch dir noch die Herzen aus den Augen, bevor du meine Chérie in dein Auto setzt“, ich lache stumm was Adam sieht. Schnell werde ich wieder ernst was ihn dann zum Lachen bringt.
„Wollte er was von dir? Hat er dich bedrängt?“, Henry schaut mich an und dann zum Bett. Ich schüttele langsam den Kopf, doch das war eine schlechte Entscheidung. Mein Gehirn explodiert gleich. „Mir wurde etwas reingemischt. Adam hat mich draußen gefunden. Kannst du mich zu dir fahren?“, er starrt mich nur an. Vorhin wollte er doch noch unbedingt bei mir sein. Kann er nur kurz ein Mann sein und das tun um was ich ihn bitte. Sowas passiert nämlich nicht oft.
„Zu mir nach Hause?“
„Haben deine Eltern etwas dagegen? Ich will nicht zu mir“
„Komm“, sagt er nur und nimmt mich bei der Hand. Die Musik ist so laut. Wie konnte ich das vorhin aushalten? Henry versucht mich so schnell wie möglich durch die Menschenmenge zu führen. Doch ich schaffe es trotzdem Adam zu finden. Und er mich auch. Er steht bei Isaac. Wir halten Augenkontakt, bis ich aus dem Haus bin. Er verabschiedet mich mit einem Lächeln.
„Willst du etwas essen? Oder etwas trinken?“, fragt Henry mich als ich mich anschnalle. „Hast du Wasser?“, frage ich. Er nickt und zieht vom hinteren Sitz eine angefangene Wasserflasche. Ich öffne sie und trinke sie mit kleinen Schlucken halb leer. „Können wir fahren? Oder hast du etwas vergessen?“, frage ich, weil er nicht aufhört mich so anzustarren.
„Ja, der Moment, in dem du sagtest, du bräuchtest Zeit. Aber mit einem anderen“
„Henry. Er hat mich da hinten vor dem Haus am Boden gefunden“, erkläre ich leicht genervt und zeige nach draußen auf das Feld. Wieso rechtfertige ich mich eigentlich noch vor ihm?„Hast du schon einmal daran gedacht, dass er dich vielleicht abführen wollte? Was, er war rein zufällig da draußen?“, er hält die Hände fest am Steuer, obwohl wir noch stehen, und schaut mich an.
„Erstens hat er einen Namen. Und zweitens hat Adam mir nichts getan. Er wollte Namen von meinen Freunden wissen, um sie zu rufen und dann bist du reingekommen“
„Und wäre ich nicht reingekommen?“
„Dann hätte er dich, Olivia, Alex oder Celeste geholt“„Verstehst du, dass ich dich gesucht habe? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Und dann finde ich dich mit einem Studenten im Bett“
„Wir haben nichts gemacht, Henry! Du bist eifersüchtig, doch leider hast du nicht das Recht dazu... Ich bin dir keine Erklärung schuldig“, ich beruhige mich, da mein Schädel wieder anfängt zu beben.
„Ich muss schlafen, kannst du mich bitte zu dir nach Hause fahren?“ Henrys Blick streift genervt auf die Straße doch er beruhigt sich auch und fährt los.
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Chérie
RomanceWhat's the difference between the love of your life and your soulmate?