Kapitel 16

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„Hast du vor nach deinem Studium in der Stadt zu bleiben?“

„Ich weiß es noch nicht. Kommt darauf an, was Danes Pläne sind. Wir sollten in der Zukunft wenigstens in derselben Stadt leben “

„Ich will nicht unhöflich sein, aber was ist eure Geschichte? Du sagtest ihr habt euch wiedergefunden. Was ist passiert?“ Adam hält meine Hand immer noch und kreist mit seinem Daumen um meinen. Doch sein Blick wird ein wenig ernster.

„Als ich 10 Jahre alt war, haben meine Eltern mich in ein Kinderheim geschickt. Sie wollten mich nicht mehr. Meine Mutter war noch sehr jung, zu jung. Ich denke nicht, dass sie wirkliche Muttergefühle für mich hatte. Im Kinderheim war ich zuerst ganz allein. Ich wollte auch niemanden bei mir haben. Schon als kleiner Junge war mein Stolz größer als alles andere.“

Ich spüre wie sehr sich mein Herz zusammenzieht und mir schlecht wird, mein Magen dreht sich. Ich hatte keine Ahnung, dass Adams Vergangenheit so schlimm war. Ich erzählte ihm von meiner Mutter, welche mich anscheinend nicht genug liebt, ohne zu wissen, dass Adam von seinen eigenen Eltern weggestoßen wurde

„Die Kinder waren alle merkwürdig und die meisten waren keine Waisenkinder, sondern Kinder wie ich, von jungen Eltern oder Alkoholikern, Junkies… Bis ich eines Tages Dane kennenlernte. Er war jünger als ich und hat immer geweint. Immer wenn ich ihn allein sitzen gesehen habe, hat er leise in sich hineingeweint. Seine Mutter war verstorben. Sein Vater hat ihn immer geschlagen und als die Mutter verstarb, gab sein Vater, der Alkoholiker, Dane die Schuld. Er musste als 9-jähriges Kind allein die Polizei anrufen, weil sein Dad ihn in dieser Nacht wahrscheinlich halb totgeschlagen hätte.“

Man sagt, dass Kinder wie feuchter Zement sind. Was auch immer auf sie fällt, hinterlässt Spuren. Ich denke Menschen lernen nicht nur aus eigenen Fehlern. Kinder zu schlagen oder auch nur psychisch zu misshandeln ist eine Sünde. Dane, welchen ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, verdient so wie jedes Kind auf dieser Welt eine Kindheit ohne Gewalt, Alkohol und Hass. Leider gibt es Menschen, die verletzt werden und anstatt zu heilen, andere noch mehr verletzen.

„Als ich 16 war und Dane 15 wurde er weggeschickt in eine andere Stadt, um eine Ausbildung zu machen. Seine Noten waren ziemlich schlecht und so bekam er wenigstens Geld. Als ich nach meinem Abitur in die Bunderwehr gegangen bin, habe ich Dane wieder getroffen. Ich habe ihm das Fahrradfahren beigebracht und er mir das Lesen. Ich hatte immer Probleme mit Buchstaben und sowas. Dafür war ich in Mathe und Physik ein Naturtalent. Dane leider nicht und egal wie oft ich es ihm erklärt habe, er bleib beim Gedichte Schreiben“ „Dane schreibt?“, frage ich überrascht.

„Ja ich schätze, ich bin umgeben von Poeten“, lacht er und schaut zu mir runter.

„Ich habe verstanden. Dane ist nicht nur wie ein Freund für dich. Er ist dein Bruder“

„Dane ist alles was ich habe. Ich habe das Gefühl, dass er die Familie ist, die mir das Schicksal geschenkt hat und nicht in die ich hinein geboren wurde. Wie du schon sagtest, er ist mein kleiner Bruder.“

„Das ist herzerwärmend. Ein Mensch, der mit dir bis ans Ende der Welt geht und noch weiter“, ich lächle und er tut es mir gleich als er hört, dass ich seine Worte zitiere. Seine Wange zeigt Grübchen als er lächelt und seine Augen leuchten vor Freude.

Euphorie und Lebensfreude steigen in meiner Seele auf. Ich lasse seine Hand los und laufe vor ihm vorbei, um auf seiner anderen Seite zu laufen. Ich greife nach seiner linken Hand und greife mit der anderen um seinen Arm.

„Ach Adam, es war so ein anstrengender Tag und du hast es geschafft ihn zu verbessern. Einfach nur mit deiner Anwesenheit“

„Du bist glücklich?“, fragt er wahrscheinlich noch glücklicher als ich.

ChérieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt