Guten Morgen Lórien

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Am nächsten Morgen stupste Elrond mich sanft in die Wange, sodass ich aufwachte. ,,Alles in Ordnung?" fragte ich ihn. ,,Verum est. Ich wollte fragen, ob Ihr vielleicht Lust auf einen romantischen Morgenspaziergang hättet. Nach dem Frühstück natürlich." Er lächelte freundlich und deutete auf den Tisch.

Ich richtete mich auf und erblickte eine wunderbar angerichtete Tafel. In durchsichtigen, silbrigen Krügen war glasklares Wasser, das schimmerte wie der Tau des Morgens. Auf silbernen Tellern war Obst angerichtet, dass ich vorher noch nie in Form und Farbe erblickt hatte. Und wie immer gab es für jeden eine Scheibe Lembas, das gehörte wohl einfach zum guten Ton dazu.

Ich zog mir etwas an und lief dann mit Elrond zur Tafel. Das schimmernde Wasser vertrieb alle Schrecken der Nacht, sogar noch besser als Aragorns bekannter Frühstückswein. Die köstlichen Früchte und das Lembas versorgten mich mit neuer Stärke, als ob ich eine Woche am Stück geschlafen hätte.

Als wir fertig waren, kletterten wir hinunter und spazierten ein wenig durch den Wald. Dass meine Konversation mit Galadriel kein Traum war, musste ich feststellen, als wir an dem Wasserbecken vorbeikam. ,,Wer macht denn sowas?" rief Elrond entsetzt als er mein Erbrochenes darin sah. Ich zuckte mit den Schultern und sagte lieber nichts dazu, weil er mich sonst mit Fragen löchern würde.

Wie sollte ich ihm also nun mitteilen, dass ich ein Kind von ihm erwartete? Ich hatte noch immer keinen blassen Schimmer, vielleicht würde es sich ja irgendwie von selbst ergeben.

,,Saphir, ich habe nachgedacht." Begann Elrond. ,,Nein, lasst uns noch nicht darüber sprechen" unterbrach ich ihn schnell. ,,Saphir, wir müssen, es bringt nichts es vor uns her zu schieben, außerdem wird es sicherlich befreiend für uns sein. Wir müssen so oder so bald darüber sprechen." Er hatte recht, es musste wirklich endlich gesagt werden. ,,Ich will gehen, das wisst Ihr sicherlich schon, oder? ,,Scio. Et me non ire scis?" Ich nickte. ,,Es tut mir so leid Elrond, ich habe meinem Volk geschworen für es zu kämpfen. Ich habe es auch meinen Freunden geschworen." ,,Eine junge Frau wie Ihr hat nichts auf dem Schlachtfeld zu suchen, bleibt bei mir. Ich kann Euch beschützen" erwiderte Elrond besorgt. ,,Ich brauche niemanden der mich beschützt. Oft wurde versucht mich zu töten, doch ich lebe noch. Von klein auf lehrte man mich das Kämpfen. Ich weiß selbst, wie ich überleben kann" fauchte ich Elrond an. Seine Miene verfinsterte sich. ,,Was ist, wenn Ihr mein Kind in Euch tragt? Wollt Ihr dieses unschuldige Leben etwa auch gefährden?" ,,Es wird alles gut. Ich hab es gesehen, es wird leben" sagte ich schnell und schlug mir auf den Mund.

Jetzt wusste er von dem Leben das in mir wuchs.

,,Könntet Ihr Euch bitte genauer erklären?" fragte Elrond ungeduldig. ,,Ich habe mit Galadriel gesprochen. Denke ich zumindest. Sie zeigte mir einige Momente der Zukunft. Leider zusammenhangslos, sodass ich nichts Genaues sagen kann. Aber ich sah unser Baby und hörte es auch schreien. Es wird leben, egal ob ich gehe oder bleibe, das hat sie mir gesagt." Misstrauisch blickte Elrond mich an und entgegnete: ,,Woher soll ich wissen, ob Ihr das nicht nur sagt, um mich zu überzeugen?" Beschämt schaute ich auf den Boden. ,,Ich habe mich in Galadriels Spiegel übergeben. Weil mir die ganzen Bilder zu schnell und zu viel waren. Aber ich verspreche, dass ich die Wahrheit sage." Das was ich sagte stimmte ja zumindest zum größten Teil. ,,Ich vertraue Euch, pulcherrima mihi. Aber ich kann meine schwangere Frau doch nicht einfach so in die Gefahr schicken. Ich kann Euch aber auch nicht begleiten, Arwen braucht mich. Aragorn wird einige Monate nicht da sein, sie braucht jemanden" sagte er bestimmt. Ich schaute betrübt zu Boden. Wir waren wirklich in keiner leichten Situation. ,,Ich brauche etwas Zeit für mich um nachzudenken. Geht Ihr schon einmal zurück, ich komme bald wieder" meinte er schließlich. Dann drückte er mir einen Kuss auf die Stirn und entfernte sich.

Ich blickte ihm noch lange nach, bis seine Gestalt vollständig von dem Wald verschluckt wurde. Nachdenklich lief ich zurück zu unserem Flet.

Es hätte alles so einfach sein können, wenn doch bloß die letzten zwei Jahrzehnte nicht gewesen wären. Während ich die Leiter hochkletterte ging ich gedanklich die Möglichkeiten Elronds durch. Er würde niemals mitkommen, da war ich mir sicher. Entweder würde er sich mit aller Kraft darum bemühen, dass ich nicht abreiste, oder er würde mich ziehen lassen. Der Gedanke länger von ihm getrennt zu sein schmerzte mich doch sehr.

Ich ließ mich auf das weiche Bett fallen und starrte in die Baumkronen. Wann würde Elrond wohl wiederkommen? Nachdem ich eine Zeitlang nur gestarrt hatte, entschloss ich mich Elronds Buch zu suchen und darin zu lesen. Ich fand es auf der silbernen Bank und blätterte ein wenig.

Mühsam übersetzte ich aus dem Elbischen: ,,Man häufe sie auf glühende Kohlen. Er stürze sie herab in den Abgrund, sie sollen nie wieder aufstehen." Verstört legte ich das Buch wieder zur Seite und stand auf. Irgendwie musste ich mich doch beschäftigen können. Die Warterei auf Elrond bereitete mir nicht sonderlich viel Freude. Ich lief wieder hinunter und setzte mich auf das Bett. Stunden vergingen, ohne dass Elrond wiederkehrte. Würde er mich wirklich nicht fortlassen? Immerhin war ich die Mutter seines ungeborenen Sohnes. Das Wort Mutter versetzte mir eine Gänsehaut. So lange hatten Brynjolf und ich uns ein Kind gewünscht, sogar über einen Vilkas hätte ich mich gefreut. Jetzt war es tatsächlich so, dass in meinem Leib ein kleines Leben wuchs, obwohl ich seit meinem Jugendalter als nicht gebärfähig gegolten hatte. Und der Vater wusste es nicht einmal wirklich zu würdigen. Es verletzte mich, dass Elrond statt mit Freude sofort mit Vorwürfen reagiert hatte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, einen Mann zu heiraten, den ich erst seit wenigen Wochen kannte und über den ich kaum etwas wusste. Ich hatte mich natürlich in ihn verliebt, aber wie man so schön sagte: Nicht alles was glänzt ist Gold.

,,Saphir" riss Elronds Stimme mich aus meinen Gedanken. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er gekommen war. Er setzte sich neben mich auf das Bett und legte eine Hand auf meine Schulter. ,,Ich habe nachgedacht. Wenn es Euch wirklich so wichtig ist, will ich der letzte sein, der Euch aufhält. Ich mache mir bloß Sorgen um mein ungeborenes Kind. Sed non quam hic ages video. Ihr seid fruchtbar, direkt beim ersten Versuch schwanger geworden und wollt das alles riskieren." Ich nickte beschämt und schaute zu Boden. ,,Verum est. Ich sorge mich um unser Kind. Sehr sogar. In Himmelsrand habe ich auch eine Familie. Wir sind nicht blutsverwandt, aber wir sind Schildbrüder und Schwestern. Ich habe geschworen, sie mit meinem Leben zu verteigen. Unser Ungeborenes hat es vielleicht nicht getan, aber noch ist es mein Herz das in meinem Körper schlägt und ich muss nach Himmelsrand. Könnt Ihr das verstehen mein Geliebter?" Elrond legte eine Hand an meine Wange und ich schaute ihm in die Augen. Darin zeichnete sich Sorge, Traurigkeit und Angst ab. Er lächelte leicht und flüsterte: ,,Ich kann Euch verstehen, amata mihi. Sehr gut sogar, ich denke ich werde Euch begleiten und höchstpersönlich darauf aufpassen, dass unserem kleinen nichts passieren wird. Und ich werde Euch einen Schangerschaftstauglichen Harnisch anfertigen lassen. Nichts soll unserem kleinen Wunder geschehen."

Erleichtert küsste ich ihn. Er würde mich also doch begleiten, ich konnte es kaum glauben. Ich fiel ihm um den Hals und murmelte ,,Alles ist möglich dem der da glaubt." ,,Ihr habt die Heilige Schrift also weiter studiert?" fragte Elrond begeistert. ,,Ja" log ich. Den Satz hatte ich doch irgendwann von einer unbekannten Stimme gehört. Hatte also Gott mit mir gesprochen?

Unmögliche Liebe?~Elrond~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt