20. Kapitel

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Mein Wecker klingelt viel zu früh. Murrend drehe ich mich um und tippe solange auf meinem Handybildschirm blind herum, bis er ausgeht. Einen Moment lang halte ich meine Augen noch geschlossen. Ich habe ein bisschen Kopfschmerzen, aber keinen ausgereiften Kater. Nach einer Dusche und einem Kaffee sollte es mir wieder gut gehen. Ganz auf der Höhe bin ich noch nicht, als ich seufze, mich aufsetze und mich strecke. Dann aber fällt mir wieder ein, wieso ich so müde bin; also mehr als sonst, wenn wir mit dem Team im Hattricks waren. Kurz halte ich inne, traue mich dann aber doch, zur Seite zu sehen. „Fuck." murmle ich leise und starre den Mann in meinem Bett an. Er liegt auf dem Bauch und die Decke reicht bis zur Mitte seines Rückens. Kurz überkommt mich der Gedanke, ihn zu berühren, aber ich reiße mich dann doch zusammen und lasse es sein.

Dann dreht er plötzlich seinen Kopf und öffnet seine Augen. Einen Moment lang sieht er mich nur an, ehe er „Guten Morgen" sagt und seine raue Morgenstimme mir einen Schauer über den Rücken jagt. „Hi." antworte ich unbeholfen. „Ich... ähm... gehe mal eben duschen." murmle ich und verschwinde aus dem Bett. Als ich aufstehe merke ich erst, dass ich nackt bin. Kurz denke ich darüber nach, mir meine Boxershorts zu schnappen, aber bis ich die vom Boden aufgehoben und angezogen hätte, bin ich schon aus der Tür raus. Im Badezimmer angekommen atme ich tief durch. Was eine Scheiße. Das hätte nicht passieren dürfen. Wie viel habe ich den getrunken, dass es mich wirklich nicht interessiert hat, was die Folgen aus dieser Nacht sein könnten? Ich gehe den Abend durch und muss feststellen, dass ich ein paar Shots zu viel getrunken haben muss. Dann fällt mir wieder ein, dass ich derjenige war, der Harry geküsst und anschließend in mein Haus geschleift hat.

Ich denke eine Moment darüber nach, einfach so lange unter der Dusche stehen zu bleiben, bis er gegangen ist, aber ich hab nicht mehr wirklich viel Zeit, bis ich los muss, also ist das doch keine Option. Widerwillig steige ich aus der Dusche, schnappe mir mein Handtuch und als ich das Schlafzimmer wieder betrete, ist Harry glücklicherweise nicht mehr da. Schnell ziehe ich mich an und gehe runter in die Küche. Was ist, wenn er schon aus dem Haus ist? Sollte ich mit ihm darüber reden, was geschehen ist? Der Kerl hat keine Ahnung von der NHL und vermutlich weiß er ebenso wenig, welchen Rattenschwanz diese Nacht haben könnte. Oh Gott, bitte nicht. Mir wird eiskalt bei dem Gedanken, dass ich wohl möglich meine Karriere beendet habe, nur weil ich unbedingt wissen wollte, wie der neue Pressemanager im Bett ist. Ganz große Klasse, Tomlinson.

Als ich in der Küche ankomme, sehe ich eben diesen Mann aber am Herd stehen. „Ähm... du machst Frühstück?" stelle ich das offensichtliche fest. Verwundert dreht er sich um. Er trägt nur seine Shorts. „Ich dachte, ich mache Omelette, ich hoffe du hast nichts dagegen." - „Nein, alles gut." schüttle ich schnell den Kopf. „Ich hab Tee ausgesetzt, ich wusste aber nicht welchen du zum Frühstück trinkst, also habe ich den Earl Grey genommen, der war am leersten." meint er dann und erstaunt sehe ich ihn an. „Das trinke ich morgens meistens." nicke ich und hole die Milch aus dem Kühlschrank. „Möchtest du auch Milch in den Tee?" - „Nein danke." schüttelt er den Kopf. „Ich habe mich vom Orangensaft bedient." fügt er hinzu und deutet auf das Glas, das auf dem gedeckten Frühstückstisch steht.

Ein bisschen merkwürdig ist diese Situation schon und ich hadere noch, ob ich ihn darauf ansprechen sollte, oder nicht. Harry verteilt das Omelette auf die Teller und setzt sich. Ich tue es ihm gleich und fange an zu essen. „Du hättest das nicht machen müssen, das weißt du?" Er zuckt mit den Schultern. „Ich hatte Hunger und du musst auch Frühstücken, also wieso nicht?" Ich nicke nur. „Wann musst du los?" fragt er dann. „In etwa einer halben Stunde." antworte ich mit einem Blick auf die Uhr. Ob wohl irgendjemand der Jungs gestern etwas mitbekommen hat? Hoffentlich nicht! „Schmeckt es dir nicht?" möchte Harry plötzlich vorsichtig wissen. „Nein, das Omelette ist gut!" widerspreche ich schnell. „Wie kommst du darauf?" - „Du schaust so... unzufrieden." Ich schüttle den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Keine Sorge." - „Sondern?" - „Mhm?" - „Du meintest gerade, es liegt nicht am Frühstück, woran liegt es dann?" hakt er nach und ich verdrehe die Augen.

Das reicht offenbar als Antwort, denn er lehnt sich zurück und sagt „Es liegt an letzter Nacht." - „Harry..." - „Willst du mir als nächstes jetzt sagen, dass es ein Fehler war und dass du gar nicht auf Typen stehst, sondern der Alkohol das alles Schuld war?" möchte er wissen und schüttelt dann den Kopf. „Das ist es nicht." - „Sondern? Du kannst mir nicht erzählen, dass ich der erste Mann bin, mit dem du Sex hattest, nicht so wie du gestern -" - „Nein, bist du nicht." unterbreche ich ihn und stöhne genervt. „Bist du nicht, zufrieden? Aber ich habe einfach Schiss, okay? Ich habe keine Ahnung, ob einer der Jungs etwas davon mitbekommen hat, geschweige denn, ob es nicht doch irgendwie rauskommen wird. Dann bin ich geliefert und kann meine Ausrüstung im Prinzip so wie sie ist in die Tonne hauen." rege ich mich auf und drücke mit Daumen und Zeigefinger auf meine Nasenwurzel. „Du verstehst das nicht, du bist neu in dieser Branche, aber das darf einfach nicht rauskommen."

Er sieht mich nur an, scheint nicht einmal überrascht zu sein. „Ich hatte mir so etwas in der Art gedacht." meint er schließlich. „Ich bin mir sicher, dass ich nicht mit reingekommen wäre, wenn ich nicht auf getrunken hätte, aber das ist passiert und ich werde mich nicht dafür entschuldigen." - „Das sollst du ja auch nicht." antworte ich schnell. „Ich weiß nur nicht... wenn das jemand rausbekommt, dann..." - „Und wer?" fragt er lächelnd. „Niemand hat irgendetwas mitbekommen, Louis, wirklich nicht. Du hast mich geküsst, als wir hier bei dir waren, wir waren mutterseelenallein auf der Straße und in der Kneipe haben wir zwar geflirtet, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass das jemand mitgekriegt hat, oder? Niemand deiner Kollegen hat auch nur den Hauch einer Ahnung. Für die meisten ist es sowieso kategorisch ausgeschlossen, dass ein Eishockeyspieler auf Typen stehen könnte, also mach dir darüber keine Gedanken." beruhigt er mich.

„Ich werde nichts sagen." meint er dann direkt und erleichtert atme ich auf. „Ich mag dich Louis und ganz abgesehen davon möchte ich diesen Job behalten. Das werde ich nicht, wenn ich in die Welt heraus posaune, dass wir Sex hatten und gleichzeitig würde das bedeuten, dich nicht wiederzusehen." Perplex sehe ich ihn an. „Du willst also..." Amüsiert sieht er mich an. „Möchtest du es auch aussprechen, oder soll ich raten, was du gerade denkst." - „Idiot." antworte ich, schmunzle aber dann. „Ich bereue es nicht, mit dir ins Haus gegangen zu sein." sagt er dann gerade heraus. „Und ich bereue den Sex nicht, denn er war gut." Ich lächle und nicke dann. Oh ja, er war ziemlich gut. „Ich habe keine Ahnung wohin das hier führt, aber wenn es nach mir ginge, könnten wir es einfach ausprobieren, meinst du nicht?"

„So etwas, wie eine Affäre?" frage ich vorsichtshalber. Er zuckt mit den Schultern. „Wenn du es so nennen willst. Für eine Beziehung ist es definitiv zu früh, aber nur Kollegen zu sein, ist mir ehrlich gesagt zu wenig, zumindest, außerhalb der Eishalle." erklärt er und ich brauche einen Moment, um zu verstehen, was hier gerade geschieht. „Also willst du das obwohl ich so tue, als wäre ich ein absolut heterosexueller Sportler?" - „Ein Versuch ist es doch wert; einfach etwas Spaß haben." Ich lächle. „Da wäre ich wohl ziemlich dämlich, diesen Vorschlag abzulehnen, oder?" - „Vermutlich." schmunzelt er und mustert mich wissentlich auffällig. „Aber du versprichst, dass wir geschäftlich ganz normale Kollegen sind?" betone ich erneut. „Ja, Louis. In der Halle werde ich deinen Arsch nicht ansehen." meint er provokant und ich schüttle lachend den Kopf. „Besser ist es, schließlich bist du da, um zu arbeiten."

Ich räume die Küche auf, als Harry ebenfalls kurz unter die Dusche springt. „Ich fahre eigentlich immer mit dem Rad zum Trainingscenter." fällt mir dann ein, aber er winkt ab. „Ich muss sowieso noch kurz nach Hause, mich umziehen und meine Sachen für die Arbeit holen. Vor dem Spiel wirst du mich nicht wiedersehen, weil ich ins Büro muss." erklärt er. „Dann bist du heute Abend da?" - „Klar. Auf Social-Media soll schließlich live übertragen werden, was geschieht." meint er nickend und sieht kurz auf dein Handy. „Ich will keinen Stress machen, aber wir sollten los." stellt er fest. Als ich mein Rad aufschließe, bleibt er noch kurz stehen. Morgen ist ein freier Tag. Du könntest nach dem Spiel mit zu mir." - „Hast du es schon wieder so nötig? Haben dir die drei Runden letzte Nacht nicht gereicht?" frage ich amüsiert. Er lächelt scheinheilig. „Du meintest doch vor ein paar Stunden noch, du würdest mich am liebsten richtig vögeln, aber wenn du nach dem Spiel lieber nach Hause willst, kann ich das natürlich auch verstehen." meint er trocken, verabschiedet sich und lässt mich dort perplex stehen.

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Louis hat es mehr oder weniger nicht bereut? Zumindest will er nicht so tun, als wäre es nie passiert, das ist doch gut oder? Mein ihr, es hat wirklich niemand mitbekommen?

Love, L 

LightningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt