66. Kapitel

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Immer wieder sehe ich kurz zu Harry. Der Mann ist wirklich mein Freund. Nur meiner. Wirklich realisiert habe ich das, glaube ich zumindest, immer noch nicht, aber er hatte recht. Es ist schöner, einen geheimen Freund zu haben, als eine geheime Affäre und es ist auch schöner, sich nicht nur zum Vögeln zu treffen, sondern auch zum Abendessen oder Film schauen.

Beim Spiel, gebe ich alles. Abgesehen davon, dass ich das erste Spiel des Jahres ist, hat Harry mir einen Grund mehr gegeben, mich doppelt anzustrengen. Und verdammt, ich will wieder in die zweite Reihe. Es vergehen nicht einmal zehn Minuten, bis Miller das erste Mal kämpft. Natürlich legt die Mannschaft von Montréal es darauf an, aber er gewinnt mit wenigen, sauberen Schlägen. Es gibt eine Zeitstrafe für beide, aber das war vorher klar. Grinsend fährt Miller zur Box auf der anderen Seite. Mehr oder weniger 90 Sekunden später springe ich über die Bande. Es ist so viel besser mit Zayn in einer Reihe zu spielen, als mit Gibson. Es hilft nichts, wir sind immer noch Team. Und erstaunlicherweise funktioniert es ab dem ersten Moment sehr gut. Sehr seht gut. Wir stehen nicht einmal eine Minute auf dem Eis, da feuere ich den Puck mit einem Slapshot im Tor. Eins zu Null.

„Das war wirklich gut.", grinst Kenny und klopft mir auf den Helm. „Ihr solltet mich wieder in die zweite Reihe holen.", antworte ich und Kenny sieht zu Drew und Warren. „Gut. Beim nächsten Spiel tauscht du mit Duckie." – „Bitte was?", fragt dieser Entrüstet. „Das wäre die erste Reihe.", murmle ich ungläubig. „Sehr richtig. Aber dafür musst du auch was tun.", meint Drew. „Ich werde in die vierte zurückgestuft?", fragt Duckie wütend. „Was soll der Scheiß? So gut ist Tomlinson wirklich nicht!" – „Ich bin der Trainer, nicht du.", antwortet Warren. „Und außerdem hat er sich seit Beginn der Saison extrem gesteigert. Du nicht." – „Sei froh, dass du noch dabei bist.", meint Drew dann. „Die Transferperiode ist noch nicht vorbei." – „Ihr habt sie doch nicht mehr alle.", murmelt er, aber sowohl Kenny, als auch Drew haben es genau gehört. Mein Blick schwenkt automatisch zu Harry, der lächelt, aber dann schnell wieder aufs Spiel sieht und seiner Arbeit nachgeht.

Grinsend schnappe ich mir wenig später den Puck von einem Spieler der Montréals und fahre aufs Tor zu. Eine saubere Vorlage später, steht es zwei zu eins. Das eine Tor, dass wir kassiert haben, mindert meine Laune nicht wirklich und in der Pause habe ich das Bedürfnis, mir die Belohnung für Tor Nummer eins abzuholen, aber das muss noch warten. Zählen Vorlagen auch? Das hätten wir vorher abklären müssen. Kenny bringt uns zum drei zu eins. Kurz danach holt Montréal auf. Drei zu zwei. Das letzte Drittel hat begonnen, es zieht sich. Dann wird der Goalie unserer Gegenspieler gegen ihren Topscorer eingetauscht. Ich grinse. Das muss klappen. Nur wenige Sekunden später gleitet der Puck, nicht einmal unglaublich schnell, auf das leere Tor zu. Zwei der Canadiens versuchen, ihn zu erwischen, aber zu spät; der war über der Linie. Vier zu zwei. Zwei Tore durch mich, besser hätte es nicht laufen können.

„So geil!", freut Kenny sich und klopft mir auf dem Helm, als das Spiel gewonnen ist und wir zur Kabine laufen. Warren nickt zufrieden, Duckie hingegen sieht ganz und gar nicht glücklich aus. Es ist nicht so, als hätte er schlecht gespielt, aber ich war eindeutig besser, auch in den letzten Spielen schon. Ein wenig Schadenfreude verspüre ich schon, sollte ich nicht, aber ich kann es nicht verhindern. Scheiße, wenn er jetzt wüsste, dass ich schwul bin, würde ihn das nur noch wütender machen. Grinsend lasse ich mich auf die Bank fallen und klaue mir einen der Schokoriegel aus der Schale, die hier noch von der Pause steht. „Erste Reihe?", frage ich Drew noch einmal und er nickt. „Auf jeden Fall, du warst sehr gut heute.", bestätigt er. „Zieht euch um, ich will ins Hotel an die Bar.", meint er und verlässt den Raum.

Ich will eigentlich nicht mehr zur Bar, aber dann sitze ich ja doch mit den Jungs dort. Als die erste Runde Drinks kommt, setzt sich Harry plötzlich dazu. Wollte er nicht oben warten? Er sieht mich an und sein Blick beantwortet die Frage. Er war oben und hat gewartet. Verdammt. Mein Handy vibriert plötzlich.

LightningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt