86. Kapitel

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Für einen Moment halte ich inne, bewege mich einfach gar nicht, ehe ich Noah sanft, aber bestimmt von mir drücke. „Was sollte das?", frage ich überfordert. „Ich dachte du bist verheiratet?" – „Rick und ich führen eine offene Beziehung, habe ich dir das nicht erzählt?" Verwundert sieht er mich an. „Nein, hast du nicht." Ich schüttle den Kopf. „Dann weißt du es jetzt.", grinst er und küsst mich noch einmal.

Der Kuss dauert eine, vielleicht zwei Sekunden und erwidere nicht. Was passiert hier gerade? Ich entziehe mich dem Kuss, sobald ich es verstehe, aber bevor ich etwas sagen kann, sieht Noah nach links. Ich folge seinem Blick und meine Augen werden groß. Zayn steht in der Tür und blickt uns verstört an. Dann wird er nach draußen geschoben. Liam. Ich schlucke und drücke Noah von mir weg. „Das ist nicht wonach es aussieht!", sage ich als erstes und merke, wie ich mit jeder Sekunde panischer werde. „Du bist eine Schwuchtel?", fragt Liam entgeistert und ich schüttle instinktiv den Kopf. „Nein, bin ich nicht!" – „Ihr habt euch geküsst.", merkt Zayn an und mustert mich.

„Wer hat sich geküsst?", fragt nun noch jemand und da sehe ich Harry, der an Liam vorbei nach draußen geht. „Louis ist ein verdammter Schwanzlutscher.", zischt Liam. „Er hat Mr. Whitten gerade die Zunge in den Hals gesteckt." – „Ich habe nicht -" – „Wir sind doch nicht blind.", unterbricht Zayn mich und mir wird eiskalt. Ich fange an zu zittern und gleichzeitig zu schwitzen. „Jungs, das war nichts, ich stehe nicht auf Kerle, ehrlich nicht. Ihr kennt mich doch." Ich versuche die Situation mit einem gespielten Lachen aufzulockern, aber es bringt gar nichts. „Tut mir leid, Boo." – „Nicht hilfreich!", fauche ich Noah an und er nickt stumm. Dann sehe ich wieder Harry an. Er atmet zittern aus und schluckt dann. Noch sagt er nichts, ich sehe ihm an, dass er gerade dabei ist, die richtigen Worte zu finden.

Ian und Ellie kommen aus der Bar. „Wir hauen ab, bis dann – Ist alles okay?", fragt er irritiert. Die angespannte Stimmung ist praktisch greifbar. „Alles gut.", sage ich schnell, aber im gleichen Moment setzt Liam zur Antwort an. „Louis hat -" – „Es ist alles in Ordnung.", unterbricht Harry ihn und lächelt kurz. Es erreicht seine Augen nicht. Mein Herz zieht sich zusammen. Verdammt, Harry denkt, Noah und ich hätten uns geküsst. Ich sehe zu meinem Exfreund. Er hat mich geküsst, zwei mal. Ich zittere immer noch und meine Gedanken sind vollkommen durcheinander. Fuck, was mache ich jetzt nur?

„Alles klar.", meint Ian nur. „Dann frage ich nicht weiter." Zayn möchte gerade etwas sagen, als Harry ihm es erneut verhindert. „Euch noch einen schönen Abend." Ein Uber kommt angefahren und das Paar steigt ein. „Scheiße, Louis, von dir hätte ich das echt nicht gedacht.", meint Liam danach trocken und ich schüttle wieder den Kopf. „Nein, so ist das nicht! Ich -" – „Das erklärt aber, wieso du noch nie eine Freundin hattest. Und wieso du ständig mit ihm geflirtet hast.", fällt Zayn mir uns Wort. Plötzlich stöhnt Harry genervt. „Hast du ihn geküsst?" – „Was?" – „Hast du Noah geküsst.", will er wissen. „Nein, habe ich nicht.", antworte ich wahrheitsgemäß. Langsam aber sicherwird mir schwindelig. Ich stütze mich mit einer Hand an der Backsteinmauer ab. Noah will mir helfen, aber ich halte ihn auf. „Fass mich nicht an!" – „Louis, es tut mir leid, ich wusste doch nicht -" – „Lass gut sein."

Ich traue mich kaum, zu Zayn und Liam zu sehen, geschweige denn zu Harry. „Louis, es ist alles gut." – „Nichts ist gut!" – „Also stimmt es doch.", schlussfolgert Liam. Oh Gott, das muss ein böser Traum sein. Das darf nicht passieren. Meine Atmung wird flacher und hektischer. Ich kann nichts dagegen machen. „Louis, beruhige dich." – „Hast du etwa irgendetwas nicht mitgekriegt?!", frage ich aufgebraucht und fahre mir überfordert durch die Haare.

„Fuck.", murmle ich und schüttle den Kopf. „Das darf alles nicht wahr sein." – „Die beiden werden nichts verraten.", meint Harry auf einmal und perplex und irritiert sehe ich ihn an. „Wie kannst du so etwas sagen?" Ich wage es nicht, meine Teamkollegen anzusehen. Ich weiß, was mich erwarten wird und mir kommt der Gedanke, dass es heute wohl das letzte NHL-Spiel meiner Karriere war. Diese ist nämlich vorbei. Schluss. Kein Eishockey mehr für mich. Nie wieder.

„Du willst, das wir nicht sagen?", fragt Liam ihn. „Du willst, das wir so tun, als wüssten wir von nichts?" – „Allerdings.", antwortet er ohne mit der Wimper zu zucken. Mir wird schlecht. Nein, kotzübel. Das Schwindelgefühl wird schlimmer. „Oh verdammt, ich glaube, er kotzt gleich.", höre ich Zayn sagen. „Dann geh und hilf ihm.", bestimmt Harry. „Noah, du holst ein Wasser." Der Mann neben mir nickt nur stumm und verschwindet in die Kneipe. „Hast du ihn geküsst?", fragt Harry mich noch einmal. „Was denkst du bitte?", entgegne ich. „Natürlich nicht!" Ich ehe zu Zayn und Liam. „Louis, wir haben es doch gesehen.", wiederholt er. „Du kannst ihnen vertrauen. Sie sagen nichts. Aber sag mir, ob du ihn geküsst hast.", wiederholt Harry. „Das denkst du also?", frage ich leise und merke erst einen Moment später, wie das für außenstehende wirken muss. Oh nein.

Mein Magen dreht sich um und mein Gleichgewichtssinn verabschiedet sich komplett. Ich schaffe es gerade noch so zum Mülleimer am Straßenrand, ehe ich das Gefühl habe, zu ersticken, als ich mich übergebe. Plötzlich merke ich, dass mir jemand die Haare zurück streicht und eine Hand auf den Rücken legt. „Du musst versuchen ruhig zu atmen, Louis." Es ist Harry. Ich übergebe mich erneut, bevor ich mich aufrichten kann und wieder zur Wand gehe, um mich anzulehnen.

„Ich wollte es nie machen.", beginnt Harry dann. Was wollte er nie machen? „Aber vielleicht ist es ganz gut, dass ich mir gerade ziemlich sicher bin, dass ihr beide dicht halten werdet, oder?" – „Wieso sollten wir das tun?", fragt Zayn perplex. „Scheiße, der Kerl ist dein Schwanzlutscher!", sagt Liam, sieht zu mir und ich schlucke. Es tut unfassbar weh diese Worte von einem Freund zu hören. Zayn aber seufzt nur. „Gut, ich sage nichts." – „Was?" Ich kann nicht ganz glauben, was ich gerade höre. „Ich werde nichts sagen." – „Meinst du das Ernst?" Er nickt. „Du bist ein guter Spieler. Und ein Freund." Ich nicke erleichtert und sehe zu Liam. Er mustert mich kurz und sieht dann zur Seite. „Liam?", frage ich leise, bin mir aber absolut nicht sicher, ob ich seine Antwort hören möchte.

„Ich glaube du vergisst da etwas ganz entscheidendes.", sagt Harry auf einmal. „Ich könnte es natürlich auch Aussprechen, aber das willst du sicher nicht, oder Liam?" – „Das kann nicht dein Ernst sein." – „Ist es aber. Also?" Zayn spannt sich an und sieht zu Liam, dann zu Harry. „Ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht verraten werde." – „Das weiß ich.", antwortet Harry nur trocken. „Worum geht es bitte?" – „Verdammte Scheiße.", murmelt Liam und sieht zu mir, ehe er Harry ansieht. „Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich durchziehen willst." – „Werde ich aber." – „Das ist mir klar.", entgegnet er missmutig. „Worum geht es hier bitte?", will ich erneut wissen. „Schön, ich halte dicht.", lenkt Liam ein, ohne auf meine Frage zu reagieren. „Das heißt, du brauchst keine Angst zu haben, dass dich jemand outet. Du bleibst Spieler der NHL.", sagt Harry dann. „Was, ehrlich? Ihr sagt beide nichts?" – „Das wäre ganz schön dämlich, oder nicht?", fragt mein Freund scheinheilig und Zayn drückt Zeigefinger und Daumen gegen seine Nasenwurzel. „Du bist schwul?" Ich schweige. „Louis, stehst du auf Männer? Also so richtig?", widerholt er die Frage. Ich weiß noch wie vor nicht, ob ich dem Braten trauen kann, also schweige ich. „Du hast es doch gesehen.", meint Liam nur und verdreht die Augen.

Zayn sieht Liam einen Moment an, dann seufzt er und meint, „Ich sage es ihm." – „Du willst was tun?!" – „Es ihm sagen. Es ist nur fair." – „Das kann nicht dein Ernst sein." Wovon sprechen die beiden? Fragen sehe ihn Zayn an. „Das kannst du nicht machen!" Klingt Liam gerade panisch? Oder bilde ich mir das ein? Ich schließe kurz die Augen und versuche den widerlichen Geschmack in meinem Mund zu ignorieren. Ich möchte zu Harry.

Er steht nur wenige Meter von mir entfernt, aber ich kann nicht zu ihm gehen. Oh Gott, er muss mich hassen. Meine Augen brennen, als ich realisiere, dass ich jemand anderen geküsst habe. „Louis?", fragt Zayn irritiert. „Heulst du etwa?" – „Scheiße.", murmle ich nur und sehe mich um. „Er muss nach Hause.", stellt Liam trocken fest. „Rufen wir ihm einen Uber?"

Plötzlich steht Noah neben mir und drückt mit ein Glas Wasser in die Hand. „Soll ich dich nach Hause bringen?", fragt er besorgt, aber ich schüttle so gut es eben geht den Kopf. „Du hast genug angerichtet." – „Es tut mir doch leid. Ich konnte doch nicht ahnen, dass Liam und Zayn -" Ich höre ihm nicht zu. Ich sehe nur zu Harry. Er soll mich nach Hause bringen. Ich will das er bei mir bleibt. „Bitte.", murmle ich leise, erkenne aber, dass er mich trotzdem verstanden hat. „Es tut mir leid."

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Die beiden wollen dicht halten, weil Harry ein Druckmittel hat, glaubt ihr ihnen? Was haltet ihr davon? Was denkt ihr, glaubt Harry gerade? Und wird er Louis helfen und nach Hause bringen?

Love, L 

LightningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt