29. Kapitel

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Den einen freien Tag, den wir nach den drei Spielen in New York bekommen haben, hätte man ruhig auf zwei ausweiten können. Die anderen beiden Tage hintereinander haben wir fast ausschließlich Kraft- und Ausdauertraining. Nachmittags stehen wir aus dem Eis, festigen die Spielzüge, die wir alle sowieso schon in und Auswendig kennen und zwischendurch geht's zur Physiostunde und zur Massage, zu der ich tatsächlich zwei mal gehen kann. Donnerstag steigen wir in den nächsten Flieger. Es geht nach New York; nicht die Stadt, sondern der Staat. Das nächste Spiel ist gegen die Buffalo Sabres, also geht es an die Kanadische Grenze. Freitag sehen wir sie dort, am Samstag empfangen wir das Team bei uns. Wahrscheinlich fliegen die beiden Teams sogar zusammen von Buffalo zurück nach Tampa. Harry konnte in dieser Woche nur einmal sehen; viel zu wenig.

Aber beschweren will ich mich auch nicht, denn der eine Abend war verdammt gut. Im Flugzeug schiele ich immer wieder kurz zu ihm. Er arbeitet schon wieder. Dann dreht er sich plötzlich um und sieht mich direkt an. Schnell sehe ich weg. Wie konnte er das merken? „Alles okay?" fragt Zayn mich plötzlich. „Mhm, was?" - „Du bist kirschrot im Gesicht." meint er nur. „Nein, es ist nichts." antworte ich schulterzuckend und versuche mein Herz zu beruhigen. Wie soll das nur gut gehen, wenn mein Körper schon so reagiert, wenn er mich nur ansieht? Scheiße, das muss ich dringend in den Griff bekommen. „Wenn du meinst." meint Zayn daraufhin nur und ich bin froh, dass er nicht weiter nachfragt. Das bräuchte ich jetzt noch.

Ich sehe zu ihm und Liam. Der Goalie hat sich an ihn gelehnt und schläft. „So sahst du letztens auch aus." meine ich amüsiert. „Was?" fragt Zayn irritiert und sieht zu Liam. Ihm rutscht die Fließdecke dabei von den Schultern und Zayn zieht sie wieder nach oben. „Auf dem Flug zum ersten Spiel. Du hast in der Mitte gesessen, so wie jetzt." erzähle ich schulterzuckend. „Und da hast du dich an Liam gelehnt so wie er jetzt." Zayn sieht mich stumm an, blickt dann wieder zu Liam. „Hat er mir gar nicht erzählt." meint er leise. „Wieso auch." antworte ich amüsiert. Es ist ja auch nicht wirklich wichtig, oder?

„Weißt du eigentlich, ob es stimmt, dass er eine neue Freundin hat?" frage ich dann spontan. Wenn einer aus dem Team das weiß, dann ist es Zayn. „Äh... ne." - „Du weißt es nicht?" frage ich verwirrt. „Nein, also doch, er hat keine neue Freundin." erklärt er schnell. „Er ist einfach im Moment ein bisschen durch den Wind, das hat doch jeder mal." winkt er ab. Glaubwürdig wirkt das zwar nicht, aber ich hake auch nicht weiter nach. Liam wird schon seine Gründe haben, wenn er etwas nicht erzählen will. Oder vielleicht kennen wir sie ja und deswegen will er es nicht sagen?

„Hast du eigentlich das mit Harry mitbekommen?" fragt Zayn mich dann und mir wird augenblicklich eiskalt. „Ähm... was denn? Vielleicht, keine Ahnung." antworte ich nervös und sehe zu dem Pressemanager. „Gibson meinte, er hätte da so etwas gehört." - „Aha?" - „Naja angeblich hat irgendjemand mitbekommen, dass der Typ wohl schwul ist." Mit großen Augen sehe ich Zayn an. „Bitte was?" Ich versuche irgendein Zeichen zu finden, dass Zayn mich gerade verarscht, aber er scheint es wirklich ernst zu meinen. „Keine Ahnung, woher Gibson das weiß, aber glaubst du das stimmt?" - „Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?" frage ich nur und und sehe wieder kurz zu Harry. Ich weiß, ich hab ihm gesagt, er soll sich nicht verstecken, aber dass es so schnell rauskommt, habe ich dann doch nicht erwartet.

Ich versuche ruhig zu bleiben, normal zu atmen und die dutzenden Gedanken zu ordnen, die meinen Kopf gerade fluten.

„Ey, Mike!" Zayn hat sich umgedreht und sieht über die Sitze drüber in die Hintere Reihe. „Mhm?" Unser Kollege nimmt sich die Kopfhörer aus den Ohren. „Woher weißt du das? Also das mit Styles." fragt er und Gibson antwortet, „Oh, Duckie meinte das." Das kommt von Jon? Jon Ducks, den wir alle eigentlich nur Duckie nennen, sitzt neben Gibson und nickt. „Ich war letztens kurz in der Geschäftsstelle und da war Mitch mit Harry auf dem Flur, er hilft ihm wohl noch ab und zu, keine Ahnung. Jedenfalls hat Mitch ihn gefragt, wie es ihm so geht und wie er sich in Tampa eingelebt hat, bla bla bla. Dann aber wollte er wissen, ob er inzwischen eigentlich mal wieder jemanden kennengelernt hätte, weil es doch schon so lange her gewesen ist, dass er einen Freund gehabt hat. Also festen Freund." erklärt er und mir dreht sich der Magen um. Musste das wirklich jetzt schon passieren?

„Dann ist der Typ ein Schwanzlutscher." stellt Zayn trocken fest und sieht wieder zu Harry. „Mhm. Scheint so. Kein Wunder, dass er unbedingt diesen Job wollte." meint Gibson trocken. „Was meinst du?" frage ich, ohne darüber nachzudenken. „Louis, er bekommt Geld dafür, dass er den lieben langen Tag Fotos und Videos von Sportlern macht." meint Duckie dann auch. „Oh." Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. „Meint ihr, Johnson weiß das?" fragt Zayn dann, aber beide schütteln sofort den Kopf. „Mit Sicherheit nicht, sonst wäre er doch schon längst gefeuert. Wir brauchen doch keinen Pressemanager, der nur unsere Ärsche filmt." lacht er und Gibson schlägt ein. Am liebsten würde ich ja jetzt antworten, dass die Ärsche der beiden absolut nicht ansehnlich sind, aber ich verkneife es mir ja doch. Damit würde ich mir nur ins eigene Knie schießen. Also bleibe ich stumm. Vorerst zumindest. „Scheiße, wie gut, dass wir schon aus der Dusche waren, als er letztens mit Bier überschüttet worden ist." lacht Zayn dann.

„Fuck, du warst doch noch da, Louis." erinnert Mike sich dann aber. „Er... hat nichts gemacht oder so." meine ich nur. „Ich wette, er hat sich vorgestellt, wie es wohl ist, einen Sportler zu vögeln." meint Duckie abwertend und verzieht sein Gesicht zu einem angeekelten Ausdruck. „Wenn er schon keiner werden konnte, weil er sich lieber in den Arsch ficken lässt, als richtig zu arbeiten." lacht Gibson daraufhin und Zayn steigt ein. Ich lächle nur, würde den beiden am liebsten kräftig in die Fresse schlagen, aber meine dann doch nur. „Solange er seinen Job gut macht." - „Ich will aber nicht von ihm begafft werden!" zischt Gibson. Du glaubst doch nicht, dass ein Mann wie Harry dich wirklich so ansehen würde, oder?

„Sollten wir ihn drauf ansprechen?" frage ich dann zögerlich. „Wieso denn das?" Zayn sieht mich irritiert an. „Wir wissen es, das ist schlimm genug." - „Einfach aus Höflichkeit." Duckie lacht. „Was ist denn jetzt mit dir los, Tommo. Wenn er sich in der Öffentlichkeit darüber unterhält muss er damit rechnen, dass es jemand mitkriegt. Und außerdem ist er den Job sowieso bald los, wenn der Vorstand das mitbekommt. Wir können nicht zulassen, dass die Öffentlichkeit davon Wind bekommt, sonst sind wir bald nicht mehr Tampa Bay Lightning, sonder Tampa Gay Lightning." Mike und Zayn fangen an zu lachen, ich grinse nur belustigt, aber meine Laune wird mit jeder Sekunde schlechter.

Harry bekommt von dieser Unterhaltung zum Glück nichts mit. Ich bin ganz froh, dass er nicht hört, wie meine Teamkollegen über ihn herziehen. Ich schlucke und sehe auf mein Handy. Der Flug dauert noch eine ganze Weile. Ich wende mich wieder nach vorne, nehme mir meine Kopfhörer und beschließe, dass ich mir die Scheiße, die die drei gerade reden, mir nicht länger geben kann. Früher oder später würde ich sonst einen von ihnen Schlagen und das wäre wohl das Sahnehäubchen; von meinem dann implizierten Outing abgesehen. Den ganzen Flug lang wird der Drang, zu Harry zu gehen und bei ihm zu sein, größer. Verdammt, das ist nur eine Affäre und das bleibt es auch, also hör auf dich anders zu benehmen, Tomlinson!

Harry hat sich doch tatsächlich eine Mütze Schlaf gegönnt. Er ist süß, wenn er schläft. Ich erwische mich dabei, mich zu fragen, ob wir diese Nacht wohl zusammen verbringen werden. Ich würde es gerne aber jetzt, wo es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis alle wissen, dass Harry nicht hetero ist, ist es nicht wirklich klug, gesehen zu werden, wie ich Abend in sein Zimmer husche. Ich riskiere meine Karriere nicht, das habe ich ganz am Anfang festgelegt und dass weiß Harry auch. Ich werde warten müssen, bis wir in zwei Tagen wieder in Tampa sind. Nach dem Spiel kommt er zu mir oder ich gehe zu ihm, das werden wir sehen.

Er wird das verstehen, wieso sollte er nicht. Ich schließe die Augen und versuche zur Ruhe zu kommen, aber das klappt nur bedingt. Meine Gedanken geben keine Ruhe. Nicht einmal schreiben kann ich ihm gerade, weil Zayn neben mir sitzt. Es hat mir schon immer etwas ausgemacht, wenn homophobe Sprüche gefallen sind, aber ich habe mich an die sogenannten Witze gewöhnt; das gerade war anders. Ich bin stinksauer geworden. Lästereien sind eine Sache, die gibt es in der NHL mehr, als es den Anschein macht, aber dabei muss man nicht abwertend und beleidigend werden, aber das kann ich leider auch nicht laut sagen; nicht in so einer Situation. 

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Das ist eine ziemlich miese Situation für Louis. Denkt ihr, er hat richtig gehandelt oder hätte er etwas sagen sollen? 

Love, L 

LightningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt