36. Kapitel

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Ich sehe Harry bis zum nächsten Spiel nicht. Er arbeitet fast die ganze Zeit und den einen Tag, an dem er frei hat, klappt es mir nicht. Zu gerne würde ich wissen, ob der Vorstand bereits etwas zu Harrys Idee gesagt hat, von der ich leider immer noch nicht weiß, worum sie geht. Als ich in die Kabine komme, ist es erstaunlich still. „Was ist denn hier los?" frage ich irritiert. Das war heute Morgen noch ganz anders. Zayn sieht zu Ian, der auf der Bank sitzt, die Ellenbogen auf die Knie gestützt hat und aussieht, als hätte man ihm gesagt, dass er aus der Mannschaft geflogen ist. Ist er das? Ich bezweifle es eigentlich, denn er Junge ist wirklich gut, aber so wie er da gerade hockt...

„Kannst du heute spielen?" fragt Kenny ihn dann und schnell nickt er. „Ja, ich werde spielen.", stellt er direkt klar. „Ich kann das." – „Und du bist sicher, dass du nicht einfach sagen willst, was du hast?" fragt Duckie und ich bin sicher, dass es nicht das erste Mal ist, dass einer der Jungs ihn das heute fragt. „Fang' nicht auch noch an, wie Louis." Fügt Gibson hinzu und verdreht die Augen. Ich werfe ihm einen genervten Blick zu. Natürlich musste dieser Spruch jetzt sein. „Es geht um Ellie, okay?" sagt er dann aber doch und fährt sich durch die Haare. „Ich dachte, es läuft so gut zwischen euch?" fragt Liam verwundert und schließt seinen Spint. „Lief es auch, ich dachte sie ist perfekt, aber-" Er bricht ab. „Ich kann es euch nicht sagen, sorry." – „Ich sag' doch, er fängt an, wie Tomlinson.", merkt Gibson trocken.

„Ich kann es euch nicht sagen, weil ich nicht weiß, ob sie das in Ordnung fände und ich möchte es deswegen erst machen, wenn ich mit ihr gesprochen habe.", erklärt Ian sichtlich aufgebracht. „Du musst echt mal damit aufhören ständig so dumme Sprüche von dir zu geben." – „Und das soll ich mir von einem Rookie sagen lassen? Du bist ein Teenager, Ian.", antwortet Gibson arrogant. „Und er spielt im Moment besser als du.", verteidige ich ihn unüberlegt. Duckie sieht mich überrascht an und dann merke ich, dass der Rest des Teams mich nun auch anblickt. Ian lächelt kurz und nickt dankend. „Das muss ich mir von dir nicht sagen lassen, Louis. Wir wissen doch alle, dass es wahrscheinlicher ist, dass du wieder runter gestuft wirst, als dass du in die erste Reihe kommst.", erwidert Gibson amüsiert.

Mein Blick schnellt zu Kenny, aber dieser schüttelt nur den Kopf. Von ihm haben sie es nicht? Von wem denn bitte dann? Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. „Louis, es war offensichtlich.", wirft Liam nach ein paar Augenblicken ein. „Ein wunderbares Team seid ihr, ehrlich." Meine Stimme trieft vor Sarkasmus. „Wenn du nicht mit der Sprache rausrückst, dann -", ich unterbreche Kenny sofort. „Hat irgendeiner von euch vielleicht schon daran gedacht, dass ich einen Grund habe, es euch nicht zu sagen? Dass es vielleicht ausnahmsweise mal etwas Privates ist?!" rege ich mich auf und schließe kurz die Augen. Ich hätte das nicht sagen sollen, das war dumm. Seit Jahren funktioniert das Spiel doch schon; ich tue so als würde ich auf Frauen stehen, sie geil finden und als wäre es vollkommen normal, mich jeden Tag zu verstellen. Das darf jetzt nicht einfach aufhören. Ich habe dieses Spiel perfektioniert und gerade stelle ich mich an, als wäre es etwas völlig Neues. Fuck. Ich habe die ganze Zeit sagen können, es ist nichts und dass sie sich das nur einbilden, aber jetzt?

„Gut, wir werden nicht weiter nachfragen." Bestimmend sieht Kenny durch die Runde. „Unter der Bedingung, dass deine Leistung nicht abfällt." Ich nicke stumm und fange dann endlich an, mich umzuziehen. Meine Gedanken kreisen um die letzten Minuten. Ich bin so dämlich. Wieso habe ich Gibson und Duckie nicht einfach ignoriert? Das mache ich doch sonst auch so. Meine Laune könnte deutlich besser sein, als wir das Eis betreten, um uns noch einmal kurz aufzuwärmen. Erst als ich wieder auf die Bank zulaufe merke ich, dass Harry dort nicht steht. Verwirrt sehe ich mich um. „Kommt Harry heute nicht?" frage ich Drew irritiert. Er schüttelt den Kopf. „Nein, er ist seit ein paar Tagen in New York." – „Wieso das denn?" – „Es gibt eine Konferenz bei TAA, bei der er anwesend sein muss." Mehr kann er mir nicht sagen, denn das Spiel geht los. Meine Aufmerksamkeit gilt aber nicht alleine dem Geschehen vor mir. Harry ist in New York? Was macht er bitte dort und wieso hat er mir das nicht gesagt?

Dann werde ich heute Abend wohl keinen Sex haben. Und das, obwohl wir inzwischen nach jedem Spiel vögeln; bei ihm, bei mir, im Hotel, es ist total egal. Ob einer der anderen etwas davon weiß, dass Harry in New York ist? Ich kann sie nicht fragen. Nach meinem Aussetzer vorhin kann ich es nicht riskieren. Ihm wird es schon gut gehen. Und sicher hat er auch einen Grund, warum er es nicht erzählt hat. Ich seufze leise. Er muss es mir doch auch überhaupt nicht erzählen. Wir vögeln nur, was interessiert es mich also, wo er ist? Dann habe ich eben heute Abend kein Sex, davon geht die Welt auch nicht unter. Fast verpasse ich, pünktlich aufs Eis zu springen, aber sieht es. Das brauche ich heute noch. Angespannt kämpfe ich mich mit meiner Reihe nach oben. Ich muss endlich mal wieder ein verdammtes Tor schießen; ein gutes Tor! Es kann doch nicht sein, dass meine Leistung innerhalb so weniger Wochen so stark abfällt! Das ist alles Harrys Schuld. Seitdem er da ist, fokussiere ich mich nicht mehr nur noch aufs Spiel. Er bringt mich dazu, mich vor ihm zu outen, mit ihm zu ficken und mich vor der Mannschaft komplett zum Affen zu machen. Ich werde wütend. Das sollte bei einem Spiel nicht geschehen, aber ich kann es nicht verhindern und mit einem starken, impulsiven Slapshot feuere ich den Puck zum Tor. Nein, ich feure ihn hinein. Direkt ins Netz der Rangers.

Duckie kommt zu mir, klopft mir auf den Helm. Am liebsten würde ich ihn von mir Stoßen. Bei der Bank macht Kenny das Gleiche. „Das war sehr gut, Louis.", meint er und ich weiß, dass er damit eigentlich nur sagt, dass es dringend nötig war. Ich nicke nur, lasse mich fallen und greife nach meiner Wasserflasche. Es ist gerade mal das erste Drittel gespielt und ich bin jetzt schon völlig fertig. Meine Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt, aber wenn das bewirkt, dass ich wieder Tore schieße, meinetwegen. Vielleicht ist es ja sogar ganz gut, dass Harry heute nicht hier ist. Es besteht gar nicht erst die Gefahr, dass er mich ablenkt!

Die Rangers können einem leidtun. Ich weiß nicht, was heute los ist, aber kurz nach Beginn des zweiten Drittels schießt Kenny ein Tor. Ihr Trainer wechselt den Torwart als es drei zu null steht. Dann wird es für uns schwieriger, aber man kann einfach nicht behaupten, dass die Rangers heute gut sind. Mir spielt es in die Karten, dass sie heute so lausig sind. Ian hingegen steht völlig neben sich. Drew seufzt und schüttelt den Kopf und als wir in der zweiten Pause in der Kabine sind, ergreift Warren das Wort. „Ian, das geht so nicht." – „Ich werde es schaffen Coach, versprochen!" – „Ein Versprechen bringt uns keine Tore. Du bist raus für heute.", legt er fest und ändert die Reihen kurz ab. Es sind nur minimale Änderungen, mich betrifft es nicht. Ian sieht ihn entgeistert an. „Nein, ich spiele weiter!" Drew schüttelt den Kopf. „Nein, heute nicht mehr." – „Aber das Spiel läuft doch gut!" widerspricht er. „Aber nicht wegen dir!" stellt Warren klar und kurz sehe ich zu Kenny. „Genau deswegen sollte er weiterspielen.", wirft Liam in diesem Moment ein. „Wir werden nicht verlieren und selbst wenn Ian etwas schlechter ist als sonst, dann ist das kein Weltuntergang. Er ist bei jedem Spiel bisher wirklich gut gewesen." Warren sieht kurz zu Drew. „Ergibt schon Sinn." Wieder sieht er zu Ian. „Reiß dich zusammen." Ian nickt sofort.

Ich sehe zu Ian. Er atmet zitternd aus und kurz glaube ich, dass es vielleicht doch besser ist, wenn er nicht mehr mitspielt. Aber dann müsste ich meine Position auch abgeben; ich bin mindestens genauso abgelenkt wie er, nur bei ihm fällt es stärker auf. Ich sage nichts dazu. Ich halte mich zurück und bin froh, als die Pause endlich um ist. Nicht einmal Harry habe ich geschrieben; es hätte jemand mitbekommen können. Und weil wir nur eine Affäre haben. Wir sind nicht verheiratet und es geht mich nichts an, wo er ist. Es ist nicht mein Problem, dass er nach New York gerufen wurde.

Wir gewinnen das Spiel. Ian verlässt als erster das Eis. Alle anderen haben gute Laune, feiern den Sieg und ich versuche mich diesem Gefühl anzuschließen; es ist schwieriger als erhofft. Es ist lächerlich, wie sehr ich versuche hetero zu sein. Aber ich weiß, dass ich es weiter machen werde. Deswegen verkneife ich mir auch, Harry anzurufen, als ich Zuhause bin. 

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Wieso Harry wohl in New York ist? Und was könnte mit Ian los sein?

Love, L 

LightningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt