76. Kapitel

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Zwei Auswärtsspiele später ist es soweit. Das Heimspiel, bei dem wir die Regenbogen-Trikots tragen müssen, steht an. Wir spielen gegen die Bosten Bruins. Die Kampagne ist vor drei Tagen angelaufen und bisher habe ich nur wenig davon mitbekommen. Im Team wird das Thema tot geschwiegen und ich habe weder Harry, noch Noah seitdem wirklich gesehen. Als ich zur Halle komme, sind die beiden die ersten, die ich sehe. Harry hat einige der Fanartikel in der Hand. „Guten Morgen." Ich stelle mich zu ihnen. „Hey, Lou. Gut geschlafen?", fragt Noah motiviert und gut gelaunt. 

„Zu wenig.", antworte ich lächelnd. „Du?" – „Fast gar nicht. Ich hab die ganze Nacht mit Harry gearbeitet. Mein Blick wandert zu meinem Freund, der just in dem Moment gähnen muss. „Wie läuft die Kampagne?", frage ich dann. „Sehr gut.", grinst Harry. „Es wurden fast alle Trikots schon gekauft und ich denke eine ganze Menge Fans werden sie heute beim Spiel tragen. Auch die Pucks sind schon so gut wie ausverkauft. Es wird noch ein Give-Away geben.", erklärt er. „Das... äh... ist toll.", erwidere ich zögerlich und Noah seufzt. „Mach dir nicht so viele Gedanken, die Kampagne läuft bisher wirklich perfekt.", beruhigt er mich und legt eine Hand auf meine Schulter. „Mhm."

Harry mustert uns, sagt aber nichts. „Du bist heute hier, oder?", frage ich Noah dann spontan. Er nickt. „Selbstverständlich!" – „Musst du nicht langsam zum Team?", fragt Harry dann und irritiert sehe ich ihn an. „Äh, sicher." Dann gehe ich durch die Flure. Einige sind schon da und haben mit dem Aufwärmtraining angefangen. „Guten Morgen.", sage ich in die Runde und reihe mich ein. „Heute müssen wir diese Regenbogenscheiße tragen.", murmelt Liam und joggt neben mir weiter. „Mhm. Ich hab Noah und Harry schon gesehen gerade. Es läuft wohl tatsächlich gut.", erzähle ich und Liam stöhnt genervt. 

„Scheiße, am Ende verliere ich die Wette gegen Duckie und Gibson noch." – „Du hast vier Tage gesagt, oder?" – „Mhm, ja. Aber ich denke nicht, dass es wirklich gut ankommen wird, wenn wir heute wie Clowns auf dem Eis stehen.", antwortet er und ich seufze. „Ich bezweifle das auch." – „Das tut jeder hier." Er sieht sich um. „Außer Ian. Aus welchem Grund auch immer." – „Naivität.", antworte ich nur. Ian ist noch nicht lange dabei, ein Rookie; der Frischling. Er wird heute lernen, wie die NHL wirklich tickt.

Wenig später sehe ich, dass Harry und Noah an der Seite stehen. Wir machen eine kurze Pause und Harry winkt Kenny zu sich. „Trainiert mal bitte weiter.", meint Noah dann. Kenny stellt sich so, dass wir im Hintergrund zu sehen sind. Ich höre nicht, was er sagt, aber als Harry ihm nacheinander verschiedene Fanartikel in die Hand drückt und Noah gleichzeitig ein Video aufnimmt, ist mir schnell klar, dass es wohl das Give-Away ist, das gerade gedreht wird. „Wie gut, dass wir da nicht stehen.", meint Duckie zu Gibson und sie lachen. 

Ich verdrehe die Augen und trainiere weiter, bis das Video abgedreht ist. Dann können wir wirklich eine Pause machen. Ich schnappe mir mein Handtuch und wische mit übers Gesicht, ehe ich mich zu Zayn setze. „Gegen die Bruins wird es heute nicht einfach.", meint er und ich nicke. „Wir schaffen das schon." – „Wäre auch scheiße, wenn nicht.", brummt er. „Es ist das Spiel mit den schwulen Trikots und wir verlieren: dann ist doch klar, was die Zuschauer denken." Scheiße, so habe ich das noch gar nicht gesehen. „Deswegen werden wir gewinnen.", antworte ich und bemerke nicht, dass Noah zu uns gekommen ist. Er hält uns beiden je eine volle Wasserflasche hin.

„Danke." – „Ich weiß, dass die meisten hier nichts von der Kampagne halten.", beginnt er und setzt sich zu uns. „Aber es kommt bisher wirklich sehr gut an. Auch viele der anderen Mannschaften haben sich schon dazu geäußert und stehen hinter uns." – „Bullshit.", murmelt Zayn. „Die müssen das sagen, aber jeder weiß, dass das nicht stimmt.", antworte ich und schraube die Wasserflasche wieder zu. „Ihr seid zu pessimistisch.", antwortet er und Zayn seufzt genervt. „Sie sind naiv und gutgläubig.", erwidert er trocken. „Vielleicht ist das in New York außerhalb der Sportwelt anders, aber in der NHL gelten einige unausgesprochene Regeln und Sie brechen diese gerade, das wird nicht klappen, auch wenn es jetzt so aussieht." – „Ich glaube an die Kampagne.", antwortet Noah nur schulterzuckend und sieht kurz zu mir. Ich sage nichts, auch wenn er das ganz offensichtlich hofft.

Vor dem Spiel haben wir etwas Zeit und ich gehe zu Harry. Wir treffen uns bei der Loge. Alle anderen denken, ich telefoniere mit meiner Familie. Ich klopfe und Harry öffnet mir die Tür. „Hey, Love." – „Hi.", lächelt er und tritt zur Seite. Er hat mir geschrieben, dass ich hierkommen soll, wieso genau, weiß ich nicht. Er schließt die Tür, zieht mich zu sich heran und küsst mich. Mit geschlossenen Augen erwidere ich den Kuss nur zu gerne und streiche mit einer Hand durch seine Haare.

„Sehen wir uns heute Abend?", fragt er dann und zieht mich aufs Sofa. Ehe ich mich versehe, sitze ich auf seinem Schoß und er spielt mit meinen Fingern. „Gerne.", lächle ich. „Du dir oder zu mir?" Er schmunzelt. „Willst du mich etwa anmachen?" – „Den Spruch habe ich von dir.", erinnere ich ihn. „Zu dir.", antwortet er dann und küsst mich noch einmal. „Ich kann nicht allzu lange weg bleiben.", entschuldige ich mich. „Ich weiß." Er küsst mich noch einmal und streicht mit seinen Fingerspitzen über meinen Rücken. Ich erschaudere. „Harry..." – „Louis.", antwortet er grinsend und wiederholt es. Es ist nicht direkt erregend, es ist einfach angenehm. „Was hat Noah vorhin zu dir uns Zayn gesagt?", fragt er dann auf einmal und verwundert sehe ich ihn an. „Nichts Besonderes, nur dass die Kampagne gut läuft. Zayn glaubt das nicht so wirklich." – „Und du?", fragt er und entschuldigend sehe ich ihn an. Das ist Antwort genug.

„Bitte vertrau mir, Lou.", sagt er, versucht nicht allzu enttäuscht auszusehen, aber das klappt nicht wirklich gut. „Love -" – „Schon gut, Louis.", er schiebt mich vorsichtig, aber bestimmt von sich herunter, sodass ich nun neben ihm setze. „Ich weiß doch, wie du dazu stehst." – „Es tut mir leid." – „Tut es nicht." Er schüttelt den Kopf. „Und das finde ich auch nicht schlimm, aber -" – „Aber?", frage ich, als er stockt und nicht weiterspricht. Harry schließt die Augen, stützt sich mit den Ellenbogen auf deinen Knien ab und drückt Daumen und Zeigefinger gegen seine Nasenwurzel. „Scheiße, vergiss es einfach." – „Ist das dein Ernst jetzt?" – „Ja, Louis. Vergiss es wieder." – „Garantiert nicht. Was hast du?" Harry schluckt und zuckt mit den Schultern. 

„Ich verstehe es nur nicht so ganz." – „Was meinst du?", verwirrt sehe ich ihn an. Er steht auf und geht einige Schritte umher. „Mit Noah kannst du reden, er darf sich zu dir und Zayn setzen und mit ihm kannst du lachen. Mit mir nicht. Noah ist schwul. Er ist genauso wenig hetero wie ich oder du, aber bei ihm hast du keine Angst, dass jemand den Gedanken bekommen könnte, du wärst nicht hetero!", er wird lauter und fährt sich mit beiden Händen durch die Haare. „Verdammt, dachtest du ich weiß nicht, dass ihr essen wart? In einem öffentlichen Restaurant?" – „Er hat es dir erzählt?", schlussfolgere ich, aber er antwortet auf die Frage nicht. „Scheiße, wieso kannst du mit ihm so umgehen und mit mir nicht? Wo ist der Unterschied? Ich meine, sogar Sex hattest du mit ihm und mir!" Ich sehe zur Seite durch das große Fenster. Der Innenraum der Arena ist noch vollkommen leer. Wahrscheinlich laufen ein paar Techniker dort unten herum, aber ich sehe niemanden.

„Love, das ist doch etwas anderes -" – „Wieso ist das denn etwas anderes? Wo ist der verdammte Unterschied?!", möchte er wissen und ich stehe auf. „Harry, bitte!" – „Was?" – „Ich gehe mit Noah um, wie man mit alten Freunden umgeht, nicht anders!", stelle ich klar. „Du musst doch wegen ihm nicht eifersüchtig sein!" Harry schnaubt. „Ja, ich seh's. Erst versetzt du mich wegen ihm, mit ihm kannst du aus gehen und dann das. Heute Morgen. Vorhin beim Training. Ich dürfe dich niemals so anfassen oder ansehen, du würdest sofort abhauen." – „Würde ich nicht." – „Verarsch jemand anderen." – „Harry!" – „Was?! Es ist doch so!" – „Verdammt, Noah ist verheiratet. Er hat einen Mann!", jetzt werde auch ich lauter. „Verdammt, Harold!" – „Das ist immer noch nicht mein Name.", antwortet er augenrollend.

Ich trete ein paar Schritte auf ihn zu. „Ich will dich. Nicht ihn." – „Du flirtest mit ihm.", antwortet er. „Was? Nein!" – „Mhm. Ihr hattet praktisch ein Date." – „Love, ich flirte mit niemanden, nur mit dir. Und das war definitiv kein Date. Mein erstes Date wirst du sein.", verspreche ich ihm und er sieht zur Seite, lässt aber zu, dass ich meine Hände auf seine Wangen lege und sie zu seinem Hals leiten lasse. „Ich will nichts von ihm. Versprochen." Ich sehe ihm an, dass er etwas sagen möchte, aber mit sich selbst hadert, ob er es wirklich tun wird. Fragend sehe ich ihn an und er stöhnt genervt. „Scheiße, ich will doch nur, dass du mich so behandelst, wie ihn, wenn das Team dabei ist!" Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, als ich die Verzweiflung in seiner Stimme höre. 

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Das lief wohl nicht so gut. Stimmt ihr Harry zu? Könnt ihr Louis' Sicht verstehen? Was haltet ihr von der ganzen Situation? 

Love, L 

LightningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt