30. Kapitel

4.4K 458 146
                                    

Ich hadere den ganzen Tag mit mir selbst, ob ich es Harry sagen soll, oder nicht. Ich weiß nicht, ob die anderen sich wirklich trauen, ihn direkt darauf anzusprechen; wenn sie es tun, sollte er es wissen, aber wenn es in einiger Zeit wieder vergessen ist, läuft alles weiter wie bisher. Vor dem Spiel sehe ich Harry nicht; also nicht alleine, nicht so, dass ich mit ihm sprechen könnte. Und dabei bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich das überhaupt will. Das lenkt mich ab und das ist ganz und gar nicht gut. Ich bin nur froh darum, dass niemand etwas bemerkt und dass das Thema nicht noch einmal aufkommt. Stattdessen spricht Ian in der Umkleide von einer jungen Frau, die er kürzlich kennengelernt hat.

„Sie ist der Wahnsinn, das glaubt ihr gar nicht! Sie studiert seit zwei Jahren und eigentlich wollte sie auch überhaupt nicht mit mir ausgehen, aber jetzt sind wir verabredet, wenn wir wieder in Tampa sind." grinst er. „Bist du jetzt etwa schon verliebt? Ich dachte, du hast sie erst einmal gesehen?" fragt Kenny amüsiert. „Es heißt doch immer, der erste Eindruck zählt. Mein erster Eindruck ist, dass ich sie wiedersehen möchte." stellt er klar und sieht auf sein Handy. „Und sie hat gerade geschrieben, dass sie uns viel Glück wünscht." fügt er gut gelaunt hinzu.

„Wo hast du sie denn kennengelernt?" fragt Liam dann interessiert. „Oh, ich war mit Freunden letztens in einer Kneipe und da arbeitet sie neben dem Studium. Sie ist Kellnerin." erzählt er weiter. „Ich hab ein bisschen was getrunken und sie dann gefragt, ob ich ihr meine Nummer geben darf. Ich weiß nicht, wie oft sie das schon gehört hat, aber ich wollte es versuchen. Irgendwie habe ich sie davon überzeugen können, mir auf ihre Nummer zu geben, ich weiß auch nicht so ganz wie." lacht er und antwortet ihr dann anscheinend kurz auf die Nachricht. „Und seitdem schreibt ihr." schlussfolgert Zayn und Ian nickt. „Genau. Habt ihr eine Idee, was wir machen könnten? Also irgendetwas, was sie beeindrucken könnte?" - „Nicht in eine Kneipe oder Bar gehen." sagt Gibson direkt und Ian verdreht die Augen. „Ach was, Sherlock." - „Weißt du denn, was sie mag?" frage ich daraufhin.

„Ähm... sie studiert die meiste Zeit und arbeitet halt. Ich weiß, dass sie im Sommer gerne mit Freunden draußen ist, aber es ist nicht Sommer." - „Frag' sie doch einfach mal, was sie in ihrer Freizeit sonst so macht." schlägt Zayn vor. „Besser du fragst sie einfach, als dass du dir irgendetwas ausdenkst, was sie am Ende gar nicht mag." Das leuchtet ein. Wieso weiß ich eigentlich nicht, was Harry so in seiner Freizeit gerne macht? Hat er überhaupt richtig Freizeit? „Louis?" - „Mhm?" ertappt sehe ich auf. Zayn mustert mich skeptisch. „Was ist im Moment nur mit dir los?" - „Was soll denn sein?" frage ich so entspannt wie möglich. Ich bin nicht entspannt und das merkt er leider; und der Rest des Teams sieht mich jetzt auch an. „Du bist so ruhig in letzter Zeit." antwortet Zayn mir. „Was? Nein, mir geht es gut." winke ich ab, aber da meldet sich Kenny zu Wort. „Das ist mir tatsächlich auch schon aufgefallen. Wenn irgendetwas ist, kannst du es uns sagen, das weißt du oder?" Ich nicke stumm. „Sicher, dass alles in Ordnung ist?" fragt Liam dann auch und ich verdrehe genervt die Augen. „Könnt ihr mal bitte aufhören mich so zu bemuttern?"

„Alter, entspann dich." entgegnet Mike Gibson, aber ich schnaube nur und schüttle den Kopf. „Ich bin entspannt." Lüge. „Tommo -" - „Lass gut sein, Liam." unterbreche ich ihn direkt und er blickt mich erstaunt an. Schnell wende ich mich ab und ziehe mich zügig weiter um. Liam hat schon längst mitbekommen, dass etwas anders ist; und wenn nicht, dann weiß er es jetzt. Schöne Scheiße. „Louis, warte mal eben." bittet Kenny mich dann, als wir umgezogen sind und eigentlich zum Aufwärmen aufs Eis gehen wollen. „Was ist denn?" frage ich möglichst neutral. Unsere Kollegen gehen alle schon vor. Sie wissen, dass Kenny sie indirekt dazu aufgefordert hat.

„Irgendetwas stimmt hier nicht." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. „Was soll denn sein? Ich möchte aufs Eis." erwidere ich lediglich. „Verarsch mich nicht." Er ist nicht mehr so gut gelaunt, wie vorhin noch. „Ich will, dass mein Team in Top Form ist und zu 100 Prozent konzentriert." stellt er klar. „Ich das bin ich; beides." antworte ich selbstsicher und mit starker Stimme. „Ich habe kein Problem, Kenny, ich spiele so gut wie noch nie und nur weil ich zwischendurch etwas ruhiger bin, bedeutet das nicht, dass ich Probleme am Arsch kleben habe. Vielleicht bin ich auch einfach nicht mehr so vorlaut, wie früher. Wir werden alle älter." erkläre ich so ruhig wie möglich. Gleichzeitig werde ich aber wieder wütend. Nicht nur auf Gibson, Duckie und Zayn; ich werde wütend auf das ganze Team, weil ich die ganze Zeit schon daran denke, wie oft ich mir homophobe und sexistische Sprüche anhöre und so tue, als würde ich es lustig finden. Das ist tatsächlich die Sache, die ich an diesem Job absolut nicht ab kann.

„Wenn du heute nicht konzentriert bist, werde ich die Möglichkeit auf die erste Reihe erst einmal wieder zur Seite schieben." Meine Augen werden groß. „Bitte was? Ist das jetzt dein Ernst?" - „Das ist mein Ernst Louis, denn offenbar merkst du nicht, was wir alle hier sehen; du bist ständig mit deinen Gedanken wo anders, fokussierst dich nicht aufs Training und schließt dich selbst aus dem Team aus. So funktioniert das nicht und das weißt du ganz genau. Ich erwarte nicht, dass du so wirst wie früher, wenn du selbst sagst, dass du so nicht mehr bist, aber als dein Teamcaptain erwarte ich, dass du alles gibst und wir wissen beide, dass du das im Moment nicht tust. Ich weiß nicht, was dich so ablenkt und offenbar willst du nicht darüber sprechen, aber dann bekomm' das in den Griff."

Ich antworte nicht; ich wüsste nicht was. Kenny ist fast immer gut gelaunt und bis man so eine Ansprache von ihm zu hören bekommt, dauert es eine Weile. Ich habe es wohl tatsächlich zu sehr ausgereizt. „Dass das Team eine Familie ist brauche ich dir nicht zu sagen, aber ich kann dich auch nicht zwischen, den Mund aufzumachen. Dann sei aber verdammt nochmal ein Mann und hör auf dich zu verkriechen!" Ich schlucke und versuche nicht auf den letzten Satz zu reagieren. Sei ein Mann. Ich hasse es, dass nicht einfach gesagt wird, reiß dich zusammen. Nein, dafür muss man ein Mann sein, am besten noch jede Woche eine andere Frau abschleppen und dann damit prahlen.

„Wir sollten zu den anderen. Und wie gesagt, du musst alles geben, wenn du es in die erste Reihe schaffen möchtest, denn alle anderen im Team wollen genau das gleiche." erinnert er mich erneut. Als wüsste ich das nicht. Ich nicke nur, verkneife mir jegliches Konter und marschiere durch den Flur zur Eisfläche. Zayn kommt zu mir, als ich das Eis betrete. „Alles in Ordnung?" - „Hab eine Ansprache bekommen." mehr muss ich nicht sagen, dass Zayn weiß, dass Kenny wirklich angepisst ist. „Und du willst weiterhin nichts sagen." - „Mir geht es gut." antworte ich nur und Zayn schüttelt verständnislos den Kopf. Ach, soll er doch denken, was er will. Ich weiß schon, warum ich nichts sage und es geht mir gehörig gegen den Strich, dass man das nicht einfach akzeptieren kann. Ich fahre an der Bande bei der Spielerbank vorbei und sehe Harry. Er blickt mich an und lächelt kurz, aber ich erwidere es nicht. Ich das Spiel muss gut werden, ich habe zu viel schon ausgereizt.

Meine Spielweise heute ist offensiv, fast schon aggressiv, aber der Ehrgeiz hat mich gepackt. Ich muss deutlich machen, dass ich aus guten Grund hier bin und ebenso aus gutem Grund für die erste Reihe in Frage komme. Kenny erzielt ein Tor. Dann liegen wir plötzlich zwei zu eins zurück. Wir gleichen aus, aber ich schieße die Scheibe nicht ins Netz, doch immerhin habe ich vorlegt. Als wüsste ich nicht, dass das nicht reicht. Ich bin nicht umsonst auf der Position des Flügelstürmers. Innerlich fluche ich, als ich wieder aufs Eis springe. Ein Tor fällt. Ich habe wieder nur vorgelegt. Eigentlich ist es egal, wer das Tor macht, solange es für unser Team ist, aber es ärgert mich ja trotzdem.

Ich weiß genau, dass Kenny mich beobachtet und ich bin mir sicher, Drew und Johnson tun es ebenfalls. Also beiße ich die Zähne zusammen, kämpfe mich durch und... lege wieder nur vor. Es steht vier zu zwei. Ich sollte bessere Laune haben, aber das lässt sich nicht so einfach umstellen.

Wir gewinnen, aber ich habe kein Tor geschossen. Genervt verlasse ich das Eis, dusche und ziehe mich um. Kenny spricht mich zum Glück nicht darauf an und auch sonst greift niemand meiner Teamkollegen das Thema von vorhin wieder auf. Als wir schließlich wieder im Bus zum Hotel sitzen, bekomme ich von Harry eine neue Nachricht.

Harry: Du siehst unglücklich aus. Wir haben doch gewonnen, ist alles okay?

Me: Ich bin nur müde.

Harry: Ich weiß, wie wir das ändern könnten. Ganz zufällig, habe ich das Zimmer neben deinem.

Me: Heute nicht.

Harry: Ähm... okay? Sollte ich mir Sorgen machen?

Me: Ich will heute Abend einfach nicht mit dir vögeln, so unrealistisch?

-- -- -- -- --

Könnt ihr Louis verstehen? Und denkt ihr, das Team wird locker lassen, oder haken die weiter nach? 

Love, L 

LightningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt