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𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒅𝒆𝒓 𝒁𝒖𝒇𝒂𝒍𝒍 𝒆𝒓𝒏𝒆𝒖𝒕 𝒛𝒖𝒔𝒄𝒉𝒍𝒂̈𝒈𝒕 ...
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Ich hatte Degenhardt so gut es ging auf dem Polterabend gemieden und war dann für meine Verhältnisse viel zu früh davon abgeschwirrt. Jedoch nicht ohne ein paar weitere Details, die ich über meinen Dozenten aufschnappen konnte. Er war erst sechsundzwanzig Jahre alt und wohnte in Ingolstadt. Zudem hatte Degenhardt scheinbar keine Freundin, weil er zu beschäftigt war, um Zeit für eine Beziehung zu haben. Mehr gab Andi von sich aus nicht preis und ich wollte auch nicht auffällig nachhaken. Wie kam das denn sonst rüber, wenn ich haufenweise Fragen über Joshua gestellt hätte? Andi kannte mich zu gut und hätte den Braten auf jeden Fall gerochen.

Wahrscheinlich wusste mein bester Freund nicht einmal, dass Joshua — nein, Degenhardt — an der Eichstätter Universität tätig war. Sonst hätte er es sicher irgendwann beiläufig erwähnt. Allein schon deswegen, weil ich selbst dort studierte. Deshalb vermutete ich, Degenhardt hatte gegenüber den Schönebergers auch kein Sterbenswörtchen darüber verloren, dass er an dieser Hochschule dozierte und ich sein Seminar besuchte.

Das sollte auch so bleiben. Zumindest wollte ich nicht, dass Andi davon erfuhr. Am besten sollte das niemand wissen.

Man betrachte die ganzheitliche Situation mal realistisch ... Wie groß konnten Zufälle sein? Da pampte ich berechtigterweise einen Unbekannten in der Tankstelle an, der sich schließlich als mein Kunstgeschichts-Dozent entpuppte. Derselbe Kerl war dann ausgerechnet auf dem Polterabend meines Fast-Bruders, fing mich auf, während ich mich selbst vergaß und trug mich anschließend durch das Haus. Als wäre das nicht genug, war eben dieser auch noch der Halbbruder der Braut.

Ich konnte das alles nicht ganz begreifen, weil es derart absurd klang, wenn man es sich vorstellte. Aber es entsprach der Realität. Könnt ihr das auch so schwer glauben?

Erschwerend hinzu kam dann allerdings noch das Ganze, was die Ohnmachtssache betraf. Das musste ich auf jeden Fall wieder aus meinem Gedankengut entfernen. Ich durfte keine Erinnerungen zulassen. Sie hatten nämlich die Kraft, mich zu zerstören. Ob mein zwanzigjähriges Ich genauso stark sein konnte, wie es das mit zehn gewesen war, wusste ich nicht. Verdrängen, Überspielen, Vergessen — so lautete demnach die Devise.

Auch wenn ich es ungern zugab, aber Degenhardt war in gewisser Hinsicht dafür eine ziemlich gute Ablenkung. An ihn zu denken, war zwar mehr als unvernünftig, aber ausgesprochen effektiv. Ich stürzte mich sozusagen von einem Gedankenkarussell in das nächste. Dementsprechend hatte ich das Wochenende über äußerst miserabel geschlafen.

Nach den Geschehnissen am Samstagabend hatte ich keinen Plan, wie ich ihm neutral gegenübertreten konnte. Für eine Sekunde spielte ich mit dem Gedanken, einfach den Kurs sausen zu lassen. Aber das ging natürlich nicht. Schließlich hatte ich schon vorbildlich den Stoff für das heutige Seminar durchgeackert. Irgendwie würde ich diese neunzig Minuten schon über mich ergehen lassen.

Nachdem ich mich frisch gemacht und passende Kleidung gefunden hatte, schwang ich mich auf mein klappriges Fahrrad und düste zur Uni. Es war 7:45 Uhr und in fünfzehn Minuten würde ich mich mit Anna in der Cafete treffen. Mein Koffeinspiegel musste nämlich weiter hochgeschraubt werden, sonst konnte ich den heutigen Tag definitiv nicht überstehen.

Dort angekommen, sah ich mich kurz um. Da ich Anna nicht entdecken konnte, entschloss ich mich dafür, uns schon einmal Kaffee zu holen. Ich war dermaßen müde, dass es mir wirklich schwerfiel, nicht sofort im Gehen einzuschlafen. Kraftlos öffnete ich die Tür, bog um die Ecke und krachte prompt in jemanden hinein. Einige Notizen flogen umher, was mir die Sicht raubte und ich hörte kurz ein Plätschern. Aufgrund des Schrecks und der Müdigkeit war ich durch den Zusammenstoß etwas in die Knie gesunken. Wie gesagt, ich brauchte ganz dringend einen Koffeinschub.

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