𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒅𝒖 𝑩𝒂𝒖𝒔𝒕𝒆𝒍𝒍𝒆𝒏 𝒖𝒎𝒇𝒂̈𝒉𝒓𝒔𝒕 ...
━━ ♡ ━━Mein Borstenpinsel fuhr über die Leinwand und hinterließ eine von vielen gelben Spuren, die sich von rechts oben nach links unten durchschlängelten. Ich drehte ihn immer wieder, sodass die Linie mal dünner, mal dicker verlief, während er sich durch ein Meer an blauen und orangen Farben einen Weg bahnte. Dann tauchte ich wieder in die Farbe, setzte dieses Mal im unteren Bereich an und ließ mich treiben. Beobachtete lediglich, was meine Spur gerade kreuzte, ehe ich fortfuhr.
Wie ich es liebte, dem Ganzen seinen Lauf und mich dabei überraschen zu lassen, was am Ende entstehen würde. Das machte für mich den Reiz beim Malen aus. Etwas Unerwartetes und Einzigartiges aus meinen Gefühlen heraus schaffen.
Und falls mir irgendetwas nicht mehr gefiel, konnte ich ja wieder übermalen.
Wäre es in meinem Leben nur auch so einfach. Den Dingen seinen Lauf lassen. Und wenn etwas nicht so klappte, wie ich es wollte, dann einfach überspielen. Als wäre es nie passiert. Lange Zeit hatte ich das gemacht. Oder eher versucht. Ich hatte diesen allesverändernden Moment aus meinem Gedächtnis und Leben verbannen wollen, sodass er niemals wiederkehren sollte. Ich hatte ihn weggesperrt, um ihn zu vergessen. Ich hatte alles getan, damit ich mich nicht mehr daran erinnern musste.
Als hätte man eine Leinwand radikal mit weißem Lack überzogen. Was sich darunter verbarg, konnte man nicht mehr erkennen. Es nicht mehr abrufen. Denn es war nicht mehr da. Bis es einen Schlag machte, der Lack aufgebrochen wurde und den Untergrund wieder freigab. Man versuchte die Schwachstelle zu reparieren, aber es ging nicht. Das, was durch den Schaden freigelegt worden war, hatte Erinnerungen geweckt und plötzlich war da wieder ein Teil des Bildes präsent.
Die Oberfläche bröckelte immer weiter. Nichts ließ sich mehr verstecken. Und plötzlich war man wieder mit dem gesamten Chaos konfrontiert, das man versucht hatte, zu vergessen. Alles sah beschissen aus. Die ganzen Baustellen auf der Leinwand, mit der man so sehr gekämpft hatte, waren wieder da und sie verschwanden nicht von alleine.
Was also tun? Erneut übermalen und vergessen und von Neuem anfangen? Hoffen, dass niemals wieder ein Riss entstehen konnte, der Vergangenes offenbaren konnte? Weiter mich selbst betrügen und belügen?
Nein, es gab kein Übermalen mehr. Es musste eine Lösung her. Und diese Lösung lag darin, am Bild zu arbeiten. So lange bis es passabel aussah. Bis man damit zufrieden war. Es musste nicht perfekt sein und auch nicht jedem gefallen, aber man selbst sollte glücklich damit sein. Dahinter stehen. Jeder Pinselstrich, egal ob gut oder schlecht gesetzt, führte unweigerlich zu dem Punkt, an dem man sich am Ende befand. Die Frage war nur, ob es dieses Bild am Ende auch wert war, aufgehängt zu werden. Hatte sich der ganze Kampf mit der Leinwand gelohnt?
Um das herauszufinden, musste ich – um es mit Annas Worten zu sagen – etwas tun. Ich musste daran arbeiten. Nicht nur an dem Gemälde vor mir. Sondern vor allem an meinem Leben. An mir. Musste diese ganzen Baustellen nach und nach beheben, sodass eine Besserung auftreten konnte.
Eine Herausforderung davon wartete gleich heute auf mich. Beim Gedanken daran, meinen Vater zu sehen, zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Wie sollte ich ihm nach dem Weihnachtsdesaster begegnen? Seither hatte er mich mehrmals angerufen. Und ich? Ich hatte jedes Mal die Sekunden verstreichen lassen, bis er aufgelegt hatte.
»Elli?« Kira stupste mich an und ich ließ vor Schreck fast Palette und Pinsel fallen. Sie schenkte mir als Entschuldigung ein Lächeln und strich mir sanft über den Arm. »Dein Handy leuchtet. Du wirst gerade angerufen, glaube ich.«
Innerlich verdrehte ich die Augen, wenngleich sich ein Stechen in meinem Bauch bemerkbar machte. Nicht schon wieder. Wir würden uns doch später sowieso sehen. Was wollte er jetzt? Oder rief er gerade an, um abzusagen? Das wäre zumindest typisch.
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UNAUSWEICHLICH
Romance𝐍𝐄𝐖 𝐀𝐃𝐔𝐋𝐓 𝐑𝐎𝐌𝐀𝐍𝐂𝐄 ━━ ♡ ━━ Herzlich, tollpatschig und kaffeesüchtig sind drei Eigenschaften, die Elli charakterisieren. Aber nicht selten läuft ihr Mundwerk schneller als ihr Verstand und so liefert sie sich ein hitziges Wortgefecht mi...