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𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒅𝒊𝒆 𝑯𝒆𝒊𝒎𝒌𝒆𝒉𝒓 𝒏𝒖𝒓 𝒔𝒐 𝒆𝒊𝒏𝒇𝒂𝒄𝒉 𝒘𝒂̈𝒓𝒆 ...
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Heute würde ich wieder nach Hause kommen. Einen ganzen Monat war ich dort nicht gewesen. Warum auch? Es wartete schließlich niemand auf mich.

Na ja, ab und zu — oder eher alle heilige Zeit — kam mein Vater, wenn er gerade einmal nicht auf einer wichtigen Geschäftsreise unterwegs war. Er war selbstständig und arbeitete als Unternehmensberater. Seinen Job meisterte er sehr gut. Sogar so gut, dass ihn sämtliche Firmen anforderten, weshalb er ziemlich viel in der Welt herumreiste. Mein Vater hatte sich einen Namen gemacht und war supererfolgreich in seinem Beruf. Deshalb mangelte es uns nicht an Geld. Dafür aber an anderen Dingen. Dinge, die meiner Meinung nach viel wichtiger waren. Aber es war sowieso nichts mehr so, wie es einmal war.

Langsam fuhr ich die Einfahrt Richtung Garage hoch. Dabei fiel mir auf, dass die Rollläden des Hauses nach unten gezogen waren. Also befand sich, wie vermutet, keine Menschenseele darin. Vielleicht war sogar ich diejenige gewesen, die sie das letzte Mal nach unten gelassen hatte.

Ich verstand generell nicht, warum wir dieses große Haus zu zweit bewohnten. Die meiste Zeit stand es leer. Jemand anderes würde sich bestimmt freuen, wenn er in so einem schönen Haus leben könnte. Aber mein Vater wollte es einfach nicht verkaufen und ich hatte nicht das Recht, ihm da hineinzureden, schließlich gehörte es ihm. Er meinte nur immer, dass es wichtig war, etwas Eigenes zu haben.

Zu lange hatte ich meinen Vater weder gesehen noch gesprochen. Ich konnte nicht einmal sagen, wann ich das letzte Mal mit ihm telefoniert hatte. Eigentlich traurig, aber was sollte ich machen? Diese Situation hatte ich schon seit Jahren akzeptiert. Früher hatte ich mich so gut mit ihm verstanden, doch inzwischen waren wir eher Fremde als Freunde. Also konnte man sich denken, dass seit einiger Zeit kein inniges Vater-Tochter-Verhältnis mehr gepflegt wurde.

Er überwies mir zwar monatlich eine ordentliche Summe auf mein Konto, vermutlich aufgrund seines schlechten Gewissens, aber ich rührte davon keinen Cent an. Wer wusste schon, wozu die Ersparnisse gut sein würden. Alles, was ich an Geld zur Verfügung hatte, verdiente ich mir selbst durch Neben- und Ferienjobs. Auch mein kleines Apartment finanzierte ich auf diese Weise. Da ich es schon immer gewohnt war, auf eigenen Beinen zu stehen, wollte ich diese Unabhängigkeit nicht unbedingt wieder aufgeben. Deshalb sollte ich nächste Woche auch endlich meinen ersten offiziellen Arbeitstag in einem Eichstätter Café antreten. Die Ersparnisse schrumpften nämlich langsam.

Schließlich stieg ich aus meinem Polo und passierte die Einfahrt, um zur Haustür zu gehen. Dabei bemerkte ich, dass der Rasen erst kürzlich gemäht worden war.

Er tut es also immer noch. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln.

Dann ging ich den Treppenaufgang hoch zur aus dunklem Holz gefertigten Haustür. Als ich das Haus betrat, stieg mir dieser Geruch von Sauberkeit in die Nase. Hier hatte jemand kürzlich aufgeräumt und geputzt. Ich machte meine gewohnte Runde durch das Haus, wobei ich die Räume erhellte, indem ich die Rollläden nach oben zog. Völlig gedankenverloren zog ich durch die Zimmer. Zugleich darauf bedacht, so wenig wie möglich von außen in mir aufzunehmen.

Im Esszimmer angekommen, sah ich auf dem Mahagonitisch einen Stapel mit Post liegen. Ordentlich nach Zeitschriften, Tageszeitungen und Briefen sortiert. Ein Blick durch Letztere zeigte mir, dass mein Vater tatsächlich nicht da gewesen war, denn selbst die Nachricht, die ich dort für ihn hinterlassen hatte, lag noch ungeöffnet dort. Ein weiteres Mal checkte ich die Fenster und Türen im Erdgeschoss, bevor ich mich in den ersten Stock begab. Der Weg hinauf führte mich zu einem langen Gang, an dessen Ende mein Zimmer lag, welches ich zielgerichtet ansteuerte.

UNAUSWEICHLICHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt