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Wenn dich Gedanken quälen ...
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Mit meinen Schuhen tippelte ich schnell auf den Boden, während ich mal wieder mein Handy checkte. Keine neuen Nachrichten. Dabei sah ich anhand der beiden blauen Häkchen sehr wohl, dass er es gelesen hatte. Warum antwortete er mir nicht?

Aber egal, ob er wollte oder nicht — ich musste das klären. Jetzt. Sonst würde ich eine weitere schlaflose Nacht erleben, in der ich mir den Kopf zerbrach und Vorwürfe machte.

Ohne darüber nachzudenken, betätigte ich die Klingel. Wartete kurz. Klingelte noch mal.

Verdammt ... Was ist, wenn er gar nicht da ist? Immerhin ist es Samstag und da sitzt er bestimmt nicht den ganzen Tag daheim rum. Allerdings kann ich das schlecht wissen, wenn er sich so gar nicht bei mir meldet.

»Hallo?« Das war eindeutig Jennis Stimme, die aus der Sprechanlage schallte. »Wer ist da?«

Kurz überlegte ich, einfach wieder zu gehen. Aber selbst wenn er nicht da war, so könnte er vielleicht bald heimkommen. Das war also meine Chance.

Ich räusperte mich. »Hallo Jenni. Ich bin's, Elli.«

»Elli? Wie genial ist das denn? Ich mach dir auf«, flötete sie und keine Sekunde später ertönte der Öffner der Tür, die ich schwungvoll aufdrückte.

Zum ersten Mal entschied ich mich für den Aufzug, weil meine Beine dermaßen träge waren, dass ich keine Lust hatte, in den dritten Stock hochzusteigen. Mit verkrampften Fingern umklammerte ich den Riemen meiner Tasche und starrte auf meine Füße, die immer noch unruhig herumtrampelten. Dann schaute ich mein Spiegelbild an, das mir von der gegenüberliegenden Wand entgegenblickte. Mein Äußeres bildete gerade absolut mein inneres Befinden ab: übernächtigt, niedergeschlagen, voll mit Schuldgefühlen, unsicher und zu allem Überfluss war mir schon wieder übel. Schönheit kam schließlich von innen. So könnte ich glatt als Hauptattraktion im Gruselkabinett einsteigen.

Das Pling des Aufzugs ließ meine nervösen Beine selbstständig nach außen treten, obwohl mein Verstand gar nicht wusste, was ich jetzt eigentlich machen sollte. Ehe ich zur Wohnungstür von Joshuas Penthouse sehen konnte, umschloss mich schon ein zierlicher Körper und der Duft von Lavendel strömte in meine Nase.

»Wie schön, dass du da bist, Elli! Ich wusste ja gar nicht, dass du kommst! Die Knalltüte von Joshi hat überhaupt nichts gesagt«, begrüßte mich Jenni und sobald sie von mir abließ, wurde ich bereits von ihr in Richtung Wohnung gezerrt.

Da ich mental immer noch mit Abwesenheit glänzte, konnte ich ihr nur Folge leisten und plötzlich fand ich mich mitten in der leckerriechenden Küche wieder. Aber es war noch jemand hier.

»Hallo Elli, wie schön, dich wiederzusehen! Wir kochen gerade Chili con Carne«, sagte Linda mit einem leicht abgehetzten Lächeln auf den Lippen, während sie in zwei Töpfen gleichzeitig rührte. »Der Reis ist gleich fertig, dann können wir alle gemeinsam essen. Jennilein, richtest du bitte noch schnell ein Gedeck an den Tisch?«

»Wird gemacht!« Jenni salutierte, vollführte eine Pirouette und wandte sich mir zu, um meine Jacke abzunehmen, die ich absolut geistesabwesend von den Schultern gestreift hatte. Meine Handtasche hingegen nahm ich sofort wieder an mich und legte sie mir um die Schulter.

»Und du hast die Ehre, Joshi in der Zeit aus dem Büro zu locken, in das er sich seit heut' Früh verkrochen hat. Keine Ahnung warum, aber er ist schon wieder total grummelig. Seine Laune wird sich aber bestimmt gleich ändern, sobald er dich sieht.«

Da bin ich mir nicht so sicher ...

Dennoch nickte ich stumm, zog rasch meine Sneaker aus und marschierte zielstrebig auf die Treppe zu. Kurz bevor ich dort ankam, stoppte ich.

UNAUSWEICHLICHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt