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𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒆𝒔 𝒎𝒆𝒉𝒓 𝒐𝒅𝒆𝒓 𝒘𝒆𝒏𝒊𝒈𝒆𝒓
𝒘𝒆𝒊𝒉𝒏𝒂𝒄𝒉𝒕𝒆𝒕 ...
━━ ♡ ━━

Mehrmals rieb ich mir die Augen, weil ich nicht fassen konnte, was ich soeben gelesen hatte.

Reinhard:
Ich hoffe, wir sehen uns heute Abend! 😊

War die Nachricht ein Versehen gewesen oder hatte mein Vater sich tatsächlich mal die Mühe gemacht und ein Lebenszeichen von sich gegeben? Okay, heute war Heiligabend. Da traf man sich für gewöhnlich mit der Familie und feierte. Allerdings weiß ich gar nicht, wann ich das letzte Mal mit ihm an diesem Abend gemütlich zusammengesessen hatte. Eigentlich riss es nur Wunden auf, denn sowohl meinem Vater als auch mir war bewusst, dass wir es nie wieder in dem Rahmen genießen konnten, wie wir es einst getan hatten.

Vermutlich hat er ein schlechtes Gewissen ...

Seit unserer Auseinandersetzung hatten wir keinen Kontakt mehr gehabt. Ja, das war eigentlich Standard, aber dieses Mal saß die schmerzliche Erkenntnis tiefer als sonst, denn mein Vater war das i-Tüpfelchen gewesen, das mir den letzten Rest gegeben hatte, damit ich in den Abgrund hatte stürzen können.

Falls das überhaupt noch ging, so war ich mehr als sonst von ihm enttäuscht gewesen. Warum interessierte er sich auch gar nicht für mich? Ich war doch immerhin seine Tochter. Alles, was ihm geblieben war. Aber umso mehr freute ich mich jetzt darüber, dass er endlich einmal wieder von selbst an mich gedacht hatte.

Ich:
Eigentlich wollte ich wie immer zu den Schönebergers.

Etwas unzufrieden beäugte ich meine gesendeten Worte und das schlechte Gewissen beschlich mich. Weihnachten war das sogenannte Fest der Liebe. Wann wäre also ein besserer Zeitpunkt, um einen Schritt aufeinander zuzugehen?

Ich:
Willst du mitkommen?

Angie hatte mich wie jedes Jahr herzlich eingeladen, es war sozusagen Tradition. Bereits beim ersten Mal, als mein Vater am Heiligabend nicht daheim gewesen war, hatten mich die Schönebergers bei sich aufgenommen. Seither wiederholte sich das jährlich. Sie hatte bestimmt nichts dagegen, wenn ich meinen Vater mitbringen würde.

In Bezug auf die kommende Feier mit den Schönebergers durchfluteten mich gemischte Gefühle. Ich war nervös, denn mit Andi war seit unserem Streit ebenfalls Funkstille gewesen. Das war ich so gar nicht gewohnt. Normalerweise tauschten wir immer regelmäßig kleine Updates aus, was gerade in unserem Alltag passierte.

Hoffentlich renkte sich das wieder ein. Inzwischen bereute ich es zutiefst, dass ich meinen besten Freund angelogen und zurückgestoßen hatte. Denn nachdem ich mit Sandy über Joshua gesprochen hatte, ging es mir in dieser Sache deutlich besser. Vielleicht wäre das auch der Fall gewesen, wenn ich mit Andi ein ehrliches Gespräch über meine Zusammenbrüche geführt hätte?

Klar, ich hätte einmal durch die Hölle gehen müssen, aber das war ich jetzt im Endeffekt sowieso. Schlauer war man stets erst danach – ganz toll.

Momentan verfolgten mich täglich die Dämonen der Vergangenheit. An Vergessen war demnach nicht zu denken. Langsam sollte ich mir eingestehen, dass ich wohl in Zukunft damit leben musste. Allerdings brauchte ich hierfür erst mal das Know-how, wie das überhaupt funktionieren konnte. Eigentlich wusste ich das schon, aber ein Aufarbeiten der Geschehnisse kam gerade nicht infrage. Meine Ängste stellten hier einen zu großen Widerstand dar, der für mich kaum überwindbar war. Warum konnte ich nicht einfach wieder vergessen?

Erneut flatterte eine Nachricht meines Vaters ein, die mich aus den Gedanken riss.

Reinhard:
Ja. Ich würde auch gerne Besuch mitnehmen.

UNAUSWEICHLICHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt