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Ein Teil in mir glaubt, dass ich ihr noch immer wichtig bin. Der andere, viel größere Teil lacht ihn aus.
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Lilli

Ich hätte protestieren können, aber dafür hätte ich reden müssen. Meinen stillen Protest haben meine Eltern gekonnt ignoriert. Mein Vater hat mir Vorteile eines Psychologen aufgezählt und meine Mutter war so verzweifelt, dass sie angefangen hat zu weinen. Und mein Vater hätte mir jeden Grund aufzählen können, seine Idee wäre beschissen geblieben. Ich bin nicht krank und auch nicht psychisch gestört, wie es mein Vater ausgedrückt hat. Ich will nicht reden, vor allem nicht mit einem verdammten Seelenklempner. Ende der Geschichte ist, dass ich aufgestanden bin und raus gerannt bin.

Meine Wut auf Vanessa ist verpufft und genau jetzt wünsche ich mir, dass sie hier wäre. Ein Teil in mir glaubt, dass ich ihr noch immer wichtig bin. Der andere, viel größere Teil lacht ihn aus. Fußball ist in Vanessas leben nun die Priorität und jemand wie ich hat dort keinen Platz. Verdammt, ich gönne es ihr, wirklich, aber sie hat mich einfach vergessen. Es tut mir mehr weh als es sollte. Der kleine Teil in mir schreit, dass ich in den Wald gehen soll und sie suchen soll. Aber was sollte ich schon machen, wenn ich sie finden würde? Reden? Bestimmt nicht.
Seit sie weg ist habe ich kein Wort mehr gesagt.

Ich laufe die Straßen entlang. Über mir geht langsam die Sonne unter und der Himmel strahlt schon leicht rötlich. Die Straßen sind leer, ich sehe nur vereinzelt Menschen. Ich biege in die nächste Seitengasse, laufe weiter gerade aus und komme an eine Kreuzung. Ich biege links ab und laufe an einer Gasse vorbei. Ein giftgrüner Ball rollt hinaus und wird von einem weißen Schuh gestoppt. Automatisch bleibe ich stehen. Ein Junge tritt hervor und strahlt mich an. Sein Grinsen erreicht seine Augen, aber irgendwas beunruhigt mich. Seine grünen Augen fixieren mich, während seine Hand lässig durch sein braunes Haar fährt. Den Ball, der unter seinem Fuß ruht, kickt er lässig nach oben und fängt ihn auf. Das Grün des Balles beißt sich mit seinem sonst langweiligen Outfit. Auf seiner Hand ist ein kleiner Umriss einer Flamme tätowiert.
„Ich habe dich heute schon einmal gesehen. Du warst bei den Kerlen.", sagt der Fremde. Ich weiche einen Schritt zurück, er kommt zwei Schritte näher. „Sag mal, kennst du sie?", fragt er. Auch wenn er mich noch immer anlächelt, schüttel ich verängstigt meinen Kopf. Nicht alle, denke ich mir, ich kannte nur Vanessa.
Er nickt, „Schade, Schade. Weißt du, ich hätte gehofft, dass du sie kennst. Sie sind schwer zu erreichen und ich würde sie wirklich gerne verlieren sehen. Meinst du, du kannst ihnen das ausrichten?"

„Lass sie in Ruhe.", sagt eine Stimme hinter mir. Ich drehe mich um. Ein Junge kommt auf uns zu. Er bleibt neben mir stehen und sieht seinen gegenüber direkt an. „Was willst du von den wilden Kerlen?", fragt er trocken. „Ihren Untergang. Ich will, dass sie verlieren.", das Grinsen wird breiter, „Sie waren nicht immer die besten, wisst ihr? Wir waren es. Wir, die gerissenen Tiger. Man hat überall nur noch von uns berichtet, von unserem Aufstieg, unseren Siegen. Und dann, dann kamen die wilden Kerle und unsere Ruhm war vorbei. Aber wir verstecken uns nicht mehr. Wir fordern die wilden Kerle heraus und werden sie besiegen."
Seine Rede, so spannend er sie erzählt hat, langweilt mich. Ich verstehe nicht so ganz, was ich damit zu tun habe und warum er genau mich anspricht. „Ich werde es ihnen sagen. Aber seid bitte nicht beleidigt, wenn ihr verliert.", sagt der, der neben mir steht. Hab ich hier noch eine Bedeutung? Ich könnte einfach gehen, aber mein gegenüber sieht noch immer auf mich. Und das macht mir Angst.

„Das werden wir nicht.", sagt der braunhaarige. Er streicht sich erneut durch die Haare und grinst. „Richtet ihnen schöne Grüße von Jonah aus. Wir erwarten sie in drei Wochen.", dann geht Jonah, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich blicke ihm nach. Neben mir der Junge bewegt sich. Er schaut nun direkt auf mich. Seine langen Haare wehen in der leichten Brise. Er lächelt mich an. Anders, als Jonah, es wirkt freundlich und einladend. „Ich bin Fabi.", stellt er sich vor. Ich nicke. Dann stehen wir einige Sekunden einfach so da, keiner sagt was. „Weißt du, wo sich die Kerle befinden?", fragt er. Ich zeige auf den Wald. Fabi nickt. „Heute ist es zu spät, um sie zu suchen.", sagt er, ich nicke. Ich habe überhaupt nicht vor sie zu suchen. Das kann Fabi übernehmen. Fabi dreht sich um und geht. „Wir sehen uns morgen. Ich hole dich morgen hier ab.", ruft er mir nach. Aber ganz bestimmt nicht.

Nachdem ich Fabi einige Sekunden nach gesehen habe, laufe ich nach Hause. Dieses Mal schlage ich die Tür nicht zu. Ich habe keine Kraft mehr, meinen Eltern zuzuhören. Stattdessen gehe ich direkt nach oben und lege mich zum schlafen hin.
*
Heute mal ein wenig kürzer:)

if love could speakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt