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Wir haben schon so viel erlebt, dass uns nichts mehr Angst machen kann.
*
Markus

Ich bin vor Lilli wach geworden. Seit einer Stunde liege ich neben ihr und beobachte sie. Immer wieder schiebe ich ihr vorsichtig eine blonde Strähne hinters Ohr, die ihr dann doch wieder ins Gesicht fällt. Lilli sieht trotz des Schlafes angespannt aus und immer wieder verzieht sie das Gesicht.
Aber während ich ihr beim schlafen zuschaue, komme ich mir nicht nur wie ein Spanner vor, sondern präge mir auch ihr Gesicht ein. Mir ist nie aufgefallen, dass Lilli leichte Sommersprossen über der Nase und Wange verteilt hat. Auch die kleine Narbe an ihrem Kinn ist mir nicht aufgefallen.

Dann schlägt Lilli ihre Augen auf. Ihre grünen Augen finden meine und dann entspannt sie sich. Sie sieht ruhig zu mir und blinzelt. Ihre Atmung wirkt beruhigend auf mich. Jetzt ist Lilli wieder in Sicherheit. Ich streiche ihr erneut die Strähne hinters Ohr.

Ich würde sie gerne fragen, wo sie hin wollte und was sie dazu verleitet hat, auf das Eis zu gehen. Aber ich bin still. Ihr geht es gut und das ist es, was jetzt zählt. Sie ist hier und nicht mehr dort. Mehr brauche ich jetzt nicht zu wissen.

Außerhalb des Zeltes geht die Welt weiter. Hier drin scheint sie stehen zu bleiben. Die anderen hört man rufen. Nerv und Klette scheinen wieder über irgendwas zu diskutieren und Raban und Joschka suchen nach irgendwelchen Gefahren. Wir haben schon so viel erlebt, dass uns nichts mehr Angst machen kann. Aber die beiden gehen immer auf Nummer sicher. Nichtmal der Ruf zum Frühstück, lässt mich aufstehen. Mein Magen knurrt, aber ich werde liegen bleiben, solange es Lilli braucht.
Lilli dreht sich auf den Rücken und streckt sich. Ich höre es knacken und unterdrücke mir ein Lachen. „Was?", fragt sie verwirrt. „Das kalte Bad hat dir wohl nicht gut getan, hm?", meine ich lachend. Lilli überdreht ihre Augen. „Haha", seufzt Lilli genervt und setzt sich auch. Sie öffnet das Zelt und sieht zu mir. „Ich weiß nicht mal, warum ich auf einmal da stand.", meint sie, bevor sie aus dem Zelt geht. Ich beeile mich ihr nachzukommen. „Was meinst du, du weißt nicht wie du auf das Eis gelangt bist?", frage ich verwirrt. Die Anderen stoppen ihre Arbeit und sehen zu uns. Vanessa tritt sogar neben Lilli und legt ihre Hand auf ihre Schulter.

Lilli seufzt, „Ich weiß nicht genau. Ich erinner mich noch, als ich auf dem Boden saß und irgendwelche Stimmen gehört habe. Ich wollte was sagen, aber ich konnte nicht. Dann ist mir schwindelig geworden. Und dann war ich auf einmal auf dem See. Und dann bist du gekommen."
Vanessa sieht zu Leon, der nachdenklich auf den Boden sieht. „Ich habe auch wieder Düsentriebs Stimme gehört, aber bevor wir in den Wald gefahren sind.", sage ich und schaue zu Boden. Es tut noch immer weh an Düse zu denken, aber es ist besser geworden. Wegen Lilli. „Dieser Wald ist merkwürdig.", meint Vanessa. „Haben die Stimmen was besonderes gesagt?", fragt Leon. Lilli und ich schütteln unsere Köpfe. „Sie haben immer wieder wiederholt, dass ich kommen soll.", sagt Lilli und ich nicke.

Die anderen sehen sich an, dann sehen sie zu den Bergen. „Was auch immer das für ein Wald ist. Normal ist es hier nicht. Ist euch mal aufgefallen, dass es hier kein einziges Tier gibt?", fragt Joschka. „Ich habe nicht mal eine Mücke gesehen!", fügt er hinzu. „Ja, außerdem ist es hier viel zu still.", stimmt Raban ihm zu. Alle schweigen und es ist still. Man hört nicht mal ein Rascheln der Blätter.
Wir alle schauen wieder zu Leon. „Wir werden doch wohl keine Angst vor einem Wald haben, oder?", fragt er lachend und Vanessa stimmt mit ein. „Ihr solltest euch mal sehen.", meint sie lachend. Aber uns anderen ist das Lachen vergangen. Nicht mal Lilli versucht uns aufzumuntern. Sie seufzt und setzt sich. Dann fängt sie doch an zu grinsen. „Wisst ihr. Ich kenne euch seit zwei Wochen und in diesen zwei Wochen habe ich mehr erlebt, als in meinem ganzen Leben zuvor."

Die anderen setzen sich zu ihr. Ich sitze links von ihr und Blossom rechts. Es ist still, keiner sagt was. Weil niemand weiß, was er sagen sollte. „Du Blossom, du warst also mal ein Vampir? Und ihr auch, Terry, Marry?", fragt Lilli plötzlich interessiert. Lilli hat es nie zugegeben, aber man hat ihr angesehen, dass sie mir nicht geglaubt hat. Für sie existieren keine Fabelwesen, wie Vampire. Blossom nickt. „Leon, Vanessa und Maxi waren es auch für eine kurze Zeit.", fügt Terry grinsend hinzu. „Und Klette hat sich für einen ausgegeben, für einen Kuss von Nerv.", grinst Marry. Nerv sieht genervt zur Seite. „Und Leon war länger ein Stein, als ein Vampir.", fügt Blossom noch hinzu. Verwirrt sieht Lilli zu ihr. „Lange Geschichte.", sagt Leon. Lilli zuckt mit ihren Schultern und grinst. „Also ich hab Zeit.", sagt sie

„Wenn ein Vampir einen Menschen beißt, wird dieser in einen Vampir verwandelt und wenn sich beide lieben, so können sie 100 Jahre weiter leben.", erklärt Blossom, „Wenn ein Vampir ins Sonnenlicht geht, so verwandelt er sich in Stein."
Lilli nickt und beugt sich nach vorne. „Und das hast du getan?", fragt Lilli an Leon gewandt. Dieser nickt. Nun blickt Lilli wieder verwirrt in die Runde. „Und wie rettet man einen Vampiren, der in Stein verwandelt wurde?", fragt sie. Lilli weiß noch nicht, ob sie dieser ganzen Vampirgeschichte glauben soll, das sieht man ihr an. „Genau so, wie man einen Vampir wieder in einen Menschen verwandelt.", sage ich trocken. Blossom nickt mir lächelnd zu. Ihr Mitleid trieft schon zu Boden.

„Richtig. Mit einem Kuss der wahren Liebe, im Sonnenstrahl der aufgehenden Sonne.", erklärt Blossom weiter. Lilli nickt und scheint darüber nachzudenken. „Das bedeutet, dass man als Vampir die Sonne nie wieder sehen kann.", sagt Lilli eher zu sich, als zu uns. „Das muss ja furchtbar sein.", sagt sie dann lauter. Blossom nickt. „Seit ich wieder ein Mensch bin, sehe ich mir täglich den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang an.", sagt sie lächelnd. Lilli lächelt zurück, „Morgen werde ich mir ihn mit dir ansehen"

„Was ist eigentlich mit dir?", fragt Horizon. Lilli legt den Kopf schief und wartet auf eine Erklärung. „Warst du schon einmal verliebt?", fragt Horizon. Lilli lächelt, schüttelt aber den Kopf. „Ich weiß nicht ob du es wusstest, aber bevor ich die Chaoten hier getroffen habe, war ich nicht so gesprächig.", lacht sie. Nerv schnaubt empört auf, „Wir sind keine Chaoten!"
Raban und Joschka stimmen ihm bei. Lilli lacht auf, ebenso die anderen Mädchen. Düse hätte auch gelacht, aber ich kann mich nicht mehr an ihr Lachen erinnern. Immer wenn ich es versuche, höre ich Lilli lachen. Wenn ich an Düse denke, sehe ich Lilli.

Die Jungs fangen an mit den Mädchen an zu diskutieren, ob sie nun Chaoten sind oder nicht. Ich sehe zu Lilli und sehe ihr Lachen. Sie lacht viel und ihren Augen bilden sich schon Tränen. Wenn sie lacht, bilden sich Lachfältchen. Ihr linker Schneidezahn ist ein wenig schief. Die Narbe an ihrem Kinn steht ein wenig vor. Ihre grünen Augen funkeln und reflektieren das Licht des Feuers. Ihr Gesicht ist in ein sanftes rot getaut durch das Feuer. Als sie zu mir blickt, lacht sie noch immer. Sie hebt ihre Hand und winkt mir zu.

„Markus?", fragt sie und lächelt schief. Ich blinzle zweimal und sehe sie fragend an, „Ja?"
Lilli lacht erneut. „Du wurdest was gefragt.", sagt sie, „In welcher Welt bist du denn gefangen?"
Ich schaue weg. „Tut mir leid. Ich habe gerade an jemanden gedacht.", sage ich leise. Ich höre, wie gekichert wird. „An wen den?", fragt Terry und lehnt sich vor. Ich spüre die Blicke auf mir und rutsche unruhig auf dem Boden. „An Düse.", Lüge ich.
Es wird gemurmelt, aber dann wird die Diskussion weiter geführt. Ich sehe kurz zu Lilli, die mich anlächelt. Aber an ihren Augen sehe ich, dass ich sie verletzt habe.
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