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Lilli lächelt und nickt.

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(Dieser Part ist in der Erzählerperspektive und umfasst Markus und Lilli. Es spielt zur selben Zeit, wie das vorherige Kapitel)

Es ist dunkel und der Schneesturm nimmt allmählich ab. Lilli sitzt einige Meter vor dem Höhleneingang und schaut raus. Sie fühlt einen inneren Schmerz in sich. Dieser Schmerz ist aushaltbar, aber er hält sie vom schlafen ab. Sie denkt an Markus. An das Gespräch mit ihm und das Gespräch mit Blossom. Lilli hat verstanden, was Blossom von ihr wollte und sie hat es akzeptiert. Sie akzeptiert, dass sie Markus liebt, aber ebenso akzeptiert sie es, dass es für sie beide keine Zukunft geben wird. Und das ist es, was sie verletzt.

Lilli wünscht sich nichts mehr, als dass Markus wieder glücklich wird. Und wenn sie in diesem Leben keine Rolle spielt, so wird sie es akzeptieren. Es ist für sie in Ordnung, das redet sie sich ein. Auch ihr wird es bald besser gehen, wenn all das vorbei ist. Dann kann sie ihr Leben weiterleben und wenn es sein muss, dann ohne ihn. Auch wenn es für sie schwer sein wird.
Sie seufzt, als sie an die nächsten Tage denkt. Wenn sie wieder zu Hause ist, wird sie mit den wilden Kerlen abschließen. Sie wird nicht wieder kommen, weil sie Angst hat. Sie wird wieder still werden.

„Hey.", flüstert Markus, der sich neben ihr niederlässt. Sie schaut weiter geradeaus. Es scheint für Lilli, als würde das Wetter sich ihrer Stimmung anpassen. Wild, durcheinander und als würde der Schneesturm niemals enden, so wie der Schmerz. „Hey.", antwortet sie.

Markus blickt sie an. Er sieht ihren Schmerz und er weiß, dass er der Grund dafür ist. Er wirft es sich vor, seine Schuld plagt ihn und auch er erleidet physischen Schmerz. Er trägt seit fast elf Monaten Schmerz in sich, der sich in den letzten Wochen immer weiter ausbreitet. Markus ist nicht über die Trennung hinweg und das Wiedersehen mit Düsentrieb, hat diesen Schmerz nur noch vergrößert. Lilli's Schmerz verursacht ihm schmerzen. Und da ist noch etwas. Etwas was er nicht akzeptieren will. Es ist, als würde er innerlich brennen und mit jeden Tag wird das Feuer größer. Jetzt, als er zu Lilli schaut, lodert das Feuer immer weiter. Markus hält diesen Schmerz nicht aus.
Lilli hat die Flammen gezügelt und jetzt brennt sie selbst. Und es ist seine Schuld, die er nie begleichen kann.

„Wie geht es dir?", versucht Markus die Stille zu brechen, die beide als unangenehm empfinden. Es ist ein kläglicher Versuch in Lilli's Nähe zu bleiben, denn das will Markus. Trotz seinen Schuldgefühlen, kann er ihr nicht fernbleiben. Trotz dem Schmerz, fühlt er sich in ihrer Nähe irgendwie besser. Er weiß, wie unfair es ist.
„Gut, dir?", lügt Lilli. Markus antwortet nicht. Er schaut von Lilli weg auf den Boden. Er atmet tief durch. Dafür schaut Lilli zu ihm und auch sie erkennt seinen Schmerz. Es kostet sie Kraft, aber sie will sie lindern. „Ich fand es echt stark von dir, wie du dich Düsentrieb gestellt hast.", sagt sie leise.
Markus sieht zu ihr. Er lächelt schwach. Es hat sich auch gut angefühlt. Es war, als hätte ein Stück in ihm, Düsentrieb losgelassen. Aber das Stück war zu klein, um bedeutend zu sein.

„Es war schwer.", gibt er dann zu. Sie beide sehen sich an. „Natürlich war es das. Du liebst sie.", erwidert Lilli. Markus sieht sie einfach an. Er braucht einen Moment, um sich zu fassen. Lilli so verletzt zu sehen, raubt ihm die Kraft. Sie es sagen zu hören, stimmt ihn traurig. „Das tust du doch, oder?", fragt Lilli. Es ist ein verzweifelter Versuch von ihr. Ein kleiner Teil will für ihr Glück kämpfen, um Markus will sie kämpfen. Gleichzeitig steigt Angst in ihr auf. Wenn Markus diese Frage mit Ja beantworten würde, würde es sie brechen.
Doch Markus antwortet nicht. Er führt einen innerlichen Kampf mit sich selbst. Die Frage hat etwas in ihn ausgelöst. Er stellt sich die Frage immer und immer wieder. Dabei sieht er Lilli in die Augen.

Liebt er Düsentrieb? Während er in Lilli's Augen schaut, ist er da nicht mehr so sicher. Dann schüttelt er kaum merklich seinen Kopf. „Nein.", sagt er. Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, aber er klingt überzeugend. Er schaut Lilli weiter an und verliert sich in ihren Augen. Er sieht mehr, als den Schmerz. Er sieht die Geborgenheit und die Wärme, die sie ausstrahlen. Auch die Liebe sieht er, aber er weiß nicht, dass sie für ihn bestimmt ist.
Aber er sieht Lilli und das ist es, was für ihn gerade zählt. Es ist der Moment, in dem ihm klar wird, dass er sich in sie verliebt.

Und Lilli sieht zurück. Sie sieht den Schmerz, den sie lindern will. Nichts auf Welt würde sie mehr wollen, als ihn. Sie will ihn heilen. Sie will ihn lieben und ihm das zeigen, was sie in ihn sieht. Sie will da sein, wo er ist, denn da fühlt es sich richtig an.
Lilli sieht, wie ein Stück in ihm heilt, als er sich vorbeugt. Seine Hand legt er langsam auf ihre Wange. Wenn sie ihr Gesicht wegziehen würde, würde er es unterlassen. Aber sie kommt ihm entgegen. Seine Hände fühlen sich rau an, aber auch warm. Einen kurzen Moment schließt Lilli ihre Augen und genießt die einfache Berührung. Als sie ihre Augen aufmacht, ist Markus ihr nahe. Er hält seine Augen geschlossen. Und Lilli erkennt den Kampf, den er in sich führt. „Markus.", flüstert sie, doch er reagiert nicht. „Es ist in Ordnung.", sagt sie. Markus seufzt.

Markus hat Angst, dass er wieder verletzt wird. Er will Lilli, er will ihr zeigen, wie sehr er sie lieben will, aber der Schmerz kommt zurück und mit ihm die Erinnerungen. Lilli legt ihre Hand auf seine. Ihre Hand ist kalt, aber Markus zuckt nicht weg. Er lässt ihre Hand seine Hand führen. Sie umschließt seine Hand mit ihren und legt sie auf ihren Schoß ab. Markus andere Hand verweilt auf ihrer Wange. Als Markus seine Augen öffnet, sieht er wie sie mit den Tränen kämpft, aber sie schenkt ihm ein Lächeln. Markus glaubt nicht daran, dass er es verdient hat. Verdammt, er hat Lilli nicht verdient.
„Ich kann dir nicht geben, was du brauchst.", sagt Markus und sieht, wie sich die ersten Tränen lösen und ihr übers Gesicht laufen.

Lilli will nichts mehr, als das, was er geben kann. Lilli will nicht mehr, als Markus. „Das ist okay, Markus.", sagt sie. Schwach lächelt sie Markus an. „Ich habe dir versprochen da zu sein und das werde ich tun. Solange du willst.", sagt Lilli. „Auch wenn es für immer ist?", fragt Markus. Das ist es, was er will. Er will bei ihr sein und ihr genügen. Und das tut er. Lilli lächelt und nickt.

„Könnt ihr euch bitte küssen? Das ist ja nicht zum aushalten!", ruft Klette. Entsetzt sehen Lilli und Markus zu ihr. Klette sitzt grinsend im Schneidersitz. Verwirrt blickt Lilli sich in der Höhle um. Alle sind wach und haben die beiden beobachtet. Lilli läuft rot an und dreht ihren Kopf weg. Markus ist in eine Schockstarre gefallen.

Dann steht Lilli auf. Sie sieht sich hilfesuchend um. Markus stellt sich neben sie. Aber Lilli will weg, aber sie kann nicht. Sie fühlt sich ertappt. Sie glaubt, dass Markus nie zu ihr gehören wird und nun, so glaubt sie, wissen es alle. Sie fühlt sich ausgeliefert und nackt. Wie ein Tier, das man in die Enge getrieben hat. Sie will loslaufen, aber Markus hält sie fest. Er will sie nicht gehen lassen. Er will, dass sie bleibt und das für immer. Sie hat es ihm versprochen. Aber für dieses Versprechen, das weiß er, muss er auch was leisten.

Markus zieht Lilli näher zu sich. Seine Hand hält er weiter um Lilli's Arm, seine freie Hand legt er wieder auf ihre Wange. Er atmet schwer, weil er aufgeregt ist und weil er nicht weiß, was gleich passieren wird. Ob das Feuer gelöscht wird, oder sich weiter ausbreiten wird. Aber er wagt es, er legt seine Lippen sanft auf ihre.
*

Ich dachte, ich kann euch nicht weiter warten lassen. Vor allem glaube ich, kann ich euch nicht weiter auf die Folter spannen. 🤫

if love could speakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt