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Bin ich jetzt verrückt geworden? Sag es mir, bin ich verrückt?
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Markus

Es ist zum verrückt werden. Verdammt, es ist als könnte ich nicht mehr klar denken und dabei ist es schon Monate her, seit Düse mich verlassen hat. Aber ich denke jeden Tag an sie und es fühlt sich an, als würde es nie wieder besser werden.

Ich will nicht, dass jemand davon was mitbekommt, aber ich kann es nicht ändern. Sie hat einen Teil von mir mitgenommen. Die erste Zeit wollte ich nichts mehr machen. Ich war sogar am überlegen, ob ich mit Fußball aufhöre.
Ich wandere durch den Wald und trete immer wieder Steine aus dem Weg. Es wird immer kühler und es ist bestimmt weit über Mitternacht, aber ich fühle mich nicht gut. Ich will nicht, dass die anderen merken, wie beschissen es mir eigentlich geht.

Ich komme an eine Lichtung und erblicke Lilli. „Lilli?", frage ich verwirrt. Sie blickt auf und wischt sich eine Träne weg. Dann sieht sie wieder auf den Boden. Ich setze mich ihr gegenüber. Sie hat ihre Beine angezogen und ihre Arme um sie geschlungen. „Hast du dich verlaufen? Komm doch wieder ins Lager. Es ist bestimmt kein Problem, wenn du bei uns bleibst.", versuche ich sie aufzumuntern. Doch sie schüttelt nur den Kopf. Ich lehne mich an einen Baumstamm an und sehe zu Lilli. Sie klemmt sich ihr blondes Haar hinters Ohr und seufzt. „Wie lange sitzt du schon hier? Du musst doch frieren.", meine ich, doch sie zuckt nur mit ihren Schultern.

Wir sitzen uns einige Minuten einfach so gegenüber, inzwischen zittert Lilli und auch mir wird langsam kalt. „Dir geht es wohl auch beschissen.", meine ich aus dem nichts. Das schweigen wird langsam unangenehm. Wenn es still um mich herum ist, dann ist es am schlimmsten. Dann können meine Gedanken sich entfalten und ich kann mit nichts dagegen unternehmen. Nun ist Lilli nicht die beste, um die Stille zu durchbrechen. Sie sieht mich an, als würde sie auf etwas warten. Sie legt ihren Kopf schief und sieht mich erwartungsvoll an. Es ist nicht so, dass sie mich drängen würde. Ich weiß was sie hören will. Sie war da, als ich Düse geglaubt habe zu hören.

Ich seufze. Wenn ich mit einer Person darüber reden könnte, dann mit ihr. Sie redet nicht und ihr Blick strahlt Ruhe aus und irgendwas in mir sagt, dass ich ihr vertrauen kann. Vielleicht sind es ihre grünen Augen, die das Mondlicht reflektieren. Das ist doch verrückt. „Ich weiß nicht ob du das verstehen kannst, aber nach dem Düse verschwunden ist, hat sich nichts mehr wichtig angefühlt. Es war, als wäre alles umsonst und nicht hat einen Sinn ergeben. Irgendwie war es, als wäre ich wochenlang nur körperlich da gewesen. Meine Gedanken waren immer bei ihr und das schlimme ist, sie sind es noch immer. Jede freie Minute, in der ich nicht abgelenkt bin, denke ich an sie.", erzähle ich. Ich sehe zu Lilli. Sie sieht mich an, aber nicht auf die Art, die ich befürchtet hätte. Sie blickt mich nicht voller Mitleid an, sondern mit Verständnis. Sie ermutigt mich stumm weiter zu reden. „Als wir heute trainiert haben, da hab ich geglaubt, dass Düse mich gerufen hat. Sie hat nach mir gerufen und mir gesagt, dass sie da wäre. Aber das war sie nicht. Bin ich jetzt verrückt geworden? Sag es mir, bin ich verrückt?", frage ich sie. Ich klinge jämmerlich verzweifelt, aber es ist mir gerade herzlich egal. Es ist mir nicht mal unangenehm.

Lilli seufzt. „Ich weiß, dass du nicht antworten wirst.", meine ich. Sie seufzt erneut. „Ich glaube nicht, dass du verrückt bist.", sagt Lilli. Mit kippt die Kinnlade runter. „Du sprichst.", gebe ich verdattert von mir. Oh Mann, dabei muss ich dämlich ausgesehen haben. Lilli kichert. „Das tue ich nicht oft, aber ich glaube du brauchst heute eine Antwort.", sagt sie und lächelt mich schüchtern an. Nun ist es an mir zu seufzen. „Hat dir Vanessa erzählt, wie wir Terry, Marry, Blossom und Düsentrieb getroffen haben?", frage ich sie. Sie schüttelt nur den Kopf. „Sie alle waren Vampire. Verwandelt von Darkside. Wenn ein Vampir jemanden beißt, der seine Liebe erwidert, haben sie weitere hundert Jahre zu leben. Diesen Fluch kann man nur brechen, durch den Kuss der wahren Liebe. Ich habe Düse befreit. Ich habe sie befreit und womit hat sie es mir gedankt? Sie ist abgehauen.", die letzten Worte schreie ich fast. „Es tut weh. Es tut weh darüber nachzudenken, aber in manchen Momenten kann ich nicht anders. Ich denke an ihre Augen, an ihr Lachen, an ihr Talent, einfach an alles an ihr und an sie. Und es tut weh zu wissen, dass ich sie Liebe.", gebe ich zu. Ich blicke auf, als Lilli sich erhebt. Sie überbrückt die paar Meter und setzt sich neben mich. „Alles was ich über Liebe weiß, ist aus dem Fernsehen oder aus Büchern. Und auch das ist nicht besonders viel. Aber glaubst du den, dass sie einfach weggegangen ist?", fragt sie. Ich schnaube und stehe auf. „Was den sonst?", frage ich sie wütend. Lilli steht ebenfalls und tritt neben mich.

Lilli zieht ihre linke Lippen nach oben. „Du hast mir gerade von Vampiren erzählt und dann hältst du das für verrückt?", fragt sie. Auch wenn ich sauer sein will, klingt es logisch. Sie läuft an mir vorbei und ich ihr nach. „Wenn es wirklich die wahre Liebe ist, dann muss das doch was bedeuten. Vielleicht hast du sie tatsächlich gehört. Wer weiß, vielleicht hat sie dich auch gerufen. Alles was ich weiß ist, dass du entscheiden musst, was du jetzt tust.", sagt sie. Ich seufze, „Wenn ich nur wüsste, was ich tun sollte. Oder könnte."

Lilli schaut mich an und einen Moment glaube ich, dass der Moment vorbei ist. Einen Moment glaube ich, dass Lilli wieder schweigen wird. „Als du vorhin gefragt hast, ob ich dich verstehen würde, da hab ich dich verstanden.", sagt sie aber dann. Lilli blickt in den Himmel hoch, der erleuchtet wird von unzähligen kleinen Sternen. „Jeder, den ich kenne, hält mich für verrückt. Selbst meine Eltern. Sie sind jetzt sogar der Meinung, dass ich zum Psychologen gehen sollte.", Lilli's Blick wirkt plötzlich leer. Sie atmet tief durch und schaut auf den Boden. „Deswegen bin ich nicht nach Hause. Ich will nicht mit meinen Eltern reden und auch mit keinen Psychologen.", sagt sie. Dann ist es wieder still. Dann beginnt Lilli wieder an zu lächeln. „Nachdem Vanessa umgezogen ist, hat es sich angefühlt, als hätte sie mich verlassen. Und dann hat sie mir eines Tages von euch erzählt. Am Telefon und dann ging es nur noch um euch. Ich dachte, sie hätte mich ersetzt. Und dann habe ich komplett aufgehört zu reden, weißt du?", sagt sie und blickt mich an. „Naja, bis heute.", setzt sie fort. Ich lächele sie an.

Wir kommen wieder am Lager an, ohne dass ich es merke. „Hey, aber das bleibt unter uns, oder? Die Anderen machen sich schon genug sorgen um mich.", bitte ich sie. Lilli nickt. Und jetzt bin ich mir sicher, dass der Moment vorbei ist. Ab jetzt wird Lilli wieder schweigen. Lilli greift nach meinen Arm. Wir stehen noch im Schatten, als sie mich anblickt. „Ich kenne deine Freunde nicht so gut. Aber ich kenne Vanessa und ich vermute, dass man den anderen genauso vertrauen kann, wie man ihr vertrauen kann. Du hast mich gefragt, was du tun solltest. Vielleicht solltest du mit ihnen reden.", sagt sie noch, dann tritt sie aus dem Schatten.
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Ich liebe es ja, wie mein Handy aus Boden immer Biden machen will🙂

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