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Wenn Liebe doch nur sprechen könnte, dann wäre so vieles einfacher.
*
Lilli

Markus ist bereits seit Stunden bei mir. Auch wenn ich ihm gesagt habe, dass er mir keine Erklärung geben muss, hat er es getan. Er hat mir die Situation mit Düsentrieb geschildert und wie schuldig sie sich fühlt. Ich habe mir vorgenommen, dass ich mit ihr reden will. Düsentrieb wird immer ein Teil von Markus bleiben, dagegen kann ich nichts tun. Aber genauso wenig kann ich was gegen die Eifersucht machen. Ich habe es vor Markus bestritten, aber ich bin eifersüchtig. Verdammt, Düsentrieb wird immer in seiner Nähe bleiben und wer weiß, wie sehr sie ihn noch liebt. Aber das werde ich Markus nicht sagen. Vielleicht ist sie ihm noch immer wichtig.

Markus und ich liegen in meinem neuen Bett. Meine Eltern haben mein Zimmer eingerichtet, während ich mit den unterwegs war. Es ist schön, aber es fühlt sich erst wie mein neues Zuhause an, seit Markus hier ist.
„Wirst du uns begleiten?", fragt Markus. Er liegt neben mir und ich habe meinen Kopf auf seiner Brust abgelegt. „Wohin?", frag ich ihn. Ich merke, wie er mit seinen Schultern zuckt. „Dahin, wo das nächste Abenteuer wartet.", sagt er dann.
Ich richte mich auf und sehe auf ihn herab. „Das nächste Abenteuer? War dieses hier nicht erstmal genug?", frage ich ihn. Markus beginnt zu grinsen. „Für das erste vielleicht. Aber irgendwann werden wir uns das nächste suchen.", erklärt er. Ich setze mich nun ganz auf und auch Markus richtet sich auf. „Was ist?", fragt er. Ich sehe zu ihm. Direkt in seine Augen. Verwirrt und besorgt sieht er zu mir. „Markus, ich kann nicht immer fort gehen. Ich gehe in ein paar Wochen zur Schule und meine Eltern. Was sollte ich ihnen sagen?", meine ich. Markus seufzt. Er setzt sich an die Bettkante. „Und was ist, wenn wir wieder losziehen werden? Vielleicht werden wir irgendwann aus Bayern rausfahren, vielleicht sogar über Deutschland hinaus.", fragt er mich verzweifelt. Ich setze mich hinter ihn und küsse seine Schläfe. „Darum können wir uns kümmern, wenn es soweit ist. Ich will jetzt nicht daran denken.", erkläre ich.

Markus hat zwar zugestimmt, aber ich sehe ihm an, dass er bereits jetzt nach einer Lösung sucht. Wir beide sind noch nichtmal volljährig, eigentlich dürfte er noch nicht einmal Motorrad fahren, und er denkt jetzt schon daran, was in der Zukunft passieren wird. Aber auch ich spreche das Thema nicht mehr an. Dafür ist mir die Zeit jetzt zu wertvoll. „Lass und spazieren gehen.", sage ich mit einem leichten Lächeln. „Jetzt?", fragt er, „Es ist dunkel."
Ich lache. „Hast du etwa Angst vor der Dunkelheit?", necke ich ihn. Er schnaubt. „Ich habe vor nichts Angst.", sagt er. Ich stehe auf und halte ihm meine Hand hin. Er ergreift sie. Seine Hand ist so warm, dass mir ein Schauer durch den Körper läuft. Jedesmal wenn er meine Hand berührt, beginnt es in meinem Körper zu kribbeln.
Der Sturm, denn ich Jahrelang in mir getragen hat, hat sich in Schmetterlinge verwandelt, die jedesmal wild anfangen zu flattern, wenn er mich nur ansieht. Ich lächle. „Dann los."

„Wir gehen noch eine Runde.", rufe ich meinen Eltern zu, als wir unten ankommen. „Jetzt noch?", fragt mein Vater. In selben Moment ruft uns meine Mutter viel Spaß zu. Wir lachen, als wir durch die Tür treten.
Markus und ich verfolgen kein wirkliches Ziel. Wir laufen ziellos durch die Straßen und Markus hält dabei meine Hand. Er wirkt, als wäre es das normalste der Welt. Für mich ist es besonders. Vor allem, weil wir nicht darüber gesprochen haben, wie es weiter geht. Was wir sind. Wir haben bereits angefangen über einen Abschied zu reden, dabei steht nicht einmal fest, was jetzt ist.

Ich will ihn danach fragen, aber die Wörter wollen nicht aus meinem Mund. Ich weiß nicht, wie ich ihn fragen soll. Die Stimmung ist momentan perfekt, da will ich sie nicht riskieren, durch eine einfache Frage. Ich weiß was ich empfinde und ich bin mir ziemlich sicher, dass Markus das selbe für mich empfindet, aber ich bringe diese Frage nicht heraus. Stattdessen halte ich seine Hand und höre ihm dabei zu, wie er mir etwas über Grünwald und seine Kindheit erzählt.

Unser Weg führt uns zu einer Wiese. Markus führt mich zu einem Baumstamm. Von dort aus kann man auf einen Fluss sehen. „Hier haben die wilden Kerle so wirklich angefangen.", erklärt Markus. Ich sehe ihm an, dass das hier ein besonderer Ort für ihn ist. Wir setzen uns auf den Stamm. „Hier hat uns Willi das Fußball spielen so wirklich beigebracht.", erzählt er. Ich grinse. „Und hier habt ihr Vanessa kennengelernt und seid zu einer richtigen Mannschaft geworden, die Zusammenhält.", beende ich seine Geschichte. Fragend sieht er mich an. „Vanessa hat mir früher immer von euch erzählt, wenn wir telefoniert haben. Es ging immer um euch und sie war so stolz darauf ein Teil eurer Mannschaft zu sein.", erkläre ich. Ich lache in mich hinein und sehe auf den Fluss. „Was ist so lustig?", fragt Markus verwirrt. „Ich war so eifersüchtig und sauer auf euch, weil ich das Gefühl hatte, dass ihr mir Vanessa weggenommen habt. Als ich euch das erste mal gesehen habe, konnte ich euch nicht leiden.", sage ich.

Ich erinnere mich gut an unsere erste Begegnung. Es ist vielleicht erst drei Wochen her, aber in diesen drei Wochen hat sich soviel verändert. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ich mich mal verlieben könnte. Und jetzt sitze ich mit einem Jungen an einem Fluss und erzähle ihm, dass ich ihn mal gehasst habe.
„Und jetzt?", fragt Markus. „Was jetzt?", entgegne ich. Markus grinst und sieht auf das Wasser. „Was fühlst du jetzt wenn du mich siehst?", fragt er mich. Ich schweige einen Moment. Ich sehe zu Markus, der seinen Blick auf das Wasser gerichtet hat und konzentriere mich auf meine Gefühle. „Glück. Unfassbares Glück.", sage ich dann. Markus sieht zu mir. „Ich hatte so ein verdammtes Glück, dich kennenzulernen. Jetzt, wo ich hier sitze, frage ich mich, ob ich das überhaupt verdient habe. Für mich ist es das erste mal, dass ich sowas für jemanden empfinde.", erkläre ich. „Was empfindest du?", fragt Markus weiter. „Liebe.", sage ich.

Markus beugt sich zu mir herüber. Sanft berühren seine Lippe meine. Es ist ein kurzer und unschuldiger Kuss, aber er bringt alles in mir zum schmelzen. „Und du?", frage ich, „Was empfindest du, wenn du mich siehst?"
Markus sieht zu mir. „Das Leben.", sagt er schlicht. Ich warte stumm auf eine Erklärung. „Wenn ich dich sehe, sehe ich wie das wär Leben aussieht. Ich sehe dich und bin glücklich. Es ist, als wäre alles andere unwichtig, solange du da bist. Lilli, du bist meine Definition von Glück.", sagt er. Eine einzelne Träne läuft mir über die Wange, den Rest halte ich zurück. Ich wische mir die Träne weg und sehe lächelnd zu ihm. „Aber für den Liebesbrief an Vanessa warst du nicht cool genug?", frage ich lachend. Auch Markus beginnt zu lachen.

„Du hast dir alles gemerkt, was Vanessa über uns erzählt hat?", fragt Markus, als wir uns wieder beruhigt haben. „Na klar. Ihr wart Vanessa damals schon wichtig und sie mir.", sage ich. „Ich glaube, man kann keine bessere Freundin haben, als dich.", meint Markus. „Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen. Jeder bei den wilden Kerlen ist ein guter Freund.", erwidere ich.
In mir brennt noch immer die Frage, was wir nun sind. Aber ich stelle sie noch immer nicht. Wenn Liebe doch nur sprechen könnte, dann wäre so vieles einfacher.
„Du bist mehr für mich.", sagt Markus plötzlich. Ich sehe zu ihm. „Du bist alles für mich.", ergänzt er. Und mit einem Kuss, beantwortet er meine stille Frage.

*
Ein Prost an mein Handy, das aus „Ich lache in mich hinein" „ich kacke in mich hinein" und aus „frage ich lachend" „frage ich kackend" macht.🥂 Richtig poetisch!
Ich bin im übrigen um fünf Uhr morgens aufgestanden, um um halb sieben ins Feld zu fahren, damit ich mir den Sonnenaufgang angucken kann. Dann saß ich zehn Minuten auf der Bank und dann hat es einfach angefangen zu regnen. Ich war ein wenig enttäuscht.

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