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Ohne sie, würde ich verrückt werden. Sie bewahrt mich davor, ohne dafür etwas zu verlangen.
*
Markus

Ich bin schon seit Stunden unterwegs. Und je weiter ich laufe, desto kälter wird mir. Zitternd laufe ich zwischen den Bäumen hindurch und rufe immer wieder nach Lilli. Aber sie ist nicht aufzufinden. Nirgendwo ist eine Spur, ich will aber nicht aufgeben. Ich will sie nicht aufgeben.

Lilli war die letzten Wochen immer da und hat sich alles angehört, was ich zu erzählen habe, ohne mich zu bemitleiden. Ich kann alle meine Gefühle bei ihr rauslassen und das kann ich nicht verlieren. Vielleicht ist es selbstsüchtig und falsch. Vielleicht hört es sich an, als würde ich sie nur ausnutzen, weil ich nie das gleiche mache. Aber ich kann das nicht verlieren. Ohne sie, würde ich verrückt werden. Sie bewahrt mich davor, ohne dafür etwas zu verlangen.

„Lilli!", schreie ich verzweifelt. Immer und immer wieder, so Laut, dass es anfängt im Hals wehzutun. Ich huste, als ich sie erneut rufe. „Markus?". Erschrocken reiße ich meine Augen auf und schaue mich um. Lilli's stimme zu hören, lässt ein wenig der Last von meine Schultern fallen. Aber nur solange, bis ich sie erneut hilfesuchend meinen Namen schreien höre. „Wo bist du?", rufe ich. „Ich weiß es nicht. Markus, ich stürze ein!", ruft sie verängstigt zurück. „Ruf weiter!", schreie ich.

Ich folge ihrer Stimme und je näher ich komme, desto panischer klingt sie. Es ist dunkel geworden und ich kann kaum noch durch den Schneesturm schauen. „Markus.", ruft sie erneut. „Ich bin gleich da.", rufe ich zurück. Ich beginne zu rennen. Immer schneller, bis ich sie sehe. „Bleib stehen.", ruft sie plötzlich. Lilli steht auf einer freien Fläche und schaut verängstigt zu mir. „Bleib stehen verdammt!", schreit sie erneut. Abrupt bleibe ich stehen und sehe sie an. „Das Eis wird brechen!", sagt sie. Sie weint. Lilli steht auf einem zugefrorenen See und zittert. Der Wind weht ihr durch die Haare und lässt sie erschaudern. „Ich komme zu dir!", sage ich, doch sie schüttelt ihren Kopf. „Das Eis wird das nicht aushalten!"

Um sie herum sind Risse und wenn ich jetzt noch darauf gehen würde, würde es brechen. „Ok.", sage ich ruhig, „Komm zu mir. Langsam."
Lilli bleibt stehen und sieht panisch zu mir. „Mach einen Schritt nach dem anderen Lilli. Du kannst das!", rufe ich ihr zu. Sie macht einen Schritt. Ich höre das Eis knacken, aber sie macht den nächsten Schritt. Die Risse werden größer. „Genau so, Lilli. Es ist nicht weit.", ermutige ich sie. Lilli ist circa drei Meter von mir entfernt und geht kleine Schritte vor. Ich nicke ihr zu und strecke meine Hand nach ihr aus, als sie nur noch einen knappen Meter entfernt ist. Sie streckt ihren Arm aus, aber in dem Moment bricht das Eis. Lilli schreit auf, während das Eis unter ihr bricht. Verzweifelt versucht sie sich am Eis festzuhalten, aber rutscht immer wieder ab. Und in diesem Moment setzt mein Verstand aus. Ich renne aufs Eis. Auf Lilli zu. Vor ihr Knie ich mich auf das Eis und ziehe sie raus. Ich stütze sie, als wir zusammen vom Eis runter rennen. Die Risse vergrößern sich immer weiter und mit jedem Schritt den wir machen, bricht mehr Eis weg. Den letzten Meter schupse ich Lilli vom Eis und springe dann selber ans Land.

Keuchend stützt sich Lilli auf ihren Händen ab. Auch ich setze mich in den Schnee für einen kurzen Moment, um Luft zu holen. Als ich jedoch zu Lilli sehe, springe ich sofort wieder auf. Sie zittert am ganzen Körper, ihr Gesicht ist bleich, während sich ihre Lippen blau verfärbt haben. Ihre Atmung geht schnell und ihre Hände, vorfallen ihr Finger, sind gerötet. Ich zögere nicht lange und hebe sie hoch. „Halt durch.", sage ich ihr. Sie brummt und schmiegt sich an mich. Durch den Stoff meiner Kleidung spüre ich, wie kalt sie ist. Ich renne schneller.

Der Weg kommt mir unendlich lang vor. Es scheint, als würden die Minuten an mir vorbei rasen. Und Lilli wird immer schläfriger. „Halte durch, Lilli. Wir sind gleich da.", sage ich ihr erneut. Sie antwortet nicht, sondern nickt leicht. Und dann kommen wir endlich an. „Verdammt wacht auf!", schreie ich, als ich nur das Licht einer Laterne sehe. Alle schrecken auf und kommen auf mich zu. Ich renne an ihnen vorbei direkt in ein Zelt. Vanessa folgt mir. „Schitte. Was ist passiert?", fragt Vanessa schockiert. „Was sollen wir machen?", frage ich, statt zu antworten. „Umziehen. Sie muss aus den nassen Klamotten raus!", sagt Vanessa schnell. Lilli bekommt kaum was mit. Nichtmal als ich ihr Oberteil zerreiße. Es klebt alles an ihrem Körper und es geht mir nicht schnell genug. Vanessa und ich trocken sie ab und ziehen ihr wahllos Klamotten von mir an. „Wir haben Feuer angemacht.", ruft Juli von draußen. Lilli zittert noch immer und besorgt sehe ich zu Vanessa. „Ist es dort wärmer?", frage ich sie überfordert. Ich lege Lilli noch eine Decke um. Aber sie hört nicht auf zu zittern. „Ich weiß es nicht.", gibt Vanessa zu. Verzweifelt drücke ich Lilli an mich. „Warum ist sie auf das Eis gegangen?", frage ich Vanessa, weil ich nicht weiß was ich tun soll. Vanessa blickt zu Lilli und seufzt, „Ich weiß es nicht." sie legt ihr eine weitere Decke um ihren Körper.

Als es nicht besser wird, trage ich Lilli zum Feuer. Noch immer an mich gedrückt, lässt das Zittern nach. Hier am Lager schneit es nicht. Der Schneesturm ist noch nicht hier angelangt. Ich merke, wie es am Feuer wärmer wird und atme erleichtert auf, als Lilli seufzt und allmählich auftaut. Ihre Haut gewinnt wieder an Farbe und auch ihre Lippen sind nicht mehr so blau. Lilli schläft ein, während sich ihr Körper langsam wieder aufwärmt.

„Was ist passiert?", fragt mich Leon und sieht zu Lilli. Ich kann seinen Blick nicht deuten. Schützend drücke ich Lilli näher an mich. „Ich weiß es nicht. Als ich sie gefunden hab stand sie auf einen zugefrorenen See. Sie hat total verängstigt und verwirrt ausgesehen, als wüsste sie selbst nicht, was sie getan hat. Als sie zu mir kommen wollte, ist das Eis unter ihr zusammengebrochen.", erkläre ich. Maxi setzt sich zu uns ans Feuer. Er wirkt müde. „Sie war schon vorher irgendwie komisch. Seitdem wir hier im Wald sind.", sagt er. Leon nickt. „Irgendwas stimmt mit diesem Wald nicht, das spüre ich auch.", sagt er noch.

„Wir sollten schlafen gehen.", sagt Juli, der sich müde die Augen reibt. „Geht es Lilli besser?", fragt Juli nach. Inzwischen sitze ich seit zwei stunden mit Lilli am Feuer. Sie hat aufgehört zu zittern und sieht wieder vollkommen normal aus. Nur ihre Nase ist noch gerötet. Ich nicke, „Sie schläft."
Juli nickt und seufzt. Er kniet sich neben mich und legt seine Hand auf meinen Rücken. „Du solltest auch langsam schlafen gehen.", sagt er. Juli lächelt mir zu. „Ich kann sie nicht alleine lassen.", entgegne ich ich und sehe wieder zu Lilli. Ich ziehe die Decke wieder ein Stück hoch. Lilli atmet einmal tief durch und schläft weiter. „Das musst du auch nicht. Aber es war für euch beide ein anstrengender Tag.", meint Juli. Er steht auf und geht in sein Zelt.

Nun sitzen Lilli und ich alleine am Feuer. Als dieses ausgeht, trage ich Lilli in mein Zelt. Vorsichtig lege ich sie ab und achte dabei, dass sie nicht auf dem kalten Boden liegt. Ich decke mich mit den selben Decken wie Lilli zu und sehe sie an. Dann dreht sich Lilli selbst zu Seite und rückt näher an mich ran. Sie schläft noch, als sie sich an mich drückt. Unschlüssig lege ich meinen Arm um sie und beobachte sie beim schlafen. So lange, bis ich schließlich selbst einschlafe.
*

„Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte.

Nicht, weil er dem Ast vertraut, sondern seinen eigenen Flügeln.

Verliere nie den Glauben an dich selbst!"

Und damit wünsche ich euch einen schönen Sonntag:)

if love could speakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt