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Als sie in Deutschland landeten, wurde Hope von der Lautstärke der umherrennenden Menschen beinahe erschlagen.
Wie wild rannten die Menschen umher und wäre der No-Name-Mann nicht da gewesen, hätte Hope sich mit Sicherheit verirrt. Aber der No-Name-Mann stolzierte durch die Massen und blieb nur einmal kurz stehen, damit Hope ihren Koffer von dem Gepäckband heben konnte. Dann eilte er weiter, und ließ sie wieder mit dem riesigen Koffer alleine.
Vor Wut kochend kam das Mädchen am Auto an. Der No-Name-Mann saß schon neben dem Taxifahrer.
„Thanks a lot...", murmelte sie und warf dem No-Name-Mann einen verächtlichen Blick zu. Der Taxifahrer war so nett und half ihr dabei, den Koffer in den Kofferraum zu wuchten. Artig bedankte sie sich und setzte sich auf die Rückbank.
Der No-Name-Mann telefonierte gerade mit jemandem und Hope erkannte das schnelle Deutsch. Allerdings waren ihre Deutschkünste noch nicht gut genug, um es verstehen zu können.
Genervt sah sie aus dem Fenster und wartete darauf, endlich anzukommen.
Nach einer Fahrt, die mal wieder schweigend verlaufen war, kamen sie an einem recht großen Haus an.
Der No-Name-Mann bezahlte den Taxifahrer und eilte dann zur Tür. Ohne auf Hope zu achten, die ihm verwirrt hinterher sah, schloss er die Türe auf und verschwand in dem Haus.
„Well, he seems to be of a very nice kind...", murmelte der Taxifahrer und Hope nickte.
„Yeah, you're right..."
Er half ihr wieder dabei, den Koffer aus dem Kofferraum zu heben und sie bedankte sich noch einmal. Dann war er weg und ließ Hope alleine.
Noch nie hatte sich das Mädchen irgendwo so unerwünscht gefühlt, wie in diesem Moment auf diesem Grundstück.
Seufzend rollte sie den Koffer zur Tür und klingelte.
Rea öffnete ihr die Türe, aber anstatt sie zu begrüßen eilte er nur wieder davon. Hope erkannte das er telefonierte. Und zwar ziemlich angeregt. Der No-Name-Mann kam wieder und forderte sie mit einer Handbewegung dazu auf, ihm zu folgen.
Na das nenne ich doch einmal einen herzliches Willkommen..., dachte sie mürrisch und folgte dem No-Name-Mann in die zweite Etage. Er öffnete ihr ein Zimmer und verschwand wieder. Hope stieß die Türe vorsichtig weiter auf und spähte in den Raum, der sich vor ihr auftat. Tatsächlich war das Zimmer recht liebevoll eingerichtet;
Es gab einen weißen Schreibtisch mit einem grauen Stuhl, ein weißes Himmelbett und einen grauen aber sehr flauschig aussehenden Bettvorleger. Ein weißer Kleiderschrank und eine kleine Kommode mit einer Stereoanlage darauf. An einer Wand war eine große Fensterfront, welche sich öffnen ließ und den Durchgang zu einem kleinen, aber feinen Balkon öffnete. Aber das beste an dem Zimmer, war der von der Decke hängende Boxsack.
Ehrfürchtig ging Hope auf den Boxsack zu und strich mit ihren Fingern über die kalte Oberfläche.
„So, do you like it?", fragte plötzlich eine dunkele Stimme und erschrocken wandte Hope sich um. Rea stand in der Tür und beobachtete sie.
„Yes.", gab sie trocken zurück und wandte sich wieder um. Rea, der das offenbar als eine Einladung einzutreten ansah, kam in den Raum und setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl.
„Sorry, that your welcome wasn't very... welcoming. But I had an important call and Traver took his job a little too professional.", entschuldigte Rea sich, doch Hope glaubte ihm kein Wort. In ihren Augen war er noch immer der Grund, weswegen ihre Eltern tot waren. Als Hope nicht antwortete, sah Rea verlegen aus dem Fenster und stand wieder auf.
„Yeah... lunch is at twelve, if you're hungry feel free to join. It's in the dining room, you can't miss it.", sagte Rea und war definitiv enttäuscht. Auch wenn Hope ihm noch ziemlich stinkig war, konnte sie ihn nicht einfach so gehen lassen. Gerade als ihr Onkel den Raum verlassen hatte, rief sie noch einmal:
„Uncle Rea?", verlegen streckte dieser seinen Kopf noch einmal durch die Türe. „Thanks for the punching bag.", sagte sie leise und Rea lächelte ein wenig, ehe er den Raum wieder verließ.

Zum Essen erschien Hope nicht. Nicht nur, weil sie absolut keinen Appetit hatte, sondern auch weil sie sich mit keinem Unterhalten wollte. Aber Rea und seine Frau akzeptierten dies und ließen das Mädchen einfach in Ruhe.
Den ganzen Tag war Hope alleine auf ihrem Zimmer und räumte ihre Sachen in die Schränke. Dann untersuchte sie die drei Schubladen der Kommode.
Die untere und die obere waren leer. Nur in der mittleren gab es viele CDs. Darunter natürlich auch Alben von Rea und Reamon aber natürlich auch Bands wie Queen und Linkin Park. Auch andere Solokünstler waren dabei und schnell hatte Hope alles Sortiert. Die CDs, die sie am ehesten Hören würde, lagen ganz oben und die die sie nicht hören würde, unten. Aber was sie am interessantesten Fand, war die Tatsache das auch deutschsprachige Künstler darunter waren. Zum Beispiel Mark Forster, Yvonne Catterfeld oder auch die Fantastischen 4.
Nichts ahnend und naiv wie Hope war, legte sie die CD der Fantas ein und wurde direkt von dem Rap überrumpelt.
„Even if that was English or Irish I wouldn't understand a word.", murmelte sie und stoppte die CD. In der Hoffnung das es etwas langsamer war, legte sie die CD von Mark ein und sie hatte glück. Mark sang und rappte nicht. Das hatte zur Folge, dass Hope unterscheiden konnte, wann ein Wort endete und ein neues begann.
Den ganzen Abend lauschte sie deutscher Musik und übte ihre eigenen Vokabeln.
„Ich bin Hope und 14 Jahre alt. Geboren wurde ich in Tralee, Irland. Meine Hobbies sind Boxen und Musik hören. Ich wohne bei meinem Onkel, Rea Garvey.", erzählte sie einem kleinen Stoffkoala, den sie zwischen ihren Kissen auf dem Bett gefunden hatte. „Meine Lieblingsfarben sind... äh schwarz und... rot?", nachdenklich sah sie auf ihr Vokabelblatt und nickte. „Ich finde es nicht gut, dass mein Gips pink ist.", erzählte sie dem Koala, den sie spontan Conner getauft hatte. Plötzlich hörte sie ein Pfeifen hinter sich und wandte sich erschrocken um. Rea stand mit einem Teller und einem Glas Apfelsaft in der Tür.
„Since when are you learning?", fragte er neugierig und stellte den Teller und das Glas auf ihrem Tisch ab.
„Since yesterday...", sagte sie leise.
„Impressive... I didn't learn German that fast.", stellte ihr Onkel fest.
Du bist auch nicht der Maßstab der Dinge, Mister ich-kann-alles!, dachte sie, sagte aber nichts.
„If you get hungry later.", sagte Rea und verließ den Raum wieder. „Sleep tight. Tomorrow will be a better day.", ,einte er noch, dann war er weg.
Tomorrow will be a better day.", äffte Hope ihn genervt nach. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie doch etwas essen sollte. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts zu sich genommen, und das war alles andere als gesund. Also stand sie auf, machte Mark Forster ein wenig lauter und setzte sich an ihren Tisch. Nach einem kurzen Augenblick stand sie aber wieder auf, und holte die CD aus der Stereoanlage. Anstelle von dieser, kramte sie ganz unten nach einer von Reas CDs. Als erstes bekam sie NEON zu fassen, und legte diese ein. Denn so sauer sie auch auf ihren Onkel war, aber seine Musik... An der gab es einfach nichts auszusetzen. Und das wusste Hope.
Rea, der noch einen Moment vor der Türe stehen geblieben war, fing an zu Grinsen als die Musik von Mark Forster auf Rea Garvey umschaltete. Mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen ging er zurück zu seiner Frau.

SEINE Tochter (Rea Garvey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt