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Hope fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Das konnte nicht sein. Das Ergebnis musste falsch sein! Es war ausgeschlossen, dass Rea ihr Vater war. Nahezu unmöglich. Hope ließ den Brief sinken und starrte einfach nur auf den Boden vor sich. Sie wollte nicht glauben, was sie eben gelesen hatte. Ihr ganzes Leben lang, hatte sie Cadan "Papa" gerufen. Ihr ganzes Leben, war sie davon ausgegangen, dass er ihr Vater war. Und jetzt, innerhalb von ein paar Sekunden, wurde das alles zerstört. Ihr gesamtes Weltbild, brach in tausend - nein, millionen - Stücke. "Warum?" murmelte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch plötzlich, kam ihr eine ganz andere Frage in den Kopf. Hatte Rea davon gewusst? Wusste er, dass er ihr Vater war? Die Wut, von der Hope dachte, sie wäre erloschen, flammte mit einem Mal wieder auf. Rea musste davon gewusst haben! Warum sonst, hätte er auf einmal so dermaßen seine Einstellung ihr gegenüber geändert? Hope hob den Brief noch einmal und sah auf das Datum. Es war genau vier Tage, bevor der Unfall gewesen war. Also wusste Rea es mit Sicherheit. Warum hatte er nichts gesagt?! Wutentbrannt sprang Hope auf und stampfte auf ihre Türe zu. Den Brief hielt sie so fest in der Hand, dass ihre Knöchel weiß wurden. Sie stürmte durch den Flur auf das Gästezimmer zu. Ohne anzuklopfen riss sie die Türe auf und schaltete das Licht an. "Ey, weißt du, wie spät es ist?! Ich will schlafen!" beklagte Rea sich müde, doch Hope reagierte nicht. "Wusstest du es?" zischte sie gefährlich und jetzt setzte Rea sich auf. "Was soll ich gewusst haben?" fragte er verwirrt. "Du wusstest es." sagte Hope, wandte sich ab und rannte in Richtung von ihrem Zimmer. Sie wollte die Türe abschließen, aber der Schlüssel steckte nicht. Wütend riss sie die obere Schublade ihres Nachttischs auf und holte den Schlüssel hervor. Gerade als sie die Türe zu machen wollte, und abschließen, stellte Rea seinen Fuß, welcher in einem Hausschuh steckte, dazwischen. "Sagst du mir jetzt wohl endlich, was ich angeblich wissen soll!" forderte Rea sie auf und wurde etwas lauter. Doch Hope sah ein, dass sie die Türe nun nicht mehr abschließen konnte, also legte sie sich in ihr Bett, zog die Decke über sich, wandte sich zur Wand und schloss die Augen. Dass einige Tränen aus ihren Augenwinkeln traten, konnte sie nicht verhindern. "Hope Aideen Garvey, sprich mit mir!" sagte Rea mit fester Stimme, doch Hope rührte sich nicht. Plötzlich spürte sie, wie Rea sich auf ihre Bettkante setzte. Jetzt hielt Hope es nicht aus. "Verdammt, du wusstest, dass du mein Vater bist! Du wusstest, dass in dem Nachtschrank das Ergebnis ist!" schrie sie und Tränen der Verzweiflung rannen ihre Wangen hinab. "Warum Rea?! Sag mir nur warum?! Warum haben du und Mum mich die ganze Zeit belogen! Wenn ihr mir es gesagt hättet, wäre ich nicht halb so verletzt wie ich es jetzt bin!" schrie sie und ihr Arm zuckte gefährlich hoch. Doch ehe sie ihrem Vater ins Gesicht schlug, hatte sie sich wieder unter Kontrolle, und sie zog ihren Arm zurück. "Warum, verdammt?!" schrie sie, sprang auf und rannte hinaus. Sie hatte noch immer ihre Klamotten an und als sie im Flur ankam, griff sie nach ihrer Jacke und schlüpfte in ihre Schuhe. Dann war sie auch schon aus dem Haus. Sie musste jetzt erst einmal etwas alleine sein.

Rea saß derzeit völlig perplex auf dem Bett von Hope und starrte ins Leere. Er war Vater? Seit vierzehn Jahren? Langsam löste er sich aus seiner Starre und sein Blick fiel auf den Brief der auf dem Bett lag. Mit zitternden Händen griff er danach und faltete ihn auseinander. Geschockt las er die Worte und mit jedem einzelnen wurde das Fragezeichen in seinem Kopf nur größer. Wie? Wann? Warum? Was? Jede erdenkliche Frage spukte durch seinen Kopf. Doch mit einem Schlag, waren sie alle weg. Noch einmal würde er nicht zulassen, dass Hope weg rannte. Diesen Fehler würde er nie wieder machen. Wer wusste schon, was sie jetzt vor hatte? Er stand auf und eilte ins Gästezimmer. In rekordverdächtiger Geschwindigkeit zog er sich Jeans und Pulli an und verließ mit Schlüssel und Jacke in der Hand das Haus. Hopes Handy lag in ihrem Zimmer also versuchte er gar nicht erst, sie anzurufen. Doch kaum das er auf der Straße stand, stellte sich schon das erste Problem in den Weg des Sängers. Links oder Rechts? Nach kurzem Zögern entschied er sich für Rechts. Warum wusste er selber nicht ganz so genau, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass Hope rechts lang gelaufen war. Aufgrund der Verletzung an seinem Bein konnte er allerdings nicht so schnell laufen, wie er gerne würde. Aber dennoch kam er gut voran. Gerade lief er an einem Feldweg Eingang vorbei als er abrupt stehen blieb. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Hope sich an den Straßenverlauf hielt? Nicht sehr hoch, also entschied Rea, dass er dem Feldweg folgen sollte. Gedacht getan. Und er lag mit seiner Vermutung nicht einmal allzu falsch. Nachdem er nur knapp fünf Minuten den Feldweg entlang gegangen war kam er an einem Bach an, welcher zwischen ein paar Bäumen floss. Er blieb stehen und hörte plötzlich ein verzweifeltes Schluchzen. Sofort schlich er sich zu den Bäumen und blieb dort stehen. Am Wasser saß Hope und weinte fürchterlich. Sie hatte ihren Kopf an einen Baum gelehnt und ihre Füße waren im Bach. Auch wenn er nicht wusste, ob es richtig war, setzte Rea sich wieder in Bewegung und ließ sich neben sie sinken. Doch Hope schlug die Augen auf und funkelte ihn an. "Lass mich ja in Ruhe!!" schrie sie und wollte ihn von sich weg schubsen, doch so leicht ließ Rea sich nicht abwimmeln. Es wurde eine Rangelei die damit endete, dass Hope in den Armen ihres Vater landete und sich ausweinen konnte. Rea drückte sie an sich, damit sie nicht wieder abhauen oder ihn schlagen konnte. Er strich beruhigend über ihren Rücken. Doch kaum das dieser besinnliche Moment begonnen hatte, unterbrach das Mädchen ihn auch schon wieder. "Ich habe gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen." zischte sie mit brüchiger Stimme, löste sich aus den Armen ihres Vaters und erhob sich. "Okay, ich lasse dich in Ruhe. Aber beantworte mir nur diese eine Frage. Bitte." sagte Rea ruhig, während seine Tochter schon langsam davon ging. Sie blieb stehen und wandte sich zu ihm. Über ihre Wangen rannen wieder Tränen und tropften von ihrem Kinn auf den Boden. "Warum glaubst du, hätte ich dich anlügen sollen?

SEINE Tochter (Rea Garvey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt