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Der Unterricht verlief, wie Hope erwartet hatte, ziemlich eintönig.
Herr Müller hielt ihr einen Vortrag über Deutsche Grammatik, und gab ihr dann knapp fünfundvierzig neue Vokabeln zum Lernen auf. Schließlich bekam sie noch ein Arbeitsblatt und durfte es unter seiner Betreuung bearbeiten.
Völlig genervt ging Hope in der kurzen Pause zum Küchenschrank und nahm sich ein Glas. Sie trank ein wenig Wasser und fluchte vor sich hin. Wenn sie nicht während des Unterrichts starb, dann würde sie Rea beim Mittagessen für diesen miesen Zug umbringen.

Die nächsten Tage verliefen alle gleich.
Morgens kam Herr Müller und hielt Vorträge. Mittags lernten sie Vokabeln und nachmittags machte sie Aufgaben. In rasender Geschwindigkeit besserte sich Hopes Deutsch so weit auf, dass Rea anfing deutsch mit ihr zu sprechen. Nicht dass sie wirklich viel mit ihm gesprochen hätte, aber dennoch. Am Ende der zweiten Woche verabschiedete Herr Müller sich ein letztes Mal.
„Ich hoffe, ich konnte dir einiges beibringen.", lächelte er als Hope ihn zur Tür brachte.
„Konnten Sie. Danke.", gab sie übertrieben höflich zurück. Auch wenn der Unterricht keinen Spaß gemacht hatte, hatte sie doch fleißig gelernt. Schließlich war Hope nicht blöd und konnte sich selber denken, dass so der Einstieg in die Schule einfacher war.
Als Herr Müller endlich verschwunden war, ging Hope in den Garten und setzte sich am Bach ins Gras. Hier verbrachte sie gerne die Zeit. Vor allem weil der Boxsack in ihrem Zimmer immer zum Trainieren einlud, aber sie dank ihres Ames nicht Boxen konnte. Frustriert lehnte sie sich zurück und starrte in den Himmel.
„Diese Wolke seht aus, wie ein Drache...", murmelte sie.
„Sieht aus.", erklang auf einmal eine Stimme und Hope setzte sich auf. Rea hatte sie in einiger Entfernung ins Gras gesetzt und blickte zu ihr.
„Sieht aus wie ein Drache.", gab sie vollends genervt zurück und ließ sich wieder ins Gras sinken. Mit ihrem Onkel wollte sie nun wirklich nicht reden.
„Es gibt da eine Sache, die du wissen solltest...", hob Rea plötzlich verheißungsvoll an.
„Oh wirklich?", gab Hope genervt zurück und blickte wieder in den Himmel.
„Ja. Und zwar...", fuhr Rea langsam fort. Aber weiter kam er nicht.
Verwundert darüber, dass er einfach aufgehört hatte zu reden, sah Hope zu ihm. Rea war kreidebleich im Gesicht und es sah aus, als würde er irgendetwas schreckliches sehen. Allerdings blickte er nur auf das Gras.
„Onkel Rea...?", fragte Hope vorsichtig. Er schüttelte verwirrt den Kopf und sah zu ihr. „Du wolltest irgendetwas wichtiges zu mir sagen.", erklärte sie so gut es ging und Rea sah sie verwirrt an.
„Wollte ich? Nein, jetzt habe ich es vergessen. Dann wird es aber wohl auch nicht so wichtig gewesen sein.", er erhob sich wieder. „Ich gehe mal wieder rein.", meinte er dann und kraxelte den Hügel nach oben.
„Strange guy...", murmelte Hope und legte sich kopfschüttelnd wieder ins Gras. Was konnte es schon so Schreckliches auf dieser Erde geben, dass es Rea Garvey die Sprache verschlug?

Am nächsten Morgen wachte Hope recht gut gelaunt auf.
Als erstes fiel ihr auf, dass ihre Zimmertüre nur angelehnt war. Danach bemerkte sie den dunkelgrauen Rucksack mit braunen Elementen an ihren Tisch gelehnt.
Ui! Ich glaube, dass ist mein neuer Rucksack....?, überlegte sie und stand auf. Sie ging auf den Rucksack zu und untersuchte ihn von oben nach unten. Es war ein schöner Rucksack und gefiel ihr sehr gut.
 Als sie das vorderste Fach öffnete, lugte ihr ein Zettel entgegen und sie holte ihn hervor. Da er Handgeschrieben war, vermutete sie einfach einmal eine Nachricht ihres Onkels. Sie seufzte und faltete den Zettel auseinander. Glücklicherweise war es Englisch, so dass sie nicht schon so früh am Morgen deutsch denken musste:

Dear Hope,
Ich hoffe du hast gut geschlafen? Wenn du den Zettel hier liest, gehe ich einmal davon aus, dass du deinen neuen Rucksack auch schon gefunden hast. Ich hoffe er gefällt dir und es ist nicht allzu schlimm, dass wir ihn nicht gemeinsam ausgesucht haben. Aber ich dachte mir, du hast wahrscheinlich keine Lust mit deinem nervigen Onkel einkaufen zu gehen. Ich kann an deinem ersten Schultag leider nicht da sein, weil noch ein wichtiger Termin rein gekommen ist. Aber ich wünsche dir übermorgen ganz viel Spaß und stell nicht zu viel Scheiße an.
Bis in einer Woche oder wann auch immer du das nächste Mal mit mir redest.
Rea.

Auch wenn Hope wirklich genervt von ihrem Onkel war, so hatten sie diese Worte doch ein ziemlich mieses Gefühl in ihr hinterlassen. Vor allem der letzte Satz.
„Mensch... jetzt fühle ich mich bad...", murmelte sie und faltete den Zettel wieder zusammen. Aber dann fiel ihr etwas auf. Für einen Termin konnte er seinen Arsch auf einmal bewegen aber um den Geburtstag seines Bruders zu feiern nicht. Augenblicklich war das Schuldgefühl wie weggeblasen und ersetzt durch Wut.
Vor Wut kochend zerknüddelte sie den Zettel und warf ihn in hohem Bogen in den Mülleimer. Plötzlich klopfte es wieder.
„Hope?" erklang die Stimme von Reas Frau, Doreen.*
„Was gibt es?", rief sie zurück und ballte wütend die eine Faust.
„Wir haben einen Termin im Krankenhaus. Heute soll dein Gips gegen einen Verband ausgetauscht werden.", kam die Antwort zurück.
Na wenigstens eine gute Nachricht..., dachte Hope genervt und zog sich schnell um. Dann fuhren sie und Doreen ins Krankenhaus.   

*INFO: In Wirklichkeit heißt Reas Frau Josephine, aber aufgrund der späteren Handlung möchte ich ungerne ihren echten Namen verwenden. Also stellt euch bitte eine andere Frau an Reas Seite vor. ;)

SEINE Tochter (Rea Garvey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt