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Vor Schreck fiel Hope beinahe von der Mauer. Sie blickte zu dem Auto, welches in scheinbar rasender Geschwindigkeit auf sie zukam. Im ersten Moment wusste Hope nicht so wirklich, was sie tun sollte. Sie wusste nicht, ob Rea gut genug versteckt war und die beiden Careys ihn finden würden. Doch was sollte sie machen? Wenn sie auf der Mauer sitzen blieb, würden die beiden Careys sie sofort sehen. In den Keller konnte und wollte sie nicht. Außerdem würden die beiden so viel schneller auf die Suche nach Rea gehen. Panisch sah sie nach vorne. Das Auto kam immer näher und wenn Hope nicht bald ihren Standort änderte, dann säße sie in der Falle. In einem Geistesblitz sprang sie auf und lief auf den Hof. Vielleicht könnte sie die beiden von Rea weglocken. Sie ging in den Raum wo die Treppe zum Keller war und versteckte sich in einer dunklen Ecke. Als die beiden Careys dann wenig später fröhlich quatschen herein spazierten, flammte eine unbeschreibliche Wut in ihr auf. Am liebsten wollte sie Carey-Senior anspringen und ihm sein verdammtes Messer in den Magen rammen. Doch sie beherrschte sich und zwang sich zu ein wenig Ruhe. Genau als die beiden Careys die Falltür abhoben, schlich sie zur Tür. "Ich dachte, ihr wolltet erst morgen wiederkommen... mit Besuch habe ich jetzt nicht gerechnet..." sagte sie klar und deutlich. Die beiden Careys fuhren herum und Hope grinste ihnen frech ins Gesicht. "Fangt mich!" Rief sie, drehte sich auf der Achse um und stürmte davon.

Mit einem Satz war sie über die niedrige Mauer gesprungen und stürzte auf den Wald zu. Dieser lag nämlich genau in der entgegengesetzten Richtung von Rea und so konnte sie ihn vielleicht wenigstens für den Moment schützen. Als sie den Wald erreichte wagte sie einen Blick über die Schulter. Tatsächlich folgten ihr beide Careys. Also, dass die so blöd sind mit beide hinterher zu rennen, hätte ich auch nicht gedacht... dachte sie und setzte ihren Weg fort. Sie hielt sich immer im Wald, aber so nah am Feld, dass sie die Ruine noch so gerade erkennen konnte. Der Lauf zerrte extrem an ihren Kräften und bald musste sie das Tempo etwas drosseln. Sie warf noch einmal einen Blick nach hinten. Die beiden Careys waren etwa zehn Meter hinter ihr. Auch wenn Carey-Senior noch recht jung und Carey-Junior ein guter Sprinter, aber offenbar konnten sie mit der neuen Kondition von Hope nicht mithalten. Diese schlug plötzlich einen Hacken und lief wieder auf die Ruine zu. Es konnte nicht mehr allzu lange dauern, bis die Rettungskräfte dort aufkreuzten. Und für Hope war es weniger anstrengend den Hin­der­nis­par­cours, den die Ruine darstellte, zu absolvieren, als die ganze Zeit durch den Wald zu rennen.
Sie lief über das Feld und betete, dass ihre Kondition noch für eine Weile durchhielt. Sie sprang mit einem Satz auf die Überreste der Mauer und kletterte hinauf. Ihr Adrenalin sorgte dafür, dass sie ihr Gleichgewicht nicht verlor. Als sie an der höchsten Stelle angelangt war, sah sie nach unten zu den beiden Careys. Carey-Junior kletterte ihr hinterher, während Carey-Senior sich umsah. „Wenn du nicht willst, dass dein Onkel dafür büßt, dann bewegst du deinen Arsch aber ganz flott hier runter!" grölte er dann. Doch Hope lachte nur. „Bitte, tu dir keinen Zwang an." Lachte Hope und sah hinter sich. An der Mauer könnte sie vermutlich nach unten klettern. Ohne lange zu zögern begann sie an der Mauer hinab zu klettern. Oben wäre sie Carey-Junior schutzlos ausgeliefert gewesen, aber sie musste die beiden noch ein wenig hinhalten. Von der Kletterei fing ihr Arm wie verrückt an zu pochen und die Wunde platzte wieder auf. Doch Hope ignorierte es. Sie konnte, wollte und würde jetzt nicht aufgeben.

Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, nahm sie sich kurz ein paar Sekunden zum Durchatmen. Dann lief sie wieder los und sprang über die Mauer in den Hof, wo Carey-Senior stand. „Na, so sieht man sich wieder...!" zischte er, doch Hope grinste ihm nur frech ins Gesicht und rannte an ihm vorbei. Sie lief in den Keller, auch wenn sie nicht wusste, wie schlau es war. Dort versteckte sie sich und wartete bis Carey-Junior herunter kam. Offenbar hielt sein Vater es nicht für nötig, Hope selber hinterher zu laufen. Dann flitzte sie wieder nach oben und blockierte die Falltür mit einigen Gesteinsbrocken. Zufrieden grinsend trat sie wieder auf den Hof. Doch Carey-Senior war verschwunden. Plötzlich hörte Hope einen schmerzverzerrten Schrei und sämtliche Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf. Die Stimme konnte sie natürlich sofort zuordnen und sofort rannte sie zu Reas Versteck. Dort war dieser aber nicht mehr. Verzweifelt rannte sie wieder auf den Hof und verfluchte sich selber für ihre Leichtsinnigkeit. Wie hatte sie denken können, Rea wäre in Sicherheit? Jetzt hatte dieser Psycho ihn wieder!
Sie sah sich auf dem Hof um und entdeckte eine Schleifspur, die in die Ruine führte. Sofort folgte sie der Spurt und entdeckte bald Carey-Senior der pausenlos auf Rea einschlug. „Jetzt mach aber mal einen Punkt!" fuhr Hope ihn an, und ohne auf eine Antwort zu warten, sprang sie mit einem Satz auf ihn zu und griff den gut einen Kopf größeren Mann am Kragen. Mit ein wenig Gewalt zog sie ihn zu sich auf Augenhöhe und blitzte in seine Augen. „Keiner, schlägt ohne Strafe meinen Onkel so dermaßen zusammen. Und erst recht kein dahergelaufener Psycho, der meiner Verheirateten und inzwischen auch toten Mutter hinterher trauert!" zischte sie und setzte einen gezielten Schlag nach dem anderen an sämtliche Körperstellen ihres Gegenübers. Ihr Boxtraining erwies sich als deutlich hilfreich und nicht zum ersten Mal war sie froh, dass ihre Eltern sie dorthin gebracht hatten. Ab und zu ließ sie Carey-Senior kurz zu Atem kommen, ehe sie weiter ihre Wut an ihm ausließ. Nachdem er allerdings ein angebrochenes Schlüsselbein, eine gebrochene Nase, ein blaues Auge und eine Kopfwunde hatte, ließ sie von ihm ab. Um den Rest durfte sich der Psycho selber kümmern. Halb bewusstlos ließ sie ihn liegen wandte sich aber noch einmal kurz zu ihm. „Darum legt man sich nicht mit einem Garvey an." Zischte sie, ehe sie zu ihrem Onkel eilte. 

SEINE Tochter (Rea Garvey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt