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Hope fiel neben ihrem Onkel auf die Knie. Neben den drei Wunden an Arm, Bauch und Bein und der älteren Kopfwunde blutete er jetzt auch noch aus der Nase und seine Lippe war aufgeplazt. "Erlaube mir das zu sagen, aber du siehst beschissen aus." Sagte Hope und zog ihren Pulli über den Kopf. Sie krempelte ihn auf links und fing an, mit dem noch nicht Blut durchtränkten Ärmel das frische Blut aus seinem Gesicht aufzunehmen. Rea wankte bei jeder Bewegung hin und her und Hope machte sich wieder Sorgen, dass er wieder bewusstlos werden würde. Doch er blieb die ganze Zeit wach. Zwar nicht sehr gesprächig, aber er war wach. Und darauf kam es an am Ende an.
Als Reas Nase aufgehört hatte zu bluten, warf Hope ihren inzwischen komplett blutigen Pulli auf den Boden und half ihren Onkel dabei, sich aufzurichten. Mit ihrer Hilfe schaffte Rea es, ohne Sturz, aus der Ruine zu hinken. "Wo ist der kleine Carey?" Presste Rea hervor, als sie auf dem Hof ankamen. "Ich habe ihn in den Keller gesperrt." Gab Hope zurück und grinste. "Du bist unmöglich." Seufzte Rea, musste aber auch ein wenig lachen. Das wiederum ließ aber den Schmerz in seinem Bauch wieder aufflammen, also unterdrückte er das Lachen lieber.

Dieses Mal wich Hope ihrem Onkel nicht eine Sekunde von der Seite. Sie machte sich wahnsinnige Vorwürfe, dass sie zugelassen hatte, dass Carey-Senior ihn noch einmal verletzen konnte. Auch wenn sie wusste, dass beide Careys nicht in der Lage waren, noch einmal zu kommen, so blieb sie doch lieber bei Rea. Nicht nur damit er nicht alleine war, sondern auch, weil sie sich nicht gerade gut fühlte. Dadurch dass sie sich um ihn kümmerte, konnte sie nicht so viel darüber nachdenken.
Als die Sanitäter endlich eintrafen saß Rea auf der Mauer und Hope stand neben ihm. "Herr im Himmel, was ist denn mit ihnen passiert?" Fragte einer der Sanitäter, doch Rea konnte nicht antworten. Also übernahm Hope das. "Er wurde gestern von einem Mann Namens Carey entführt und her gebracht. Er wurde mit allen Mitteln der Kunst gequält und wäre ich nicht heute Morgen hier eingetroffen, könnte ich nicht garantieren, dass er noch leben würde. Aber Carey und sein Sohn haben uns bei einem Fluchtversuch erwischt und wieder gequält." Sagte sie und einer der Sanitäter winkte sie zu sich. "Erklär mir bitte alles. Meine Kollegen kümmern sich um deinen... Vater?" - "Onkel, aber ja. Danke." Nickte Hope und fing an, jedes noch so kleine Detail zu erzählen. Auch ihre Prügelei mit Carey-Senior ließ sie nicht aus.
Als sie fertig war, schickte der Sanitäter einen seiner Kollegen in das innere der Ruine. "Auch wenn er ein Verbrecher ist, aber er muss von uns verarztet werden." Erklärte er und Hope nickte. Das war ihr schon klar gewesen. Natürlich hätte sie auch nichts dagegen gehabt, diesen Psycho einfach verrecken zu lassen, doch das ging selbstverständlich nicht. „Wie steht es um meinen Onkel?" fragte sie und versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben. Der Sanitäter musste nicht unbedingt wissen, wie nervös sie war. „Ganz okay. Er hat viel Blut verloren und das Salz hat die Sache auch nicht gerade besser gemacht. Aber ich glaube, er wird es überstehen. Er scheint mir ein Kämpfer zu sein." Sagte der Mann und Hope nickte nachdenklich. „Ist er...", murmelte sie, „Das ist er..."

Plötzlich ertönte ein Rumpeln und sofort war Hope auf Alarmbereitschaft. Auch der Sanitäter sah sich aufmerksam um. „Ach ja. Carey-Junior." Rief Hope, klatschte sich mit der flachen Hand vor den Kopf und lief los. Ihren Ex-besten-Freund musste sie schon selber holen.
Sie rollte den letzten Stein von der Falltür und machte diese dann schwungvoll auf. „Und, gar nicht mal so schön, eingesperrt zu sein, habe ich Recht? Aber glaub mal, wenn dein Onkel gerade am Sterben ist, du seit über 22 Stunden nichts mehr gegessen und getrunken hast, dann ist es noch schlimmer." Sagte sie gehässig und Carey funkelte sie an. „Ich wollte dir helfen." Zischte er. „Ja, so siehst du auch aus.", lachte Hope, „Ach komm. Verarschen kann ich mich selber! Spar dir deine Worte und komm da raus. Die Polizei ist hoffentlich auch bald da." Forderte sie ihn auf, doch Carey machte keine Anstalten von der Treppe zu kommen. „Dann eben nicht." Sagte Hope gleichgültig und drehte sich weg. Genau auf den Moment hatte Carey gewartet. Er sprang hoch und riss Hope mit sich um. Beide gingen sie zu Boden, doch Carey drückte Hope mit seinem Gewicht nach unten. „Spinnst du?!" fragte sie und versuchte sich zu befreien. „Das ist für meinen Vater." Zischte Carey, holte aus und schlug Hope ins Gesicht. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihre Wange an der Stelle, wo Carey getroffen hatte. Doch Hope ließ sich nicht beeindrucken. „Was bist du nur für ein jämmerliches Weichei? Erst warten, bis sich das Mädchen umgedreht hat und dann von hinten anspringen. Schon mal was von, Mädchen schlägt man nicht. Gehört?" fragte sie und wich dem nächsten Schlag aus. Carey hatte zwar ordentlich Kraft, aber sonderlich geschickt war er nicht. Hope sah sich um und entdeckte einen handtellergroßen Stein, an den sie vielleicht heran kam. Mit einer Hand langte sie danach, sprach aber weiter, um ihn abzulenken. „Dein Vater hatte nichts anderes verdient. Er hat sich in das Leben meiner Mutter eingemischt und Onkel Rea gequält. Selbst Mum hatte ihm schon wieder verziehen!" endlich kam sie an den Stein ran und konnte ihn in einer schnellen Bewegung gegen Careys Schläfe schlagen. Der Junge kippte bewusstlos von ihr runter und Hope konnte sich aufrappeln. Unter dem Auge hatte sie jetzt auch eine blutige Wunde und warmes Blut floss ihre Wange hinunter. Aber das war es wert gewesen. Sie hatte gesiegt. 

SEINE Tochter (Rea Garvey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt