Nach der Mathestunde verließen alle den Raum, außer Hope und Hendrick. Sie warteten bis alle anderen weg waren und sahen dann erwartungsvoll zu Herrn Schwarz. „Und was hattet ihr beide vor, wenn man das mal so fragen darf?" Sagte der feine Herr plötzlich und legte seine in Lackschuhe gequetschten Schuhe auf das Pult. „Was glauben sie denn? Ich wollte dieser Hochstaplerin die Fresse polieren." Gab Hendrick genervt zurück. Auch wenn Hope keine Ahnung hatte, was eine Hochstaplerin war, so ging sie einfach einmal davon aus, dass es nichts Gutes war. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass du ein Chance gegen mich gehabt hättest?" Lachte sie und zeigte dem Jungen einen Vogel. „Ich boxe since I'm nine." Stellte sie fest und erhob sich von ihrem Platz. ,,I'm really sorry, Herr Schwarz wenn ich habe ihren Unterricht gestört. Das wasn't meine Absicht. But von so einem Idiot brauche ich mir nicht sagen zu lassen, dass ich nicht mit Rea verwandt bin. Er hat keine Ahnung wie es ist alles auf einmal zu verlieren." Sagte sie zwar ruhig, doch ihre Stimme strotze nur so vor Wut. Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ sie den Raum.
Wie ein wild gewordenes Kaninchen lief Hope in der großen Pause durch die Schule und rempelte dabei versehentlich sämtliche Kinder an. Aber so etwas wie Hendrick zu ihr gesagt hatte, wollte sie sich nicht sagen lassen. Sie war keine Ausländerin, die kein Deutsch konnte und nur her gekommen war, weil ihre Lebensbedingungen hier besser waren. Wenn es nach ihr ginge, würde sie jetzt an ihrer alten Schule in Tralee sein und sich über Carey aufregen. Dann würde sie zu ihren Eltern gehen und alle gemeinsam würden sie ein Eis essen. Aber nein, stattdessen musste sie in einem ihr völlig fremden Land in einer neuen Schule hocken, und sich gleich am ersten Tag vor so einem eingebildeten Schnösel behaupten. Planlos rannte sie umher und gelangte auf dem Außengelände an eine kleine Ansammlung von Bäumen. So schnell wie noch nie zuvor in ihrem Leben, kletterte sie auf einen der Bäume und atmete schwer ein und aus. Ihr Arm schmerzte ein wenig und ein stetiges Pochen oberhalb ihrer Schläfe bereitete ihr Kopfschmerzen. Sie brauchte jemanden bei dem sie sich einfach einmal auskotzen konnte. Und zwar ziemlich dringend. Wenn sie da keinen fand würde sie bald verrückt werden. Und sie musste wieder mehr Sport machen, um ihre Energie los zu werden. Denn eigentlich konnte sie keine Prügelei direkt in der ersten Woche gebrauchen. Hope wusste allerdings, dass sie zu mindestens mit ersterem noch etwas Geduld haben müsste. Schließlich fielen solche Personen des Vertrauens nicht mal eben so vom Himmel. Aber Sport konnte sie auch jetzt schon machen. Sie legte ihren Rucksack in eine Astgabel und hielt sich an einem Ast über ihr fest. Dann fing sie an in dem Baum Klimmzüge zu machen. Den Schmerz, der dabei durch ihren Arm schoss, versuchte sie weitestgehend zu ignorieren.
Zufrieden das offenbar doch nicht all ihre Muskeln verschwunden waren, lehnte sie sich an den Stamm und schloss die Augen. Die vormittags Sonne schien durch die Blätter und Hope hätte eigentlich ungestört nachdenken können, wäre da nicht Hendrick gewesen. „Hey, Hochstaplerin. Glaubst du, ich hätte dich vergessen?" rief er und Hope seufzte auf. „Woher soll ich das denn wissen? Besonders schlau scheinst du ja nicht zu sein." Gab sie bissig zurück und sprang mit einem Satz vom Baum. Sie landete direkt vor Hendrick. „Du siehst nicht so aus, als hättest du jemals ernsthafte Probleme gehabt. Mehr so, als wäre dir alles in den Schoß gefallen." fuhr sie fort und schlich um ihn herum. Als sie ihn einmal umrundet hatte, blieb sie direkt vor ihm stehen. Auch wenn er sie um gut einen Kopf überragte, hatte sie keine Angst. Zu mindestens zeigte sie es nicht. „Das Angebot steht noch immer. Du hast den ersten Schlag frei." sagte sie und streckte wieder ihre Arme von sich. Doch Hendrick rührte sich nicht. „Ich schlage keine Mädchen." Presste er dann hervor. Hope zuckte mit den Schultern. „Dein Pech." Sie kletterte den Baum wieder hoch, nahm ihren Rucksack und sprang wieder runter. Hendrick hatte sich noch immer nicht gerührt und Hope ging einfach an ihm vorbei und zurück ins Gebäude.Die nächsten Tage verliefen alle gleich. Jeden Tag musste Hope sich in der Schule vor den Jungs behaupten und konnte sich nur auf den Unterricht und ihren Sport konzentrieren. Für eine Freundschaft war bisher noch keine Zeit. Die Jungs hackten alle auf ihr herum und mit jedem Tag wurde ihre Maske härter. Allerdings hatte sie dadurch eine neue Lieblingsband gewonnen. Simple Plan. Sie liebte die Songs und nur damit, und einer ausgiebigen Boxpartie gegen ihren Boxsack, konnte sie sich abregen. Denn auch Doreen hackte ständig auf ihr herum. Aber es war nichts im Vergleich zur Schule. Hier wurde sie von allen Seiten gemobbt. Und heute, am Freitag, war es mal wieder ganz schlimm: Kaum das Hope die Klasse betrat, fingen alle an zu tuscheln. Sofort schaltete sie auf Durchzug und setzte sich an ihren Platz. „Na sie mal einer an. Die Hochstaplerin ist mal wieder da." Höhnte Hendrick auf einmal. Hope verdrehte die Augen. „Weißt du, was mir mal aufgefallen ist?" fragte er weiter und Hope warf ihm einen Verpiss-Dich-Oder-Ich-Schlag-Dich-Blick zu. Und das konnte sie echt verdammt gut. „Dein ach so toller Onkel, war die ganze Woche noch nicht einmal hier." Hope richtete sich auf und funkelte Hendrick an. „Und weißt du was mir aufgefallen ist? Mein Onkel geht seit über fünfundzwanzig Jahren nicht mehr zur Schule." zischte sie ihm zu. „Uh, hat das Schoßhündchen einen kleinen Wutanfall?" lachte Hendrick und Hope ließ absichtlich ihre Knochen in Händen und Nacken knacken. „Schoßhündchen? Und was bist du dann? Ein gezähmtes Faultier?" gab sie bissig zurück und endlich betrat Herr Schwarz den Raum. „Hinsetzten!" rief er, und sofort war Hendrick auf seinem Platz. Aber ich bin ein Schoßhündchen? Dachte Hope und setzte sich kopfschüttelnd auf ihren Platz.
Am Nachmittag kam Hope völlig entnervt Zuhause an und ging sofort auf ihr Zimmer. Sie wollte nicht auf Doreen treffen. In ihrem Zimmer schloss sie die Türe ab, verband sie ihr Handy sofort mit der Stereoanlage und schaltete Simple Plan auf volle Lautstärke. Dass sie mit ihrer Musik jetzt vermutlich das ganze Haus beschallte war ihr dabei herzlich egal. Aber keiner sollte hören, wie sie ihren Frust ausschrie. So laut sie konnte schrie sie. Plötzlich schaltete die Musik auf einen anderen Song und Hope lauschte auf den Text:
Do you ever feel like breaking down?
Do you ever feel out of place?
Like somehow you just don't belong
And no one understands youJa, jeden einzelnen verdammten Tag fühlte sie sich fehl am Platz. Und jeden Tag aufs neue wusste sie, dass es niemanden gab, der sie verstand.
Do you ever want to run away?
Do you lock yourself in your room?
With the radio on turned up so loud
That no one hears you screamingLustig wie gut der Song auf ihre Situation passte. Genau das tat sie gerade. In ihrem abgeschlossenen Zimmer hocken und die Luft anschreien während neben ihr auf voller Lautstärke dieses Lied lief.
No you don't know what its like
When nothing feels alright
You don't know what its like to be like me
To be hurt, to feel lost
To be left out in the dark
To be kicked when you're down
To feel like you've been pushed around
To be on the edge of breaking down
And no one there to save you
No you don't know what its like
Welcome to my lifeOh, wie recht der Sänger doch hatte. Er hatte zu viel Recht. Frustriert ließ Hope sich an ihrer Wand auf den Boden sinken und Tränen rannen ihre Wangen runter. Was sie jetzt alles dafür geben würde, einfach von jemandem in den Arm genommen zu werden. Aber da war keiner. Natürlich.
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SEINE Tochter (Rea Garvey)
FanfictionHope ist die Nichte von Rea Garvey und eigentlich ziemlich glücklich mit ihrem Leben. Sie kennt ihren Onkel nicht wirklich und hat auch nicht das verlangen ihn kennen zu lernen. Doch als ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kommen, muss sie wo...