Als ich am Morgen etwas zu spät in den Speisesaal kam, saßen alle schon an ihren Plätzen. Ich rieb mir mein Auge. "Guten Morgen. Setz dich." sagte Isabella. "Hrmpf" antwortete ich dumpf und machte auf dem Absatz kehrt. Ich hatte keinen Hunger. Aus dem Speisesaal vernahm ich nun das Morgengebet. Ich öffnete die Tür und ging hinaus. Ich sah wie sich die Wolken anbahnten. Ob es wohl ein Gewitter geben würde?
Meine Hand sinkte nach unten, während ich Schritt für Schritt näher zum Wald ging. Dann durch den Wald zum Zaun. Über den Zaun zur Mauer. Ich blieb stehen. Ich streckte meine Hand aus und berührte die glatte Oberfläche. Wenn ich wollte, könnte ich jederzeit über sie hinweg und den Abgrund überqueren. Aber dafür war es noch zu früh. Ich wüsste nicht, wie ich nach Hause käme. Ich schaute mich ein wenig um, bis ich einen Baum entdeckte der weit ausreichende Äste besaß. Mit Mühe schaffte ich es hinauf, kletterte an den Rand eines Astes und sprang auf die Mauer.
Fazit war, eines von den Kindern hier oder Isabella würden diesen Sprung nicht schaffen. Der Ast würde unter ihnen einfach zusammen brechen, außerdem hatten sie keine Anlaufmöglichkeit um die Weite des Sprunges aufzunehmen.
Ich drehte mich zur Seite, zur Endlosen Weite der Mauer. Meine Füße bewegten sich wie von alleine und ich fing an zu rennen. Ich rannte so lange und meine Lunge fing bereits an zu brennen, bis ich endlich an die Kreuzung kam. Rechts war mein Haus, links das von anderen. Ich wandte mich zur linken Seite. Und sprang.
Meine Füße schmerzten als ich auf den Boden aufkam. Der Sprung ging zu tief. Ich beschloss zum Rand des Waldes zu gehen und zu warten, bis die Spielzeit anfinge.
Als ich dort ankam, musste ich eine Weile warten doch schon bald sah ich viele Kinder aus dem Eingang freudig hinauslaufen. Und dann schließlich auch die Heimmutter. Sie sah sehr viel älter als Isabella aus. Klar, Isabella war ja auch die jüngste Heimmutter.
Ich stand auf und ging wieder tiefer in den Wald als ich plötzlich ein Knacken hörte. Ich drehte mich zur Seite. Ich sah einem Jungen mit fast schwarzen Augen und orange-braunen Haaren ins Gesicht. Er trug ein Stirnband wo drunter die Haare hervorlugten. Der Rest der Haare war ziemlich zerzaust, teils hingen sie nach unten teils richteten sie sich in die Luft.
Wie war er so schnell hierher gekommen? Ich bin doch fast zeitgleich mit Beginn der Spielstunde wieder gegangen. "Wer... Bist du?" Sein Gesicht drückte reine Verwirrung aus. "Ehm... Ich bin George und du? Was machst du hier? Und wie bist du hierher gekommen? Kommst du von hinter dem Zaun? Aber unsere Mama hat gesagt, dort soll es gefährlich sein. Und warum trägst du dann die Heimkleidung? ... Komm, ich bringe dich zu unserem Haus, dann kannst du dich ausruhen." Er wollte nach meiner Hand greifen aber ich begann sofort Richtung Zaun zu rennen. "Hey, warte!" Schrie er und folgte mir. Er war sehr viel schneller als ich, aber ich hatte einen guten Vorsprung. Er holte mich langsam ein, aber vorne tauchte schon der Zaun auf. Ich hatte die Hoffnung er würde stehen bleiben, sobald ich den Zaun überquerte. Ich sprang und rannte noch ein Stück weiter, bis ich hörte, wie die Schritte hinter mir stoppten. Ich drehte mich um. "... Naomi. Ich heiße Naomi." sagte ich und ging beruhigt weiter zur Mauer.
Als ich zurück zur Wiese unseres Hauses kam, legte ich mich ins Gras und musste das Ganze erst einmal verarbeiten. Ich schloss meine Augen und dämmerte ein wenig weg.
Die Glocke zum Ende der Spielzeit weckte mich aus meinem Dämmerschlaf und ich sah, wie sich alle versammelten. "Maamaaaa!" Hörte ich und sah wie Mark in Tränen zur Gruppe rannte. Ich fand seine Frisur schon immer ein bisschen ulkig aber sie passte zu ihm. Als Isabella fragte, was sei, sagte er er hätte sich mit Naila im Wald verlaufen und hätte sie nun verloren. Sie zog ihren Sender in Form einer Taschenuhr hinaus und ging um sie zu suchen. Das war die Kriegserklärung gegen Emma und Norman.
Als sie wieder aus dem Wald kam trug sie Naila in den Armen. Die Kleine schlief. Die Gruppe ging zurück zum Haus und ich schloss mich ihr an. Bevor wir an der Tür ankamen, sah ich noch einmal zu Emma und Norman zurück. Die beiden gingen auf uns zu. Als Normans und mein Blick sich kreuzten wendete er den Blick mit einer unterdrückten Trauermiene wieder ab. Ein wenig Wut lag auch in ihm.
Ein wenig später suchte ich nach Ray und fand ihn schließlich in der Bibliothek. "Hey" er sah mich an, sagte aber nichts. "Könntest du mir erklären wie man den Flächeninhalt von zusammengesetzten Formen ausrechnet?" Ich wusste zwar schon wie das geht, aber ich hatte nichts zu tun und bevor ich mich langweilte machte ich lieber Schule. "Wenn du mir erzählst, was du weißt." Hätte ich mit rechnen können. "Wenn du so heiß drauf bist." Ich schloss meine Augen. "Ich kenne das Geheimnis, aber mehr auch nicht. Du solltest mich besser nicht so beachten. Behandle mich einfach wie Luft. Ich bin nicht da." Ich verschränkte meine Arme. Er stand ruckartig auf und legte dabei sein Buch auf den Tisch. "Aber" "Nichts aber" viel ich ihm ins Wort. "Mehr kann und darf ich dir nicht sagen. Bringst du mir das jetzt bei?" Er entspannte sich wieder etwas und ließ sich in seinen Stuhl fallen. "Setz dich." Sagte er, während er seinen Kopf in seine Hände vielen ließ.
Es war schon leicht ironisch, dass ich sagte er solle mich wie Luft behandeln ihn aber gleichzeitig um etwas bat, was etwas mehr Zeit beanspruchte. Ich fing an leicht zu lachen.
Als wir fertig waren bedankte ich mich. Ich war nicht so gut im Schauspielern, deswegen hatte er bestimmt bemerkt, dass ich das alles schon konnte. Aber was soll's. Ich ging die Treppen hinauf und sah Isabella hinunter gebeugt Emmas Gesicht anblickend im Flur stehen. Ich versteckte mich schnell. Auch Norman versteckte sich gerade, nur auf der anderen Seite erinnerte ich mich. Ich kam ein bisschen später als Norman und deswegen bekam ich alles erst ab da mit, wo sie sich kurze Zeit anschwiegen. "Es ist gar nichts!" sagte Emma. Als sie Isabella umarmte versuchte ich im Gesichtsausdruck von ihr eine Spur der Reue zu finden. Doch die Worte Emmas bewirkten nichts.
Als Ray mit der Glocke zum Abendessen klingelte beruhigte sich die ganze Situation. Nun nicht wirklich, denn Isabella würde noch fragen, ob die beiden es waren, die am Tor waren. Natürlich verneinten sie dies aber.
Ich wartete eine Weile, sodass ich die beiden nicht unten an der Treppe antreffen würde und ging dann ebenfalls hinunter und zum Abendessen.
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TPN- Eine etwas andere Geschichte
TerrorHey ho. Es ist eine etwas andere Fanfiction, also denkt ja nicht, ihr kommt mit irgendwem zusammen ;). Es geht um ein Mädchen namends Naomi, welche mit 10 (fast 11) Jahren zurück in das Waisenhaus kehrt und versucht mit den Kindern zu fliehen. Stark...