Kapitel 6 ~Misstrauen und ein neuer Feind

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"Mmmh, du hast ja Augenringe. Hast du nicht gut geschlafen?" sah mich der kleine Phil besorgt an. "Das Gewitter hat mich wach gehalten. Aber es geht schon" sagte ich und tätschelte seinen Kopf. "Hast du etwa Angst vor Gewittern?" "Ja" antwortete ich und lächelte erschöpft.
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Wie am vorigen Tag machte ich mich nach dem Frühstück auf zur Mauer. Ich setzte mich an den Rand und blickte in den Abgrund. Ob George seiner Heimmutter erzählt hat, was er gesehen hatte? Ich bezweifle es. Er war mindestens so alt wie ich und niemand würde ihm glauben. Die Heimmutter hätte höchstens Bericht erstattet.
Ich stand auf, wandte mich zur Seite und schloss die Augen. Ich ging einen nach dem anderen Schritt immer weiter und breitete schließlich meine Arme aus. Wenn ich jetzt schief laufen würde, würde ich sterben. Ich hatte zwar besondere motorische Fähigkeiten aber fliegen könnte ich ganz sicher nicht.
"Eh, Naomi?" Mein Körper erstarrte. Als ich meinen Kopf nach links unten neigte und ich Emma in die Augen schaute drehten sich auch Ray und Norman um die schon im Begriff waren zu gehen. "Ha, was zum..." Ray war außer sich. Normans Blick wurde feindselig.
Ich hatte völlig vergessen, dass sie heute an der Mauer sein würden. Ich schaute mich kurz um, sprang auf einen der umliegenden Bäume und schließlich hinab auf den Boden. Meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Ich war in absoluter Alarmbereitschaft. "Du warst am Tag von Connys Tod auch beim Tor, du warst bei Mama und den Monstern." Norman kam auf mich zu. "Wer bist du?" Er blieb direkt vor mir stehen. "Wenn es euch etwas anginge würde ich es sagen. Hört einfach auf euch Gedanken um mich zu machen!" sagte ich laut heraus. "Es wirkt so als hättest du eine Vereinbarung mit den Monstern und Mama. Wenn dem so ist bist du unser Feind." Schaltete sich nun auch Ray ein. "Pfahaha" fing ich an zu lachen. "Ach wie süß, drei unwissende Kinder versuchen in Horden von Monstern zu fliehen. Haaa ...Es stimmt." Ich wurde wieder ernst. "Ich bin nicht euer Freund." "Aber das..." Emma konnte es nicht glauben. Sie hatte ihr Gesicht schmerzhaft verzogen. "Dennoch..." Setzte ich hinzu "Ich bin auch nicht euer Feind." "Aber was bist du dann? Können wir daran glauben das du uns nicht verrätst?" fragte Emma. "Hmmm, wer weiß. Findet es doch selbst heraus. Aber dazu würde ich euch nicht raten." Ich blickte alle drei nacheinander an. "Ihr hab nicht die Zeit dafür. Macht euch um mich keine Gedanken." "Du kannst nicht von uns verlangen uns um dich keine Gedanken zu machen nachdem du so verdächtig geworden bist." wendete Norman ein. "Überhaupt, wie bist du auf die Mauer gekommen?" fragte Ray. "Das geht euch nichts an." Ich wurde etwas lauter.
Zu meinem Glück läutete endlich die Glocke und kündigte die zwei Neulinge an. "Ray, Norman! Unsere Spielzeit ist doch noch nicht rum, oder?" fragte Emma verwirrt. "Eigentlich nicht." antwortete Norman. Die drei wendeten sich ab und gingen zurück zum Haus. Ich folgte ihnen auf einiger Distanz.
Als wir drinnen ankamen waren schon alle versammelt und vorne stand Isabella. In den Armen der Ersatz für Conny, ein Baby namends Carol und neben ihr stand Schwester Krone. Die neue Aufpasserin. "Alle Mal bergehört. Ihr habt jetzt eine neue kleine Schwester, Carol. Und das hier ist Schwester Krone. Sie ist gekommen, um mir behilflich zu sein." Stellte Isabella die beiden nun auch den anderen vor. Schwester Krone lächelte. "Ei-eine Erwachsene?" fragte Emma geschockt. "Eine Feindin mehr..." Setzte auch Norman erschrocken dazu. "Ab heute lebe ich hier bei euch. Schön, euch kennenzulernen!" Sagte nun auch Schwester Krone ein paar Worte. Alle begrüßten sie.
Später als Isabella Schwester Krone ihr ihr Zimmer gezeigt hatte, besprachen sich die beiden und sie wurde aufgeklärt, weshalb sie hier war.
Kurz nachdem sie damit fertig waren holte auch Isabella mich herein, die mich vor der Tür hatte warten lassen. "Und das hier ist Naomi, von ihr hast du sicherlich schon gehört. Nummer 00001. Das Mädchen welches mit den Oberhäupten eine Vereinbarung geschlossen hatte." stellte sie mich vor. "Oh..." Schwester Krone sah mich an. "Du bist die, die sich HQ eingeschlichen hatte?" fragte sie. "Ja, die bin ich."
"Das wäre alles, Schwester Krone." sagte Isabella lächelnd zu ihr. "Yes ma'am, Isabella." Antwortete Schwester Krone und legte förmlich ihre flache Hand auf ihre Brust. Wir gingen beide hinaus und ich verabschiedete mich lächelnd von ihr. Doch sobald sie in ihrem Zimmer verschwand drehte ich mich wieder um und legte mein Ohr an die Tür. Sie führte ihr Selbstgespräch. "Tch, die Alte tickt doch nicht mehr richtig." flüsterte ich und entfernte mich ehe ich es zu Ende gehört hatte. Ich klopfte noch ein letztes Mal an Isabellas Tür und sie öffnete. Ich sah sie an. "Pass schonmal besser auf die auf. Die wird sich nicht an deine Regeln halten." sagte ich ihr. "Natürlich, das erklärt sich doch von selbst." sie lächelte mir entgegen.
Am Abend war ich mit Emma und Gilda im Kinderzimmer um mich um die Babys zu kümmern. Emma betastete Carol und diese lachte freudig, weil es zu kitzeln schien. Ich hörte ihnen zu, wie sie miteinander redeten. Oder besser wie Gilda versuchte mit Emma zu reden, diese hatte allerdings keinerlei Gedanken an Gilda und hörte ihr nicht wirklich zu. "Was ist das? Ein Mückenstich?" fragte Gilda als sie die rote Stelle an Carols Ohr sah. "Das ist... Mama hat ihr für eine Untersuchung Blut abgenommen und das ist die Narbe." antwortete Emma. Sie atmete freudig auf als sie die Stelle berührte und den Sender darin spürte. "Naila, Phil, Mark und Conny hatten auch eine! Jeder hat sie am Ohr." als sie das sagte fasste sich Gilda an ihr Ohr und zeigte es Emma. "Ich auch?" Emma sah nach. "Sie ist schon verschwunden." "Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Ich bin ja auch schon zehn und du bist elf, Emma." stellte sie fest. "Ja. Aber er ist noch kleiner als ich gedacht habe." flüsterte Emma vor sich hin. "Was?" fragte Gilda. Emma redete sich daraufhin nervös aus der Situation heraus. Als Carol freudige Töne von sich gab reichte Emma ihr ihren Finger und Carol hielt ihn fest umklammert. "Ich muss meine Geschwister beschützen." sagte sie zuletzt mit einer entschlossenen Miene.

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